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Die Spiele und das Virus. Ein Sicherheitsbeamter geht in der Nähe des neuen Nationalstadions in Tokio an den Olympischen Ringen vorbei.

© dpa

Mögliche Olympia-Verschiebung wegen Coronavirus: Tokios Organisatoren beraten über drei Szenarien

Der Druck auf das Internationale Olympische Komitee und die japanischen Organisatoren wächst. Und die Gastgeber lenken langsam ein.

Von Johannes Nedo

Yoshiro Mori, der Präsident des Olympia-Organisationskomitees von Tokio, hat mit seinen 82 Jahren außerdem eine lange Karriere in der Politik hinter sich. So war er auch schon Premierminister Japans, von 2000 bis 2001. Weil er sich in dieser Zeit aber einige Fehltritte leistete, war Mori überaus unbeliebt. In politischen Kreisen hieß es über ihn: er habe das Herz eines Flohs und das Hirn eines Hais.

Am Montag zeigte Mori auf einer Pressekonferenz aber, dass er und seine Mitstreiter sich den aktuellen Entwicklungen in der Coronavirus-Krise nicht verschließen können – und dem weltweiten Druck, die Olympischen Spiele im Sommer doch zu verschieben. „Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen“, sagte er also.

Die Kosten für die Gastgeber wären enorm

Auch Japans Premierminister Shinzo Abe spricht mittlerweile von einer Verschiebung. „Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat“, sagte Abe. Endgültig entscheiden könne aber nur das Internationale Olympische Komitee (IOC). Und das hat sich dafür ja eine Frist von vier Wochen gesetzt.

Die Japaner jedenfalls signalisieren, vom Sommertermin (24. Juli bis 9. August) abzurücken. Von einer Absage könne aber keine Rede sein, betonte Mori. Denkbar ist eine Verschiebung auf den Herbst, auf Sommer 2021 oder gar auf 2022. Dies würde das Gastgeberland nach Meinung verschiedener Experten bis zu 5,7 Milliarden Euro kosten.

Auch Thomas Bach meldete sich am Montag erneut zu Wort. In einer E-Mail an die Athleten warb der IOC-Präsident um Verständnis dafür, dass eine endgültige Entscheidung über einen Termin für die Spiele jetzt noch verfrüht wäre. „Ich weiß, dass diese beispiellose Situation viele Ihrer Fragen offenlässt“, schrieb der 66-jährige Deutsche. „Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen.“

Laut dem früheren IOC-Vizepräsidenten Richard Pound ist eine Verschiebung aber bereits beschlossene Sache – und die Verkündung nur eine Frage der Zeit. „Die zukünftigen Parameter wurden noch nicht festgelegt, aber die Spiele werden nicht am 24. Juli beginnen, soweit ich weiß“, sagte Pound der Zeitung „USA Today“ am Montag.

Auch viele Athleten drängen auf eine schnellere Entscheidung und ein Ende der Hängepartie, wie Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler. Vier Wochen seien „ein sehr, sehr langer Zeitraum“, sagte er im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF. „Wir arbeiten aktuell daran, dass noch schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden“, betonte Röhler, der auch Athletenvertreter im Leichtathletik-Weltverband ist. So ist der Weltverband bereit, die für 2021 nach Eugene (USA) vergebene WM im Falle der Verlegung der Tokio-Spiele ins nächste Jahr zu verschieben.

Kanada und Australien schaffen Fakten

Kanadas Olympisches Komitee erhöhte hingegen den Druck auf das IOC deutlich und gab bekannt, dass man in diesem Sommer wegen der Coronavirus-Krise auf eine Entsendung von Sportlern verzichten werde. Das Paralympische Komitee Kanadas entschied gleichermaßen für die Paralympics. Auch die Australier schlossen eine Teilnahme zum ursprünglichen Zeitpunkt aus. Norwegen hatte kundgetan, nur nach Ende der Pandemie bei Olympia zu starten.

Beim Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) sind die Funktionäre ebenfalls unzufrieden mit der aktuellen Ungewissheit. DOSB-Präsident Alfons Hörmann hatte eine eindeutigere Position vom IOC erwartet. Man habe sich „eine klare Aussage dahingehend gewünscht, dass die Spiele definitiv nicht zum geplanten Termin stattfinden können und nun über denkbare Alternativen beraten wird“, sagte Hörmann. Auch der Deutsche Behindertensportverband (DBS) verlangt eine Verschiebung der Paralympics in Tokio. „Eine Entscheidung hierzu muss unverzüglich herbeigeführt werden“, teilte der DBS mit.

Der DOSB wird am Dienstagabend mit seinen Fachverbänden über eine mögliche Verschiebung der Tokio-Spiele in einer Telefonkonferenz beraten. Außerdem läuft eine vom DOSB initiierte Abstimmung von rund 600 für Olympia qualifizierte Athleten oder potenzielle Kandidaten, ob sie an den Spielen wie geplant oder an einem alternativen Termin teilnehmen wollen. (mit dpa)

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