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Erlösender Moment. Niclas Füllkrug erzielt den Ausgleich für die Deutschen.

© Foto: dpa/Christian Charisius

Mit Wucht und Wut: Joker Füllkrug belohnt Deutschland gegen Spanien spät

Die Chancen aufs Weiterkommen sind für die deutsche Mannschaft durch das 1:1 deutlich gestiegen. Dabei sprach zwischenzeitlich alles gegen sie.

Antonio Rüdiger musste heftig lachen. Dass er als Innenverteidiger der deutschen Nationalmannschaft überhaupt zum Abschluss vor dem spanischen Tor gekommen war, schien ihn schon zu amüsieren. Vor allem aber musste er darüber lachen, dass der Ball bei seinem Schuss aus der Distanz Richtung Oberring flog. Immerhin: Die Deutschen hatten wieder gute Laune.

Der Sonntag hatte sich ohnehin gut angelassen. Durch das 0:1 von Japan gegen Costa Rica war schon vor dem Anpfiff klar, dass die Deutschen selbst bei einer Niederlage gegen Spanien nicht würden ausscheiden können.

Und auch ihr Spiel ließ sich gut an. Die Deutschen präsentierten sich gegen die zuletzt so hochgelobten Spanier als gleichwertiger Gegner – und sie demonstrierten auf beeindruckende Weise, dass man sie nicht zu schnell abschreiben sollte.

Zwischenzeitlich sprach alles gegen sie: Spanien ging Mitte der zweiten Hälfte in Führung, aber das schien die Deutschen nur noch mehr anzustacheln. In der 83. Minute gelang dem eingewechselten Niclas Füllkrug der verdiente Ausgleich zum 1:1 (0:1)-Endstand.

Was für eine Geschichte! Der 29 Jahre alte Bremer war genau für solche Momente von Bundestrainer Hansi Flick nominiert worden. Am Sonntag hielt er den Traum vom Weiterkommen am Leben. Sollte Japan im abschließenden Gruppenspiel gegen Spanien nicht gewinnen, reicht den Deutschen ein Sieg gegen Costa Rica. „Das Wichtigste ist: Wir leben noch“, sagte Kapitän Manuel Neuer.

Nachdem er die Öffentlichkeit mit seiner Aufstellung gegen Japan noch einigermaßen überrascht hatte, waren die Personalentscheidungen von Bundestrainer Flick diesmal eher konventionell. Thilo Kehrer übernahm die Rechtsverteidigerposition, zudem rückte der mit seiner Reservistenrolle unzufriedene Leon Goretzka in die Startelf.

Von den Wunderkindern Gavi und Pedri war wenig zu sehen

Nico Schlotterbeck und Kai Havertz blieben draußen. Thomas Müller, der in 15 Turnierspielen seit dem WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien ohne Tor geblieben war, spielte als Mittelstürmer – und blieb auch im 16. Spiel nacheinander ohne Tor.

Bei den Spaniern hätte es nach dem 7:0 gegen Costa Rica eigentlich keinen Grund gegeben, irgendetwas zu ändern. Trotzdem ersetzte der frühere Leverkusener Daniel Carvajal auf der Rechtsverteidigerposition Cesar Azpilicueta.

Ganz zu Beginn des Spiels wurden Erinnerungen an den fulminanten Auftaktsieg der Spanier noch einmal wach – als Dani Olmo es mit einem wuchtigen Schuss aus gut 20 Metern versuchte. Manuel Neuer lenkte den Ball an die Latte.

Sonst aber ließen die Deutschen defensiv wenig zu. Sie waren griffig gegen den Ball, gingen aggressiv in die Zweikämpfe und zwangen den sonst so ballsicheren Spaniern auf diese Weise ein wildes Spiel auf, das ihnen nicht unbedingt gefällt.

Seit Beginn der Datenerhebung bei der WM 2014 hatten die Deutschen in jedem Turnierspiel mehr Ballbesitz gehabt als ihr Gegner. Am Sonntag riss diese Serie, was angesichts der Anhänglichkeit der Spanier zum Ball keine allzu große Überraschung war.

Das Wichtigste ist: Wir leben noch.

Manuel Neuer, Torhüter und Kapitän der Nationalmannschaft

Trotzdem hatte das Team von Trainer Luis Enrique bis zur Pause nur noch eine gute Gelegenheit. Linksverteidiger Jordi Alba probierte es mit rechts und setzte den Ball knapp am Tor vorbei. Von den beiden spanischen Wunderkindern Gavi und Pedri war in der ersten Halbzeit nicht allzu viel zu sehen. Das Konzept von Hansi Flick, der mit der bayrischen Doppelsechs Kimmich/Goretzka die Mitte schließen wollte, um den Spielfluss der Spanier zu unterbinden, ging auf.

Das einzige Duell zweier früherer Weltmeister in der Vorrunde der WM in Katar war anders, als es nach dem ersten Spieltag erwartet worden war, ein Duell auf Augenhöhe. „Es ist gigantisch, was die Mannschaft heute geleistet hat“, sagte Bundestrainer Flick. „Wir haben eine gute Antwort heute parat gehabt.“

Dass die Deutschen selbst bei einer Niederlage nicht ausscheiden konnte, dürfte dabei zur Beruhigung ihrer Nerven beigetragen haben. Trotz der Klasse ihres Gegners machten sie alles andere als einen gestressten Eindruck.

Flick hatte mit seinen Wechseln ein glückliches Händchen

Nach Balleroberungen kam die Nationalmannschaft sogar zu guten Gelegenheiten. Bei einer guten Konterchance stand Serge Gnabry im Abseits, Ilkay Gündogan wurde im Strafraum gerade noch beim Abschluss gestört, den Rebound schlenzte Gnabry knapp am Tor vorbei.

Und als der Ball tatsächlich einmal im Tor der Spanier lag, schritt der Linienrichter ein. Antonio Rüdiger hatte bei seinem Kopfballtreffer nach einem guten Freistoß von Joshua Kimmich knapp im Abseits gestanden.

Auch nach der Pause hatten die Deutschen die erste gute Chance, vielleicht sogar die beste des Abends. Kimmich eroberte am spanischen Strafraum den Ball, Kimmich kam schließlich auch aus zwölf Metern recht unbedrängt zum Schuss, scheiterte aber an Torhüter Unai Simon.

Aber das aggressive Anlaufen, das Eins-gegen-Eins über den ganzen Platz, kostet viel Kraft. Vielleicht lag es daran, dass die Spanier nach gut einer Stunde auf einmal überraschend viel Platz im Mittelfeld hatten.

Jordi Alba konnte unbedrängt von der linken Seite in die Mitte passen, und am Fünfmeterraum war der kurz zuvor eingewechselte Alvaro Morata den entscheidenden Schritt schneller als Niklas Süle. Neuer hatte keine Abwehrchance, Spanien führte.

Flick reagierte, brachte Leroy Sané, Niclas Füllkrug und Lukas Klostermann. Die Deutschen erhöhten den Druck, die Deutschen mühten sich nach Kräften und mit nicht nachlassendem Eifer. Die Deutschen hatten Chancen. Und sie belohnten sich. Nach einer Vorarbeit von Musiala versenkte Füllkrug den Ball mit Wucht und vermutlich auch ein bisschen Wut zum Ausgleich. (Tsp)

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