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Mit dem ganzen Körper. Die 16-fache Weltmeisterin Marie Lang (r.) teilt aus und steckt ein.

© Friso Gentsch/dpa

Serie "Mein Sport und ich" (8): Mein weltmeisterlicher Kick

Unsere Autorin fand eigentlich zehn Jahre zu spät zum Kickboxen. Mittlerweile vereint sie Ring und Laufsteg, muss aber auf anderen Sport verzichten.

Sport bedeutet Leidenschaft, harte Arbeit - und Verzicht. In unserer Serie erzählen Athleten ganz persönlich, wie viel Kraft das kostet und was sie für ihre Sportart auf sich nehmen. Für den neuen Teil hat Claus Vetter mit Marie Lang gesprochen. Die 32-Jährige dominiert die internationale Kickboxszene im Leichtgewicht seit 2014. Sie ist seit 2015 Weltmeisterin des WKU-Verbandes und hat alle ihre 35 Profikämpfe gewonnen.

Für mich ist Kickboxen ein großes Stück Emanzipation. Früher, in meiner Jugendzeit, da war ich eher schüchtern. Und wenn mir da während meiner Disco-Zeit in der westfälischen Heimatstadt jemand auf den Hintern gehauen hat, dann habe ich das so weggelächelt. Das würde mir heute nicht mehr passieren, ich schlüpfe nicht mehr in die Opferrolle. Nicht falsch verstehen, natürlich will ich mich nicht abseits des Rings schlagen – aber ich strahle eben viel mehr Selbstbewusstsein aus, seitdem ich meinen Sport habe.

Im Kickboxen kannst du dich auspowern, da ist der ganze Körper gefragt. Mein Sport ist anspruchsvoll. Du darfst die Gegnerin auch mit dem Fuß im Gesicht treffen, das gehört dazu. Damit umzugehen, das lernst du. Nur am Anfang traust du dich vielleicht nicht. Wenn zu uns ins Gym in München junge Mädels kommen, dann entschuldigen die sich am Anfang noch für jeden Kopftreffer. Aber das gibt sich. Was der Kick für mich ist? Es wird nie langweilig, auch nicht beim 16. WM-Titel. Und es sollen ja noch einige folgen.

Dabei sah es nach so einer Karriere vor 15 Jahren noch nicht aus. Sportlich war ich ja schon immer, aber so richtig engagiert eher nicht. Gut, ich habe lange Tischtennis gespielt, da war der Weg zum Kickboxen nicht weit. Beide Sportarten sind ja ähnlich brutal. Nein, im Ernst: Zum Kickboxen kam ich erst mit 16 Jahren. Das ist relativ spät. Zehn Jahre zu spät eigentlich.

Eine Freundin von mir hatte im Fernsehen einen Bericht über den Sport gesehen und mich dann überredet, mal Just for Fun in ein Fitnessstudio zu gehen und das auszuprobieren. Und das ging in meiner Heimatstadt Lemgo tatsächlich. Wir waren beide schon beim ersten Versuch völlig begeistert und haben dann losgelegt: Sechs Mal Training in der Woche, das lief zwei Jahre lang so.

Ein Unentschieden? Das fand ich total blöd!

Irgendwann kam dann doch die Lust auf, das Gelernte auch einmal im Kampf zu zeigen. Ich hatte dann im Jahr 2005 die Chance, bei einem Kickbox-Event in Detmold anzutreten und am Ende kam dabei ein Unentschieden raus. Wer weiß, hätte ich damals gewonnen, wäre es das vielleicht gewesen mit den Auftritten im Ring. Aber ein Unentschieden? Das fand ich total blöd! Im Sport willst Du gewinnen, also habe ich weitergemacht, wurde besser und kam zwei Jahre später zu meiner ersten deutschen Meisterschaft.

Dann aber war Studium angesagt, ich zog nach München. Ich habe Modedesign studiert, die Mode ist neben dem Sport meine große Leidenschaft. Und während des Studiums habe ich das mit dem Kickboxen etwas schleifen lassen, 2011 bin ich nach dem Studium wieder zurück nach Lemgo. Und da hätte meine Karriere im Kickboxen auch schon vorbei sein können, aber dann kam der Anruf von Manager und Trainer Mladen Steko aus München. Christine Theiss, damals beste Kickboxerin der Welt, hatte ihre Karriere beendet und daher waren sie beim Stall von Mladen auf der Suche nach einer Nachfolgerin. Als das Angebot kam, habe ich es natürlich kaum glauben können – und bis heute, 16 Weltmeistertitel später, nie bereut.

Sicher, der Aufwand ist groß. Ich habe elf Trainingseinheiten in der Woche und nur am Sonntag frei. Vor den Wettkämpfen kann das schon ganz schön hart werden. Ich bin ja in drei Gewichtsklassen unterwegs. 60, 60,5 und 65 Kilo. Eigentlich ist 65 Kilo mein Gewicht, ich bin ja mit 1,76 Meter auch nicht gerade klein. Das Runterhungern auf die 60 Kilo ist schon hart, früher habe ich da im Schnellverfahren mal so drei, vier Kilo in einer Woche abgenommen. Einfach, in dem ich fast nichts getrunken habe. Das war dann besonders abends schon hart und ungesund. Ich habe da jetzt ein anderes Verfahren gefunden.

Skifahren und Tischtennis sind zu gefährlich

Das Einzige, was als Nebenerscheinung an meinem Sport manchmal ein wenig nervig ist, ist, dass ich keinem anderen Sport nachgehen kann. Skifahren wäre viel zu gefährlich, selbst Tischtennis spiele ich nicht mehr. Ich habe mich sogar mal beim Golfen verletzt.

Aber das mit dem Modedesign versuche ich trotzdem weiter zu verfolgen. Bei meinem bislang letzten Kampf hatte ich ein eigens entworfenes und genähtes Outfit an. Und ganz nebenbei bin ich ja auch noch Model. Vor drei Jahren war ich bei der Fashion Week in Berlin für das Label „Riani“ am Start. Ein Jahr später sollte ich wieder in Berlin laufen , aber da hatte ich mich ein paar Tage vorher in einem Kampf verletzt. Kickboxen ist eben doch etwas brutaler als Modeln – es sei denn, du fällst vom Laufsteg.

Bisher erschienen: Laufen von Jan Fitschen (26. 6.), Bogenschießen von Lisa Unruh (2. 7.), Turnen von Philipp Herder (12. 7.), Wasserball von Melanie Friese (14. 7.), Boxen von Robert Maess (18. 7.), Rhythmische Sportgymnastik von Anni Qu (21. 7.), Kugelstoßen von Niko Kappel (23.7.).

Marie Lang

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