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Gute Stürmer-Gene. 1,97 Meter groß, kopfballstark, effizient: Miroslav Slavov soll den Berliner AK in die Dritte Liga schießen – und er hat noch mehr vor.

© imago/Björn Draws

Fußball-Regionalliga: Berliner AK: Miroslav Slavov, der Stürmer von der Hotelbar

Einst trainierte Miroslav Slavov mit Samuel Eto'o und Roberto Carlos. Vor einem Jahr landete er auf kuriose Weise beim Berliner AK – jetzt ist er der beste Torschütze der Regionalliga.

Miroslav Slavov steht am Mittelkreis. Er hat seinen Oberkörper leicht nach vorne gebeugt und reibt sich mit den Handflächen kreisförmig über die Oberschenkel. Mag sein, dass das ein verzweifelter Kampf gegen die Kälte ist. Von der Tribüne im Poststadion aber sieht es so aus, als könnte der Mittelstürmer vom Berliner AK gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht. Miroslav Slavov, 26 Jahre alt, sagt von sich, dass er überhaupt kein Trainingsmensch sei. „Ich brauche den Wettkampf, will gewinnen, Tore schießen, mit meiner Mannschaft oben stehen. Da brenne ich einfach drauf.“

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte der Ukrainer, der in Wien aufgewachsen ist, mit all dem weitgehend abgeschlossen. Er studierte BWL und kickte nebenher beim Kremser SC in der viertklassigen Niederösterreichischen Landesliga. Drei Mal die Woche Training, immer abends, weil die Spieler tagsüber entweder arbeiteten oder studierten. Slavov hat nebenher gemodelt, bei „Austria’s Next Top Model“ mitgemacht, auch bei einer österreichischen Version des Bachelors. All das geht nicht mehr. Slavov findet das nicht schlimm. „Du hast schöne Fotos für Facebook“, sagt er, aber sonst habe er das mit dem Modeln nie so bierernst genommen.

Anders als den Fußball. „Ich habe wieder Blut geleckt“, sagt Slavov, der seit einem Jahr in Berlin ist. Der BAK spielt ebenfalls in der vierten Liga, aber die Spieler arbeiten unter Profibedingungen, trainieren zwei Mal am Tag. Da bleibt für andere Beschäftigungen wenig Zeit. „Ich will nicht ewig in der Regionalliga spielen, sondern so weit rauf wie möglich“, sagt er. Am liebsten mit dem BAK, der in der Regionalliga auf Platz drei liegt und mit dem Auswärtsspiel bei Viktoria am Sonntag kommender Woche die Aufholjagd starten will. Das ursprünglich für dieses Wochenenede angesetzte Nachholspiel gegen Schönberg wurde erneut abgesagt.

Dass Miroslav Slavov überhaupt in Berlin gelandet ist, ist eine kuriose Geschichte. Sie hat vor knapp einem Jahr an einer Hotelbar in Antalya begonnen. Slavovs Vater machte damals Urlaub in der Türkei und kam an der Bar mit seinem Nebenmann ins Gespräch, der sich als Mehmet Ali Han vorstellte, Präsident des Berliner AK. Der Klub bereitete sich gerade in Antalya auf die Rückrunde vor. Slavovs Vater erzählte, dass sein Sohn auch Fußball spiele; er holte sein Handy hervor und zeigte Han einige Youtube-Videos. Kurz darauf klingelte bei Miroslav Slavov zu Hause das Telefon. Ein ihm unbekannter Mann fragte, ob er nach Antalya kommen könne. Er sitze gerade mit seinem Vater an der Hotelbar … In diesem Moment wollte Slavov eigentlich schon wieder auflegen.

Aus Schnapsidee wird Ernst

Was sich zunächst wie eine Schnapsidee anhörte, stellte sich schnell als ernste Sache heraus. Das Telefonat mit Han war gerade beendet, da poppte auf Slavovs Handy das Ticket für den Flug nach Antalya auf. „Natürlich war ich skeptisch“, sagt er. Aber dann dachte er sich: Okay, flieg’ ich halt runter, verbringe quasi ein Wellness-Wochenende in einem Fünf-Sterne-Resort, mit Sauna, Schwimmbad, Hamam und kostenloser Verpflegung.

Slavov war genau der Mittelstürmer, nach dem Han lange gefahndet hatte: groß, kopfballstark, effizient. Mit ihm könnte der BAK vielleicht doch noch um den Aufstieg mitspielen. Die Mannschaft gewann in der vergangenen Rückrunde 14 von 16 Spielen und verpasste nur wegen der schlechteren Tordifferenz die Play-offs zur Dritten Liga. Neun Tore steuerte Slavov bei. In dieser Saison ist er mit zwölf Treffern der beste Torschütze der Regionalliga Nordost, obwohl er in den ersten vier Spielen verletzt gefehlt hatte.

Von Roberto Carlos und Samuel Eto'o verdrängt

Gute Stürmer-Gene. 1,97 Meter groß, kopfballstark, effizient: Miroslav Slavov soll den Berliner AK in die Dritte Liga schießen – und er hat noch mehr vor.
Gute Stürmer-Gene. 1,97 Meter groß, kopfballstark, effizient: Miroslav Slavov soll den Berliner AK in die Dritte Liga schießen – und er hat noch mehr vor.

