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Peyton Siva verlängerte seinen Vertrag nach einer starken vergangenen Saison und leitet Albas Spiel weiter als Point Guard.

© Annegret Hilse/dpa

Saisonstart bei Alba Berlin: Marco Baldi: „Die Erwartung kann eine Bürde sein“

Albas Manager über den Saisonstart am Samstag gegen Jena, die finanzstarke Konkurrenz aus München und die Entwicklung des deutschen Basketballs. Ein Interview.

Herr Baldi, am Samstag startet Alba gegen Jena in die neue Saison, Ihre 29. Sind Sie trotzdem noch aufgeregt?

Ja. Es ist eine andere Aufregung als vor zehn oder 20 Jahren, aber das Kribbeln ist voll da. Der Saisonstart ist immer etwas Besonderes.

In was für einer Verfassung sehen Sie die Mannschaft nach der Vorbereitung?

Eine ideale Vorbereitung sieht definitiv anders aus. Wir haben momentan drei Gruppen im Team, die alle auf einem unterschiedlichen Stand sind. Die einen waren verletzt, die anderen bei der Nationalmannschaft und ein paar Spieler haben durchtrainiert. Die Aufgabe ist jetzt, die unterschiedlichen Levels zusammenzuführen und zu einer Einheit zu formen.

Ein Grund für diese Probleme waren die Länderspiele mitten in der Vorbereitung, über die schon lange diskutiert wird. Wie könnte eine Lösung dieses Streits aussehen?

Es gibt da zwei Schienen. Die erste und entscheidende betrifft den Weltverband. Solange die Fiba vor allem auf ihre Interessen schaut und nicht die angegliederten Ligen – ob das Bundesliga, Euroleague oder NBA sind – miteinbezieht und gleich behandelt, ist es unmöglich, eine konfliktfreie, sinnvolle Struktur zu finden. Bis dahin müssen wir uns aber mit der zweiten Schiene beschäftigen: Wir haben Nationalspieler aus Island, Litauen, Serbien und natürlich aus Deutschland und haben mit den jeweiligen Verbänden gesprochen. Da gibt es Gesprächsbereitschaft, die Dinge halbwegs im Sinne der Klubs zu lösen. Aber das ist alles Improvisation, weil es auf der großen Landkarte, bei der Fiba, nicht sauber und einheitlich geregelt ist.

Marco Baldi, 56, ist seit 1990 Manager des Berliner Basketball-Bundesligisten und gewann in dieser Zeit acht Meisterschaften und neun nationale sowie einen internationalen Pokal.
Marco Baldi, 56, ist seit 1990 Manager des Berliner Basketball-Bundesligisten und gewann in dieser Zeit acht Meisterschaften und neun nationale sowie einen internationalen Pokal.

© Soeren Stache/dpa

Sie haben kürzlich gesagt, dass es eine schwierige Saison werden könnte. Warum?

Zunächst mal, die Vorzeichen sind super. Das Trainerteam ist unverändert und wir haben bis auf Marius Grigonis alle Leistungsträger halten können. Die Erwartungshaltung verändert aber sehr viel. Letzte Saison sind wir in der Meisterschaft und im Pokal ins Finale gekommen und wurden mit Komplimenten hinsichtlich Spielstil und Gesamtentwicklung überschüttet. Jetzt ist der Druck von außen größer. Wir haben auch diese Saison wieder das jüngste Team der Liga und insbesondere für junge Spieler kann diese Erwartung eine schwere Bürde sein.

Einige Spieler sprechen vom Titel.

Ja, das finde ich gut. Spieler müssen das Höchste wollen und bereit sein, dafür alles zu tun. Natürlich gibt es neben der Erwartungshaltung von außen auch eine interne. Manche Spieler, die letztes Jahr eine klasse Entwicklung gemacht haben, denken vielleicht, dass es genauso weitergeht. Das kann gefährlich sein, denn da gibt es keinen Automatismus, das muss man sich immer wieder neu erarbeiten.

Wie sieht Ihr Saisonziel aus?

Meine Aufgabe ist es, eine realistische Einschätzung abzugeben. Wir sollten unter die besten vier kommen, also mindestens ins Halbfinale. Sollten wir das erreichen, ergeben wir uns natürlich nicht in Zufriedenheit, dann geht es erst richtig los.

Wie eng ist die positive Entwicklung mit Trainer Aito Garcia Reneses verknüpft?

Sehr eng. Für unseren Weg mit jungen, entwicklungsfähigen und -willigen Spielern – viele davon aus dem eigenen Nachwuchs – haben wir die Weichen schon lange vor Aito gestellt. Er ist dafür der ideale Anführer, weil er schon sein Trainerleben lang Topspieler ausbildet, sie besser macht, dabei aber gleichzeitig Resultate für den Klub erzielt.

Reneses wird dieses Jahr 72 und sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. Wie groß sind die Hoffnungen, dass er weitermacht?

