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Patrick Anderson konnte seine Mannschaft dieses Mal nicht ins Finale führen.

© imago images/Beautiful Sports

Ende einer Ära bei den Paralympics: Michael Jordan hilft nicht mehr weiter

Patrick Anderson führte die Rollstuhlbasketballer Kanadas zu drei Goldmedaillen. An die vergangenen Erfolge kann er in Tokio nicht anknüpfen.

Patrick Anderson wurde auch schon einmal als der „Michael Jordan des Rollstuhlbasketballs“ beschrieben. Er war der Superstar seines Sports. Mit ihm gewann die kanadische Nationalmannschaft drei goldene und eine silberne Medaille bei den Paralympics. Es war eine der größten Erfolgsgeschichten bei den Spielen, der in Tokio noch einmal ein neues Kapitel hinzugefügt werden sollte. Doch die dominierenden Zeiten der kanadischen Mannschaft sind wohl erst einmal vorbei.

„Ich möchte in Tokio eine Medaille holen“, hatte Patrick Anderson dem Tagesspiegel in einem Video-Interview im Juli gesagt: „Ich habe schon viele Medaillen gewonnen, doch wir sind ein junges Team. Ich wünsche mir diese Medaille für die anderen Jungs.“ Der 42-Jährige saß in seinem Auto in einer Straße New Yorks, trug eine schwarze Cap und einen grauen Hoodie.

Doch sein großer Traum von einer weiteren Medaille endete am Mittwoch für Anderson und das kanadische Team. Bereits in der vergangenen Woche war der Start für die Rollstuhlbasketballer gehörig misslungen. Nach einer herben 41:78-Pleite gegen Spanien folgte eine knappe Niederlage gegen die Türkei. „Ich bin enttäuscht, dass ich nicht noch mehr Körbe für uns holen konnte“, hatte Anderson dem Rollstuhlbasketballmagazin „Rollt.“ gesagt. Er wolle es besser machen, es am nächsten Tag noch einmal probieren. Doch auch gegen Gastgeber Japan reichte die Leistung nach einem starken Start nicht für einen Sieg.

Siege gegen Korea und Kolumbien reichten den Kanadiern noch für den Einzug ins Viertelfinale. Weltmeister Großbritannien war beim 52:66 dann aber einfach zu stark. Es war der Schlusspunkt für das kanadische Team in Tokio. Der Traums von einer letzten internationalen Goldmedaille mit Patrick Anderson ist geplatzt. Es ist das Ende einer außergewöhnlichen Ära.

Kanada erreichte vier Endspiele in Folge

Anderson wuchs in der kanadischen Stadt Fergus auf. Er war ein sportliches Kind. Mit neun Jahren fuhr ihn ein betrunkener Autofahrer an, er verlor bei dem Unfall beide Unterschenkel. Es fiel ihm danach schwer, wieder mit dem Sport zu beginnen. Bis er Rollstuhlbasketball für sich entdeckte. „Es war wahrscheinlich das erste Mal in einem Jahr, dass ich nicht über Skating, Laufen, Springen und Klettern nachgedacht habe“, sagte Anderson dem Wellington Advisor in einem Interview. „Denn ich bin geflogen…jemand hat mir meine Beine genommen und dann gesagt: Warte eine Sekunde, ich habe hier Flügel für dich.“

Und beflügelt schien Anderson in den nächsten Jahren tatsächlich. Er ist ein großer, schneller Spieler, wird mit 4,5 Punkten – also als Sportler mit minimaler Behinderung klassifiziert. Im Alter von 21 Jahren wird er mit dem kanadischen Nationalteam bei den Spielen 2000 in Sydney das erste Mal Paralympics-Sieger. In Athen verteidigt die Mannschaft vier Jahre später ihren Titel erfolgreich, 2008 verliert Kanada in Peking das Finale und gewinnt Silber. Anderson nimmt sich eine längere Auszeit und kehrt erst zu den Paralympics 2012 in London zurück.

Dort erreichte er zum vierten Mal in Folge das Finale und spielte ein letztes Mal um paralympisches Gold. „Es war das Spiel, dass für mich die größte Bedeutung hatte. Meine Frau und mein bester Freund war da. Es war das Ende einer anstrengenden Zeit, wir waren müde, körperlich und psychisch. Diese Hürden zu überwinden, fühlte sich großartig an“, sagte Anderson dem Tagesspiegel. Seine Rückkehr war von Erfolg gekrönt: Die Kanadier gewannen in London 64:58 gegen das Team aus Australien. Patrick Anderson spielte ein fantastisches Endspiel und steuerte 34 Punkte zum großen Triumph bei. „Ich hatte niemals zuvor ein gutes Goldmedaillenspiel“, erzählte er. „Dieses Spiel fühlte sich wie etwas Besonderes an, es fühlte sich an wie das Ende einer Ära.“

Anderson hörte auf und machte Musik

Patrick Anderson verabschiedete sich nach diesem Spiel in London in eine Pause vom Sport. Er wollte Zeit für seine Familie, seine drei Kinder haben, mit seiner Frau und ihrer gemeinsamen Band „The Lay Awakes“ Musik machen. Ohne ihn konnte das kanadische Team nicht an die internationale so erfolgreiche Zeit anknüpfen. Bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro schied das Team bereits im Viertelfinale aus.

Anderson kehrte 2017 noch einmal zurück auf die große Bühne. Es ist seine zweite Rückkehr nach einer längeren Pause in den Rollstuhlbasketball. Auf die Frage, ob er süchtig nach dem Sport sei, verneinte der Kanadier. „Ich bin süchtig danach, ein Handwerk zu beherrschen. Ich könnte stundenlang Musik machen und Gitarre spielen. Aber ich werde niemals perfekt Klavier spielen. Am nächsten dran, etwas perfekt zu können, wird für mich immer Rollstuhlbasketball sein. Vielleicht ist das der Grund, aus dem ich zurückkomme. Der Gedanke, das ich gerade noch jung genug bin und mich noch einmal verbessern kann. Athleten wie Roger Federer und Tiger Woods inspirieren mich dabei.“

In London war die Rückkehr von Patrick Anderson noch von Erfolg gekrönt. Doch ließe sich das noch einmal wiederholen? Neun Jahre später? Die Hoffnung war groß. Kanada hatte ein junges, motiviertes Team. Der „Michael Jordan“ des Rollstuhlbasketball sollte es führen. Doch dass es dieses Mal nicht noch einmal klappen würde, deutete sich schon 2018 bei den Weltmeisterschaften in Hamburg an. Damals landete das kanadische Team nur auf Platz zwölf. Und so platzte nicht nur in Hamburg, sondern auch jetzt in Tokio der Traum von einer letzten internationalen Medaille für das kanadische Team gemeinsam mit Rollstuhlbasketballstar Patrick Anderson.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog. 

Zoe Bunje

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