© imago/Björn Draws

Slavov ist eben ein anderes Niveau gewohnt. Mit 17 wechselte er in die Nachwuchsabteilung von Girondins Bordeaux, von der U 16 bis zur U 19 hat er für die ukrainische Nationalmannschaft gespielt und 2011 für Antschi Machatschkala sogar einen Einsatz in der ersten russischen Liga gehabt. Das war kurz bevor ein Milliardär unverschämt viel Geld in den Klub pumpte, Guus Hiddink als Trainer engagierte und alternde Stars wie Roberto Carlos und Samuel Eto’o verpflichtete. Slavov wird oft darauf angesprochen, soll erzählen, wie es so war mit den Superstars. „Alles schön und gut“, sagt er. „Aber es hat mir mehr geschadet als genutzt.“ Unter all den großen Namen spielte der junge Nachwuchsstürmer nämlich plötzlich keine Rolle mehr.

Jetzt, beim BAK, ist er selbst ein großer Name. „Man sieht, dass er Stürmer-Gene hat“, sagt Claus-Dieter Wollitz, der Trainer des Ligakonkurrenten Energie Cottbus, gegen den Slavov fünf Minuten vor Schluss den Siegtreffer zum 2:1 erzielt hat. Von seiner Körperhaltung und seinen Bewegungen könnte Slavov ein Cousin von Zlatan Ibrahimovic und Sandro Wagner sein – was vermutlich an seiner Körpergröße von 1,97 Meter liegt. Trotzdem ist er sehr geerdet, ein höflicher, junger Mann, beliebt in der Mannschaft, nicht nur wegen seiner Tore. „Er hat einen guten Geist, ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, der sich kritisch mit dem auseinandersetzt, was in der Welt passiert“, sagt sein Trainer Jörg Goslar.

„Er ist ein typischer Strafraumstürmer“

Auf dem Platz wirkt sein Spiel hingegen ein bisschen eindimensional. „Er ist ein typischer Strafraumstürmer“, sagt Goslar. Beim Heimspiel gegen den FC Oberlausitz am Ende der Hinrunde wartet Slavov meistens hart an der Abseitslinie auf Zuspiele; in der ersten Viertelstunde kommt er auf gerade zwei Ballkontakte. Es ist sowieso ein undankbares Spiel. Oberlausitz verteidigt mit Fünferkette, hat einen Manndecker auf Slavov abgestellt, der ihn über den ganzen Platz verfolgt. Wenn er trotzdem mal in aussichtsreicher Position in den Strafraum kommt, fliegen die Bälle entweder über ihn hinweg oder sie bleiben am ersten Verteidiger hängen.

Früher hat sich Slavov als Stürmer fallen lassen, sich angeboten, hat versucht, immer anspielbereit zu sein. Aber irgendwann hat er gemerkt, dass er so nicht rechtzeitig in den Strafraum kommt. Jetzt lungert er eben vorne rum, um im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu sein. „Das kann auch heißen, dass ich fünf bis zehn Minuten keinen Ball bekomme“, sagt Slavov. „Früher hätte mich das wahnsinnig gemacht, jetzt ist es okay.“ Weil er gemerkt hat, dass die Mannschaft auf diese Weise am meisten von ihm profitiert – von seinen Toren nämlich.

Hohe Ziele, einige Interessenten

Als Slavov vor einem Jahr beim BAK in Antalya zur Probe mittrainierte, kam er auch in einem Test gegen den FSV Frankfurt zum Einsatz. Der damalige Zweitligist wollte ihn sofort verpflichten. Slavov hatte zwar noch nicht beim BAK unterschrieben, dem Klub aber schon seine Zusage gegeben. Daran fühlte er sich gebunden. „Ich bereue es keine Sekunde“, sagt Slavov. Beim BAK habe er sich wieder einen Namen machen könne. Und „diese Glückserlebnisse“ aus der Rückrunde, die will er nicht missen. „Wir sind alle Verstoßene, die es allen noch mal beweisen wollen.“

Claus-Dieter Wollitz traut Slavov „auf jeden Fall Dritte Liga“ zu. Es gibt Gerüchte, dass türkische Erstligisten an ihm interessiert sind. Slavov sagt, bei ihm habe sich niemand gemeldet. Er kann sich auch nicht vorstellen, dass Präsident Han ihn ziehen lassen würde. Slavov erzählt das ohne beleidigten Unterton, obwohl er ehrgeizige Ziele hat.

Neulich, bei einem Fernsehauftritt in einem Spartensender, hat er erzählt, dass jeder Fußballer davon träume, Weltmeister zu werden oder die Champions League zu gewinnen. Das mit dem WM-Titel werde für ihn als Ukrainer allerdings schwierig. Er lacht. „Mir ist schon bewusst, dass das ein Riesentraum ist“, sagt er, aber seine Mutter habe immer gesagt: „Wenn du dir ganz hohe Ziele setzt, wirst du wenigstens die Hälfte erreichen.“ Miroslav Slavov fragt: „Was ist die Hälfte von Champions-League-Sieger?“

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