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© dpa

Die NHL in Berlin: Millionäre auf Durchreise

Die Eisbären empfangen am Sonntagnachmittag Tampa Bay Lighting. Erstmals spielt eine Berliner Mannschaft gegen ein Team aus der National Hockey League.

Eigentlich ist es Firlefanz. Oder so, als ob ein Schwergewichtler ein Federgewicht zum Freundschaftskampf herausfordert. Tampa Bay Lightning gegen Eisbären Berlin heißt heute die Ansetzung in der O2-World (Beginn 16 Uhr). Auf der einen Seite ist eine Ansammlung von Eishockey-Millionären aus der besten Liga, die diese Sportart zu bieten hat, der National Hockey-League (NHL). Und auf der anderen Seite steht der Meister der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Der Unterschied zwischen beiden Klubs – wenn man eines der 30 nordamerikanischen NHL-Unternehmen überhaupt so nennen darf – ist gigantisch. 15 Spieler von Tampa verdienen mehr als eine Millionen Dollar pro anno, Topverdiener Vincent Lecavalier haut sich in der Saison über sieben Millionen Dollar in die Tasche – davon lässt sich das ganze Eisbären-Team fast zwei Mal bezahlen.

Aber wer zum Teufel ist Vincent Lecavalier? Sportinteressierten im Lande ist wahrscheinlich Sven Felski, der Urstürmer der Eisbären, eher ein Begriff. Und da beginnt das Problem der NHL: Seit dem Rücktritt von Stars wie Wayne Gretzky oder Mario Lemieux hat die Liga ihre Gesichter verloren und unter Querelen gelitten: Die größte war der Tarifstreit, der vor drei Jahren zum sogenannten Lockout und dazu führte, dass eine Saison ausfiel. Danach haben sich Klubs und Spielergewerkschaft über eine Gehaltsobergrenze geeinigt. Trotzdem steht die NHL nicht besser da als zuvor und muss nun auch noch europäische Konkurrenz fürchten, seit es im russischen Eishockey Geld regnet: So spielt Tschechiens Eishockeystar Jaromir Jagr nicht mehr in New York sondern bei Avangard Omsk.

Verständlich also, dass die NHL in Europa tingeln geht. Vergangenes Jahr bestritten die Los Angeles Kings und die Anaheim Ducks in London die ersten Punktspiele der Saison, diesmal machen das Tampa und die New York Rangers in Prag und in Stockholm die Ottawa Senators und Pittsburgh Penguins. Für Tampa ist das Spiel in Berlin also ein letzter Test vor dem Ernstfall am 4. Oktober, das Gerangel um die Stammplätze im Team ist in vollem Gange, was wiederum Eisbären-Trainer Don Jackson gar nicht so lieb ist: „Hoffentlich verletzt sich keiner meiner Spieler.“ Ähnliche Sorge hat auch Deron Quint, der immerhin 450 Mal in der NHL aufgelaufen ist. „Das kann ganz schön hässlich werden“, sagt der Eisbären-Verteidiger aus den USA. „Wir werden uns schon gut verkaufen“, glaubt derweil Angreifer Denis Pederson (462 NHL-Partien). „Chancenlos sind wir nicht.“ Schließlich haben acht Profis der Eisbären schon in der NHL gespielt, kennen sich die Spieler von WM-Turnieren.

Das Spiel verspricht also gute Unterhaltung, zumal ja auch der deutsche Nationaltorwart Olaf Kölzig bei Tampa im Tor steht. Vor drei Jahren hat Kölzig während des Lockouts zwölfmal für die Eisbären gespielt. Viel Zeit, um sich in Berlin umzuschauen, wird Kölzig aber nicht haben. Sein Team ist nur sieben Stunden in der Stadt, dann rauschen die Eishockey-Millionäre zurück nach Prag und hinter ihnen wird ein Ereignis von sporthistorischer Tragweite liegen: 1959 schaute die NHL zuletzt in Berlin vorbei, im Sportpalast traten New York Rangers gegen Boston Bruins an. Damals kamen nur 600 Zuschauer, heute werden es mindestens 12 000 mehr sein – erstmals überhaupt spielt ein Berliner Klub gegen ein NHL-Team. Trotzdem lief der Vorverkauf für das nächste Eisbären-Punktspiel besser: Wolfsburg am 3. Oktober ist ausverkauft, Tampa war es am Sonnabend noch nicht. Deutsche Fans sind halt keine Firlefanz-Fans.

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