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Ferngesteuert? Mo Farah bedient in Pekings Olympiastadion eine Drohne.

© Reuters/Noble

Leichtathletik-WM in Peking: Mo Farahs Rollentausch vom Helden zum Angezweifelten

Bei den Olympischen Spielen in London 2012 wurde Mo Farah zum Idol – jetzt steht sein Trainer unter Doping-Verdacht. Das hat auch für ihn Folgen.

Für gewöhnlich wollen Spitzensportler vor ihrem Saisonhöhepunkt möglichst ungestört sein. Ein großes Fernseh-Interview, eine Homestory für eine Zeitschrift, ein paar Pressekonferenzen und Sponsorentermine – damit kann man noch leben. Eine fünf Stunden lange Befragung durch Dopingfahnder gehört dagegen nicht zur gewünschten Vorbereitung auf eine Weltmeisterschaft. Am heutigen Sonnabend wird sich im WM-Finale über 10 000 Meter (14.50 Uhr live im ZDF und bei Eurosport) zeigen, ob die Form von Doppel-Olympiasieger und Doppel-Weltmeister Mo Farah unter der Aufregung der vergangenen Wochen und Monate gelitten hat.

Nicht Farah selbst steht unter direktem Doping-Verdacht, sondern sein äußerst erfolgreicher und einflussreicher US-amerikanischer Trainer Alberto Salazar, mit dem der Brite seit 2011 im „Oregon Project“ des Sportartikelherstellers Nike zusammenarbeitet. Laut einem Bericht der BBC soll der 57-jährige Salazar Sportlern seiner Gruppe Dopingmittel verabreicht haben. Den US-Läufer Galen Rupp, der 2008 in London hinter Mo Farah Olympia-Silber über 10 000 Meter gewann, soll Salazar bereits im Alter von 16 Jahren mit Testosteron behandelt haben. Zudem steht er unter Verdacht, Asthma und andere Leiden bei seinen Athleten vorgetäuscht zu haben, um Ausnahmegenehmigungen für leistungssteigernde Medikamente zu bekommen. Salazar hat alle Vorwürfe in einem 11 000 Wörter umfassenden offenen Brief abgestritten.

Schon als aktiver Sportler war Salazar bereit, seine Gesundheit für Siege aufs Spiel zu setzen: Nach seinem Sieg im Schlussspurt beim Boston-Marathon 1982 brach er völlig dehydriert zusammen, seine Körpertemperatur fiel auf lebensbedrohliche 31 Grad. Dass er bereit ist, die Grenzen des Erlaubten auch als Trainer mit allen wissenschaftlichen Methoden zumindest auszureizen, ist unbestritten. Der Trainer hat zugegeben, Testosteron-Gel an seinen beiden erwachsenen Söhnen getestet zu haben, die ebenfalls für das Oregon Project arbeiten. Salazar gibt an, das Experiment nur durchgeführt zu haben, um Daten zu erheben und seine Sportler somit besser gegen Sabotage schützen zu können.

Die Anti-Doping-Agentur der USA (Usada) ermittelt mittlerweile gegen Salazar und befragte deshalb im Juli auch Farah. Usada-Chef Travis Tygart hat nicht ausgeschlossen, dass auch der Brite noch einmal Gegenstand einer Untersuchung werden könnte. Der 32-jährige Farah, der seit seinen Olympiasiegen 2012 in Großbritannien enorm beliebt ist, hat seine Blutwerte von 20 Tests zwischen 2005 und 2012 offengelegt und will weiter mit Salazar zusammenarbeiten. „Ich glaube an Roberto und die Beweise, die er vorgelegt hat“, teilte Farah mit, sein eigener Name sei „durch den Dreck gezogen worden“.

In Peking – wie könnte es in der modernen Leichtathletik anders sein – sind alle am Start: Mo Farah als Läufer, Alberto Salazar als sein Trainer, auch Galen Rupp wird am heutigen Sonnabend über 10 000 Meter laufen. Und schon an ihrem ersten Abend könnte die Weltmeisterschaft Medaillengewinner hervorbringen, die einen Schatten auf die Wettbewerbe von Peking werfen.

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