zum Hauptinhalt
Bei dem Europa-League-Duell zwischen Union und Malmö gab es Ausschreitungen beider Fanlager.

© imago images / Matthias Koch

Malmö war nur der traurige Höhepunkt: Der 1. FC Union hat einiges aufzuarbeiten vor dem Rückspiel in der Europa League

Trotz des Sieges herrschte bei den Berlinern keine gute Stimmung nach den schweren Fanausschreitungen in Malmö. Union-Präsident Dirk Zingler spricht von Grenzüberschreitungen und kündigt eine umfassende Aufklärung an.

Aus Age Hareide sprach nach der Niederlage seiner Mannschaft die Enttäuschung und vermutlich war der Trainer von Malmö FF kurz nach dem Spiel auch noch nicht umfassend informiert, doch seine Worte waren deutlich. „Wir hatten noch nie solche Probleme mit einem anderen Team in Europa. Wenn sie Fans haben, die solche Dinge tun, können sie nicht im Europapokal spielen“, sagte der Norweger in Richtung 1. FC Union.

Beim Gruppenspiel der beiden Mannschaften am Donnerstagabend in Malmö war es in der zweiten Halbzeit zu schweren Fanausschreitungen gekommen. Nachdem mehrere Raketen auf den Rasen und auf die Tribünen geschossen wurden und es nahe dem Gästeblock eine heftige Explosion gegeben hatte, stand die Begegnung kurz vor dem Abbruch. Erst nach einer 27-minütigen Unterbrechung konnte wieder Fußball gespielt werden.

Ich bin seit 50 Jahren im Fußball und habe viele europäische Spiele gemacht, aber das zerstört den Spaß am Spiel.

Age Hareide

Die Schuldfrage war allerdings deutlich schwieriger zu beantworten, als es bei Hareide klang. Denn auch Malmö-Fans sowie eine Gruppe schwarz gekleideter Chaoten im Heimbereich neben dem Gästeblock, die zunächst keinem der beiden Vereine zugeordnet werden konnte, waren an den Ausschreitungen beteiligt. Mit einer Sache hatte der Trainer der Schweden aber zweifellos recht. „Ich bin seit 50 Jahren im Fußball und habe viele europäische Spiele gemacht, aber das zerstört den Spaß am Spiel.“

Richtig freuen konnten sich eigentlich nur die Berliner Profis, die nach zwei Niederlagen zum Start die ersten Punkte in der Europa League holten und ihre Chancen auf das internationale Überwintern deutlich verbesserten. Doch das war am Donnerstag Nebensache. „Heute sind Grenzen überschritten worden und das akzeptiere ich nicht“, sagte Unions Präsident Dirk Zingler und kündigte eine Aufarbeitung der Vorgänge im Gästeblock an.

Auch wenn die Lage sehr unübersichtlich war, deutet vieles darauf hin, dass vor allem zwei Faktoren maßgeblich waren für die Eskalation auf den Tribünen: Die Beteiligung von mehreren dritten Parteien und das Sicherheitskonzept, das die Brisanz des Spiels offensichtlich unterschätzt hatte. „Jeder lädt sich Gäste ein, aber hat sie dann nicht im Griff. Das ärgert mich total“, sagte Zingler.

Malmö FF pflegt eine Fanfreundschaft zu Hertha BSC

Dass die schwedischen Anhänger eine Fanfreundschaft mit Unions Stadtrivalen pflegen, war im Vorfeld bekannt gewesen und am Donnerstag sollen auch Herthaner im Stadion gewesen sein. Im Malmö-Fanblock war schon vor den Ausschreitungen eine Hertha-Fahne zu sehen, während der Unterbrechung wurde dort auch ein Banner mit der Aufschrift „Berlin ist blau-weiß“ präsentiert. Es gab auch Gerüchte über Anhänger des BFC Dynamo, die zum Spiel angereist sein sollen. Doch auch ohne externe „Unterstützung“ existiert in Malmös Fanszene ein nicht zu unterschätzendes Gewaltpotenzial. Erst vor wenigen Tagen hatte es beim Ligaduell mit Hammarby Ausschreitungen im Stadion gegeben.

