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Nico Hülkenberg, 31, debütierte 2010 für den Rennstall Williams in der Formel 1, seit 2017 fährt er für Renault.

© Photo4/Imago

Letztes Saisonrennen in der Formel 1: Nico Hülkenberg: "Natürlich muss man auch egoistisch sein"

Der Formel-1-Fahrer über das Duell mit seinem künftigen Teamkollegen Daniel Ricciardo, die Chancen von Renault - und seine Zukunftsoptionen.

Von David Joram

Herr Hülkenberg, sagt Ihnen der Name Ricardo Patrese etwas?

Ja, das war ein italienischer Formel-1-Fahrer. Aber sonst verbinde ich nicht so viel mit ihm. Warum?

Patrese hielt sehr lange den Rekord für die meisten Starts in der Formel 1, nämlich 256. Erst 2008 zog Rubens Barrichello an ihm vorbei und blieb bei 323 stehen. Knacken Sie auch mal die 300er-Grenze?

Boah, da liegt noch eine Menge, Menge Holz vor mir. Ich weiß ja gar nicht, wie viele Grand Prix ich aktuell habe. 113 oder was…?

157.

157? Puh. Ob ich dann bis 300 komme, weiß ich wirklich nicht. Ob ich noch so lange Rennen fahren werde oder möchte, weiß ich auch nicht, das steht in den Sternen. Da mache ich mir aktuell mal gar keine Gedanken drüber, ehrlich nicht.

Das wäre zumindest ein Ziel, das Sie haben könnten, sollte es mit einem Grand-Prix-Sieg nicht klappen. Oder wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Natürlich will ich mal einen Grand Prix gewinnen, mehrere sogar! Dazu braucht man bekannterweise aber auch entsprechendes Material, sprich das richtige Auto. Bisher hatte ich das in meiner Karriere noch nicht. Jetzt bin ich mit Renault aber in einem Team, von dem ich denke, dass wir die Möglichkeit haben, uns dahinzuarbeiten. Aber sowas passiert natürlich nicht über Nacht, auch nicht über ein, zwei Jahre. Die Formel 1 ist heutzutage einfach zu komplex, um so schnell da vorne hinzukommen. Aber ich habe mit Renault das Ziel dahinzukommen und darauf hinzuarbeiten, nur wird das noch dauern.

Wenn Sie zu Mercedes oder Ferrari wechseln würden, kämen Sie vermutlich schneller an ein siegfähiges Auto. Wäre das eine Option?

In der Formel 1 sollte man niemals nie sagen. Aber aktuell bin ich noch mit Renault verheiratet. Wie das in zwei, drei Jahren aussieht und was da auf dem Fahrermarkt passiert, ist immer Spekulationssache. Im Moment konzentriere ich mich voll auf Renault und meine Arbeit dort.

Wie motiviert man sich für ein Rennen, in dem man – wenn es gut läuft – vielleicht Fünfter, bestenfalls Vierter werden kann - aber nie gewinnen?

Die Perspektive motiviert einen. Und das ich mit Renault einen Partner habe, mit dem ich mich in eine noch bessere Position reinarbeiten kann, um dann mal um Siege kämpfen zu können. Generell hat man sowieso immer die Grundmotivation, das Beste aus sich und seinen Möglichkeiten herauszuholen.

In Hockenheim fuhren Sie Ihr bestes Rennen, wurden Fünfter. Wie frustrierend ist es, wenn selbst nach einem so tollen Heim-Grand-Prix nur über Hamilton oder Vettel, der dort ja böse von der Strecke rutschte, gesprochen wird?

Hockenheim war ein absolutes Highlight, nicht nur das Rennen. Das ganze Wochenende war top, wir haben alles rausgeholt, dazu die tolle Stimmung. Es gab so viel Unterstützung, wie ich das so noch nie vor heimischem Publikum erlebt habe. So viele Menschen, ausverkaufte Strecke, das war schön zu anzusehen und gab Energie. Ein cooles Erlebnis.

Aber Sie kamen in der Berichterstattung trotzdem kaum vor.

Es liegt in der Natur der Menschheit, dass man halt lieber über die Dinge diskutiert, die vorn passieren, über die Sieger - und nicht über den fünften, sechsten Platz. So ist das mit allem im Leben. Darüber bin ich nicht frustriert. Ich bin nur darauf fokussiert, dass ich meine Leistung abrufe. Das einschätzen zu können, ist für mich wichtig. Die Leute, die um mich herum sind, die mit mir arbeiten, die sehen und wissen das. Dass ein fünfter Platz nicht so zelebriert wird, ist ja klar. Wer gewinnt, wer der Beste ist, was vorn passiert – das sind nun mal die entscheidenden Fragen.