Wir stehen jetzt gerade vor dem Beginn dieser Saison und darauf liegt der Fokus. Wir werden noch alle Zeit haben, uns darüber zu unterhalten. Wir wissen, was wir an ihm haben und er weiß, wie gut das hier alles passt. Dass wir nicht das ganze Jahr passieren lassen, ohne uns darüber Gedanken zu machen, ist klar.

Gerade die jungen Talente profitieren sehr von Reneses. Was für eine Rolle trauen Sie den Doppellizenzspielern zu?

Viele denken wohl, Aito gibt jungen Spielern Einsatzmöglichkeiten, nur weil sie jung sind. Ganz so einfach ist es nicht. Aito lässt sie spielen, wenn er glaubt, dass sie zum Erfolg des Teams beitragen können. Natürlich hat er dabei auch die Zukunft im Auge. Dieser Kader mit sechs Doppellizenzspielern, die auch bei Bernau in der Pro B spielen, ist ein Schatz, den wir aufgebaut haben. Jetzt hängt es von den Talenten selbst ab, wie viel Einsatzzeit sie sich bei den Profis verdienen.

Bayern hat sich mit Derrick Williams prominent verstärkt, Bamberg hat Tyrese Rice geholt. Ist die Lücke zu den Meistern der vergangenen Jahre trotz einer Spieleretat-Erhöhung von Alba um 20 Prozent größer geworden?

Ich glaube nicht, dass der Abstand sportlich größer oder kleiner geworden ist. Bamberg schätze ich deutlich stärker ein als letztes Jahr. Bayern hat das gemacht, was zu erwarten war: Geklotzt. Sie sind bereits seit einigen Jahren allen außer Bamberg wirtschaftlich weit voraus. Sie haben die Sicherheit, dass sie die nächsten Jahre in der Euroleague spielen – und dann gibt es einen Uli Hoeneß, der sagt: Holt mir den Titel, ich schaue, wie wir das Geld zusammenbekommen. Aber das soll uns alles nicht jucken. Wir sind nicht im Fußball, wo nach Hin- und Rückrunde Schluss ist und der Meister in den letzten Jahren lange vorher feststand. Wir spielen Play-offs und man hat letztes Jahr gesehen: Bayern brauchte fünf Spiele gegen Frankfurt, wir gegen Oldenburg. Das ist alles eng beisammen. Eine Situation, wie sie der Fußball aktuell erlebt, sehe ich auf den Basketball nicht zukommen.

Solch eine Zeit gab es um die Jahrtausendwende, als Alba sieben Mal in Folge Meister wurde. Blicken Sie manchmal etwas nostalgisch auf diese Ära zurück?

Das ist ein durchaus schöner Teil unserer Geschichte. Ich weiß, dass manche darauf mit ein bisschen Wehmut zurückschauen, aber wir haben jetzt etwas ganz anderes. Von 17 Spielern in unserem Kader sind acht Berliner. Und das ist hochspannend. Ganz ehrlich: Wenn man den Basketball von 1999 und heute vergleicht, liegen da Welten dazwischen. Diese gigantische Entwicklung wäre nicht möglich gewesen, wenn wir oder ein anderer ständig dominiert hätte.

Die Bundesliga hatte sich vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt, bis 2020 die stärkste Liga Europas zu werden. Wie weit ist die BBL auf diesem Weg?

Was wirtschaftliche und infrastrukturelle Dinge angeht, sind wir auf jeden Fall an der Spitze angekommen. Wenn man die Ergebnisse in den Europapokalen nimmt, gibt es noch keine deutschen Klubs, die permanent um internationale Titel mitspielen. Die Lücke zur Spitze hat sich aber erheblich verkleinert. Das sieht man an der Nationalmannschaft, die sich vorzeitig für die WM qualifiziert hat oder an mittlerweile sieben NBA-Spielern und vielen weiteren Talenten. Das alles zeigt, dass sich die Investitionen in höhere Standards hinsichtlich der Jugendarbeit, die in der Liga eingeführt wurden und bei denen einige Klubs wirklich schlucken mussten, gelohnt haben. Zudem schüttet die Liga jetzt Geld aus, vor ein paar Jahren mussten die Klubs noch einzahlen. Das korreliert.

Einen wesentlichen Teil dieser Entwicklung haben Sie bei Alba mitgestaltet. Was treibt Sie nach 28 Jahren noch an?

Keine Sorge, ich habe noch jede Menge Feuer, Hunger und Gestaltungswillen. Man kann sich das wie eine lange Partnerschaft vorstellen, in der man sich immer wieder neu erfindet und aneinander wächst. Das ist im Profisport sicher ungewöhnlich, aber Alba ist mein Klub, mein Baby. Ich kann das nicht rein beruflich sehen und morgen woanders anheuern.

Das Gespräch führte Julian Graeber.

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