Auch aus diesem Grund hatte Malmö den Kartenverkauf außerhalb des Gästeblocks für Berliner Fans gesperrt und nur das Minimalkontingent von 1.200 Tickets zur Verfügung gestellt. Einige von diesen reichten Union-Fans allerdings an vereinsfremde Personen weiter. Dabei handelte es sich offenbar um Anhänger von Energie Cottbus und Borussia Mönchengladbach. Darauf deuten zumindest eine Zaunfahne der mit Unions Ultras befreundeten Gladbacher Gruppierung „Sottocultura“ sowie Fotos in den Sozialen Medien hin. Auf einem ist ein weitgehend vermummter Mann mit dem Cottbuser Vereinslogo auf der Maske zu sehen.

„Das mit den Gästen werden wir auswerten“, sagte Zingler. „Wir haben guten Kontakt zu all unseren Fans im Stadion. Jeder hat Verantwortung zu übernehmen und das hat heute nicht funktioniert. Das sollte uns alle wachrütteln.“ Selbst aus der Distanz war zwar zu erkennen, wie Teile der Berliner Ultras und ihr Capo versuchten, auf den gewalttätigen Teil des Gästeblocks einzuwirken, das gelang aber erst nach viel zu langer Zeit. Letztlich macht es auch keinen großen Unterschied, ob es Union-Anhänger waren, die mit Raketen schossen, oder nur ihre „Gäste“. Die Verantwortung liegt bei der Berliner Fanszene und letztlich beim Verein.

So gab es in der noch jungen Europapokalgeschichte der Berliner das nächste unschöne Ereignis. Schon das Spiel in Rotterdam in der Vorsaison mit einem völlig überzogenen Polizeieinsatz und die massiven Schwierigkeiten am Einlass in Braga vor wenigen Wochen hatten nicht viel mit unbeschwerter Reiselust zu tun. Nun waren allerdings erstmals eindeutig (auch) Unions Anhänger Schuld am schlechten Bild, das dieses Spiel unweigerlich hinterlässt.

Das Rückspiel gegen Malmö ist bereits in der kommenden Woche

Was die Geschehnisse im Stadion angeht, waren die Auseinandersetzungen in Malmö ein trauriger Höhepunkt. Seit dem ersten Bundesligaderby im Herbst 2019 stand ein Spiel des 1. FC Union wegen gewaltsamer Zwischenfälle nicht mehr so nah vor einem Abbruch. Dass die ersten Provokationen von einer Gruppe ausgegangen sein sollen, die im Block neben den Union-Fans stand und zunächst keinem der beiden Vereine zugeordnet werden konnte, macht die folgende Eskalation nicht besser.

Aus dem Gästeblock flogen Sitzschalen, Raketen wurden auf das Feld und in den Bereich der Heimfans geschossen. Eine landete laut der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“ im Familienblock im Oberring. „Da sitzen Familien auf der Tribüne und es wird links und rechts geknallt. Ich weiß nicht, was zum Teufel gerade in Europa los ist“, sagte Malmös Kapitän Anders Christiansen.

Die Ultras von Union brannten auch nach Abpfiff noch Feuerwerk ab.
Die Ultras von Union brannten auch nach Abpfiff noch Feuerwerk ab.

© imago images / Matthias Koch

In den vergangenen Wochen war es bei mehreren Europapokalspielen zu schweren Zuschauerzusammenstößen gekommen, unter anderem beim Auftritt des 1. FC Köln in Nizza und bei Eintracht Frankfurt in Marseille. In Indonesien starben bei einer Panik im Stadion vor wenigen Tagen 125 Menschen. Vor dem Anpfiff hatte es in Malmö noch eine Schweigeminute für die Opfer der Tragödie gegeben.

Da schon am kommenden Donnerstag das Rückspiel in Berlin stattfindet, steht nun nicht nur die Aufarbeitung, sondern auch die Vorbereitung im Fokus. Bisher ist nicht bekannt, wie viele Fans aus Schweden den Weg ins Stadion An der Alten Försterei auf sich nehmen werden. Der Gästeblock hat eine Kapazität von rund 2.000 Plätzen. Dirk Zingler ist jedoch überzeugt, dass es eine Eskalation wie in Malmö nicht erneut geben wird. „Hier war der Veranstalter vollkommen unterbesetzt, wir sind organisatorisch besser aufgestellt“, sagte Unions Präsident. Selbst die Möglichkeit, dass Malmös Fans Karten weitergeben könnten, etwa an befreundete Hertha-Anhänger, beunruhigt Zingler nicht. „Darauf sind wir vorbereitet.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false