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Bei Julian Brandt ging gegen Österreich wenig. Womöglich zu wenig, um mit zur WM zu dürfen.

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Deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Nach 1:2 gegen Österreich: Mehr Fragen als Antworten

Nach der laschen Nacht von Klagenfurt ist die Liste der Wackel- und Streichkandidaten für den deutschen WM-Kader eher länger als kürzer geworden.

Die Tische im Mannschaftshotel waren gedeckt, die Sonne schien, unten im sanft-hügeligen Weinort Girlan trudelte das Feuerwehrfest beschaulich aus, das die gesamte Gemeinde Eppan drei Tage im Griff hatte. Noch in der Nacht zum Sonntag, als auf dem Festplatz die Coverband „Die jungen Pseirer“ die Massen zum Toben brachte, war die deutsche Nationalmannschaft nach schwacher Vorstellung beim 1:2 gegen Österreich aus Klagenfurt mit dem Flugzeug über Bozen in ihr Südtiroler Trainingslager zurückgekehrt. Am Sonntagabend stand ein Essen samt anschließendem Plausch mit der Bundeskanzlerin auf dem Programm.

Ein Höhepunkt folgt also dem anderen bis zum Montagmittag, wenn alles in der Nominierung des deutschen WM-Kaders für Russland kulminiert. Vier Spieler muss Bundestrainer Joachim Löw noch streichen. Nach der laschen Nacht von Klagenfurt wird sich manch aufgewühlter deutscher Fußballfan fragen, warum eigentlich nur vier Spieler ihre Sachen packen müssen? Die Liste der Wackel- und Streichkandidaten ist eher länger als kürzer geworden.

Während die Österreicher den ersten Sieg im Nachbarschaftsklassiker über Deutschland seit fast 32 Jahren bejubelten, als wenn sie sich nachträglich für die WM-Endrunde im Riesenreich qualifiziert hätten, wirkte Joachim Löw ziemlich angefressen. Nichts von dem, was im Trainingslager lange geübt wurde und was der Bundestrainer sehen wollte, hatte er zu sehen bekommen. „Wir haben in der ersten ganz gut, nach der Pause aber keinen Fußball mehr gespielt“, sagte ein zwar emsiger, aber ziellos agierender Leroy Sané in die Fernsehmikrofone.

Joachim Löw unterließ es öffentlich lieber, in die Einzelkritik zu gehen. Der Bundestrainer äußerte sich verallgemeinernd. Aus dem Spiel heraus habe sich niemand besonders aufgedrängt, hatte Löw direkt im Anschluss an das maue Spiel gesagt, „alle waren von ihren Möglichkeiten weit entfernt“.

Neuer, Özil und Khedira waren die einzigen Weltmeister in Löws Startelf

Ausgenommen fühlen durfte sich Torwart Manuel Neuer. Der 32 Jahre alte Comebacker hielt in seinem ersten Länderspiel seit Oktober 2016, was zu halten war. Und mit Abstrichen vielleicht der immer noch leicht rückenlädierte Mesut Özil, der nach zehn Spielminuten zur deutschen Führung traf, ehe ihn zusehends die Kräfte verließen, und Sami Khedira. Als der 31-Jährige vom italienischen Double-Sieger Juventus Turin zur Pause in der Kabine blieb, brach das Spiel der deutschen Mannschaft vollends zusammen.

Neuer, Özil und Khedira waren die einzigen Weltmeister in Löws Startelf gegen Österreich. So gesehen war die Nacht von Klagenfurt nichts anderes als der Triumph der Weltmeister von Rio.

Ohne die etablierten Stützen Mats Hummels, Jerome Boateng, Toni Kroos und Thomas Müller, die von Löw im vorletzten WM-Test geschont wurden, fehlt es der deutschen Mannschaft schlicht an Struktur, Stabilität und Widerstandsfähigkeit. Gerade von den Spielern der zweiten Reihe, die lange nicht oder wenig spielten, also von Spielern wie Ilkay Gündogan und dem erst spät eingewechselten Marco Reus sowie den jungen Confed-Cup-Siegern Julian Brandt, Niklas Süle und Antonio Rüdiger kam wenig bis nichts.

Selbst Joshua Kimmich und Jonas Hector, die sich in der post-weltmeisterlichen Phase auf den beiden Abwehrflügeln festgespielt haben, sind zum Teil haarsträubende Fehler unterlaufen. Und das lag weder am Wetter noch an den Platzbedingungen dieses um 100 Minuten verspätet angepfiffenen, weil donner- und regenverhangenen Spiels.

„So viele Bälle, wie wir sie heute verloren haben – das habe ich von meiner Mannschaft selten erlebt“, sagte Löw im ersten Verdruss über die teilweise brutal schlampige Spielweise seiner Männer und fügte hinzu: „Wenn wir so spielen, haben wir keine großen Chancen. Das Spielfeld war total offen.“

Doch Joachim Löw wäre nicht Joachim Löw, wenn er nicht einen Ausweg wüsste. „Ich bin überzeugt“, sagte der 58-Jährige, „in zwei Wochen wird die Mannschaft ganz anders präpariert sein.“ Seitdem er als Bundestrainer im Amt ist, ist es ihm noch immer gelungen, eine starke Mannschaft punktgenau an den Turnierstart zu bringen.

Auch darum werde er „jetzt keine schlaflosen Nächte“ bis zum ersten WM-Spiel am 17. Juni gegen Mexiko haben. „Wir bleiben da ganz ruhig, weil ich weiß: Das kriegen wir hin“, wie Löw sagte und sich damit wohl auch schon auf den hohen Besuch am Sonntag einstellte. Denn die Aussage erinnerte doch sehr an das kanzlerische „Wir schaffen das“.

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