Vermissen Sie nicht manchmal den Respekt?

Natürlich ist das bestimmt mal vorgekommen im Laufe meiner Karriere, wenn ich gefühlt mal das beste Rennen gefahren bin, dann aber trotzdem nur ein siebter oder achter Platz herauskam. Der wird dann in der Öffentlichkeit eben nicht so wertgeschätzt, weil das natürlich keiner wirklich sehen oder nachvollziehen kann. Das ist einfach so in diesem Sport. Deswegen noch mal: es zählt vor allem die eigene Einschätzung.

Es heißt, Sie seien ein Teamplayer. Inwiefern kann das auf dem Weg nach ganz oben auch hinderlich sein?

In gewisser Weise muss man sogar ein Teamplayer sein, weil es so viele Jungs gibt, mit denen man zusammenarbeitet, mit denen man gut können muss, und um die man sich dann eben auch kümmern sollte. Die Mechaniker, die Ingenieure – auf die ist man als Fahrer extrem angewiesen. Ohne sie kann man ein Formel-1-Auto nicht abstimmen, nicht fahren, nicht bewegen.

Weltmeister Lewis Hamilton kommt und geht und fährt Rennen. Zwischendurch jettet er nach New York oder Tokio und kümmert sich kaum um sein Team. Trotzdem stimmt der Erfolg.

Klar, jeder ist anders. Wir sind alle unterschiedlich, jeder tickt anders und hat andere Prioritäten und lebt auch anders. Natürlich hat Lewis einen extravaganten Lebensstil, aber seine Leistung ist da, eine sehr, sehr gute sogar. Da lässt sich nicht dran rütteln. Insofern: Natürlich muss man auch egoistisch sein, vielleicht sogar ein Riesenegoist in der Formel 1, wenn man sich durchsetzen will und nach oben kommen will. Aber irgendwo muss man halt auch im Team klarkommen.

Nächstes Jahr kriegen Sie mit Daniel Ricciardo, der von Red Bull kommt, einen neuen Teamkollegen, der als sehr starker Fahrer gilt. Müssen Sie einen Tick egoistischer werden, um zu bestehen?

Ich glaube, ich muss vor allem meinen Job, meine Aufgaben gut machen, das Ganze professionell angehen, Gas geben. Das hat bisher ja gut funktioniert.

Was wird sich mit Ricciardo an der Seite verändern?

Das ist alles Zukunftsmusik, da verschwende ich noch keine Gedanken dran.

Aber ein Austausch findet vermutlich schon statt, oder?

Klar, aber er ist noch nicht hier. Was dann passiert, wenn er da ist, wird sich zeigen. Wir haben einen guten Draht. Aber natürlich ist das ein Wettkampf: Ich will ihn schlagen, er muss mich schlagen. Das ist immer so mit Teamkollegen. Wir sind beide smart genug, dass wir miteinander klarkommen werden.

Was muss sich 2019 verändern, damit die Formel 1 noch einen Tick attraktiver wird?

Die Autos sind aerodynamisch sehr sensibel, das macht dann teilweise das dichte Auffahren auf den Vordermann extrem schwierig und dadurch logischerweise das Überholen. Die Konsequenz ist, dass die Rennen teilweise ein bisschen eintönig rüberkommen. Da wird ja nächstes Jahr schon mit dem neuen Frontflügelkonzept gearbeitet, das dem ein bisschen entgegenwirken soll.

Breitere und einfacher konzipierte Flügel sollen den Luftstrom so beeinflussen, dass das Überholen wieder leichter fällt.

Darauf bin ich gespannt und hoffe, dass es die Änderungen tatsächlich besser machen werden. Ich wünsche mir jedenfalls viele intensive Zweikämpfe und mehr spannende und packende Rennen.

Zuletzt standen Sie im November 2010 auf Pole Position, das bislang einzige Mal. Wann sehen wir Sie das nächste Mal auf Startplatz eins?

Da muss man immer spekulieren und ich spekuliere nicht so gerne.

Wann hat Renault ein Auto, das halbwegs mit Mercedes, Ferrari und Red Bull mithalten kann?

Hoffentlich 2020.

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