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Schneller, weiter, Mihambo! Die 25-Jährige ist im Weitsprung national außer Konkurrenz. Bei den deutschen Meisterschaften wird sie daher auch über 100 Meter starten.

© Dennis/AFP

Weitspringerin aus Deutschland: Malaika Mihambo ist die Überfliegerin der Leichtathletik

Weitsprung-Europameisterin Mihambo ist national ohne Konkurrenz. Deswegen sucht sie nun das Duell mit Sprinterin Lückenkemper.

Als vor wenigen Wochen bei einem kleinen Leichtathletik-Meeting in Mannheim beim 100-Meter-Lauf der Startschuss fiel, blieb eine Läuferin etwas in den Blöcken hängen. Auf den ersten Metern war sie Letzte. Ihren Trainer wunderte das nicht. „Wir haben erst drei Tage vorher Starts geübt“, erzählt Ralf Weber. Dass seine Läuferin am Ende zeitgleich mit der Siegerin in 11,21 Sekunden durchs Ziel raste, überraschte ihn aber auch nicht. „Malaika hat bei einer Junioren-DM über 200 Meter schon einmal Gina Lückenkemper abgehängt, ehe sie kurz vor Schluss ins Straucheln kam“, sagt Weber. „Malaika ist schnell.“ Und Malaika kann sehr, sehr weit springen

Weber trainiert Malaika Mihambo, die derzeit beste Weitspringerin auf der Welt. Bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften am kommenden Wochenende im Berliner Olympiastadion wird Mihambo im Weitsprung sowie über 100 Meter an den Start gehen. Im vergangenen Jahr wurde sie am selben Ort Weitsprung-Europameisterin. Seitdem läuft es sogar noch besser. „So gut wie jetzt war sie noch nie“, sagt Weber.

Mihambo springt reihenweise über die magische Marke von sieben Metern. Aktuell liegt sie in der Weltjahresbestleistung mit 7,07 Meter, 7,05 Meter und 7,02 Meter auf den ersten drei Plätzen. Auch wenn viel von der wortgewaltigen deutschen Sprinterin Gina Lückenkemper die Rede ist: Deutschlands mit Abstand erfolgreichste Leichtathletin ist Mihambo. Die 25-Jährige kann in diesem Jahr in Doha erstmals nach 26 Jahren eine WM-Goldmedaille für Deutschland im Weitsprung gewinnen. „Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die sind extrovertiert, haben aber wenig Erfolg“, sagt ihr Trainer. „Bei Malaika ist das umgekehrt.“

Weber und Mihambo kennen sich seit einer Ewigkeit, bereits seit 15 Jahren trainieren die beiden zusammen. Ihr Verein ist die LG Kurpfalz aus dem Städtchen Schwetzingen nahe Heidelberg. Mihambo und Weber sind ein schöner Gegenentwurf in Zeiten, in denen deutsche Top-Athleten ihr Potenzial gerne im Ausland voll ausschöpfen wollen. Mihambo und Weber haben es gerne eine Nummer kleiner, Schwetzingen statt USA. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen haben es die beiden nach ganz oben geschafft.

Aktuell ist sie die viertbeste Deutsche im Sprint

Es hatte sich dabei nicht zwingend angekündigt, dass aus Mihambo mal eine solche Ausnahmeathletin werden sollte. „Wir hatten früher bei den 12- bis 14-Jährigen fünf sehr starke Athletinnen bei uns im Verein. Eine davon war Malaika. Aber sie ragte unter diesen Sportlerinnen nicht heraus“, erzählt Weber. „Ich habe nicht unbedingt gedacht, dass sie mal Europameisterin wird. Aber ich habe auch nicht gedacht, dass sie es auf keinen Fall schaffen kann.“

Dass es in diese Richtung aber gehen könnte, wurde bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro deutlich. Mihambo sprang 6,95 Meter und wurde Vierte. Weber wusste nun, dass sie die Nerven für die großen Wettkämpfe hat. Mihambos Zeit sollte beginnen. Doch im Leben und speziell im Spitzensport ist nichts planbar. Mihambo verletzte sich 2016 an der Patellasehne, ein Jahr später rutschte sie auf einer Treppe aus und zog sich ein Knochenödem im Fuß zu. Sie musste pausieren. Hinzu kam eine Art Misstrauensbeweis des Deutschen Leichtathletikverbandes. Der DLV stufte Mihambo aus dem Olympia- in den Perspektivkader herunter. Finanzielle Einbußen waren die Folge. Mihambo und Weber machten unbeirrt weiter und holten schließlich Gold bei der EM in Berlin. „Sie hat sich seitdem noch einmal enorm weiterentwickelt“, sagt Weber.

Mihambos Stärke in der hochkomplexen Disziplin Weitsprung ist ihre Anlaufgeschwindigkeit. Keine andere Springerin kann derzeit mit Mihambo im Anlauf mithalten. Die Krux beim Weitsprung aber ist, die Geschwindigkeit in Weite umzusetzen. „Dafür braucht es einen möglichst hohen Winkel beim Absprung. Und dafür wiederum braucht es gerade bei Malaikas Geschwindigkeit sehr viel Kraft“, erklärt Weber. „In diesem Bereich gibt es noch großes Potenzial. Außerdem haben wir noch längst nicht alle Trainingsmittel bei ihr ausgereizt.“ Für Freunde der deutschen Leichtathletik sind das fantastische Aussagen. Denn wohin soll das große Potenzial noch führen, wenn Mihambo jetzt schon die Weltjahresbestenliste anführt?

In Deutschland ist Mihambo mehr oder weniger außer Konkurrenz. „National ist das nicht so prickelnd. Sie kämpft gegen sich selbst“, sagt Weber vor den deutschen Meisterschaften. Der 51-Jährige will nicht arrogant klingen. Er beschreibt einfach nur den Status quo im deutschen Frauen-Weitsprung. Und weil der so ist, will Weber mit den 100 Metern einen neuen Reiz schaffen. Mihambo wird am Samstag daher auch im Sprint starten. Mit ihren 11,21 Sekunden von Mannheim ist sie aktuell national die viertbeste Deutsche – und das fast ohne spezielles Training auf dieser Distanz. Wer weiß, vielleicht sieht dieses Mal Gina Lückenkemper bis zum Schluss nur die Hacken der großen Überfliegerin in der deutschen Leichtathletik.

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