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104 statt 90 Minuten. Ein Fußballspiel kann bei der WM in Katar lange dauern.

© IMAGO/Offside Sports Photography

Lange Nachspielzeiten bei der Fußball-WM: Lieber mehr netto statt viel brutto

Manche Spiele bei der Fußball-WM wollen nicht enden. Das darf nicht Schule machen. Der Sportart täte vielmehr eine Reduzierung der Spielzeit gut.

Ein Kommentar von Martin Einsiedler

Wahrscheinlich liegt es an Gestalten wie Joseph „Sepp“ Blatter, dass der Fußball unveränderlich, ja beratungsresistent ist. Blatter wollte in seiner Amtszeit als Verbandschef des Weltfußballs das Elfmeterschießen abschaffen, Pausen für taktische Anweisungen einführen oder das Tor größer machen, damit noch viel mehr Bälle reinpassen. Der Schweizer wurde für seine Vorschläge (größtenteils zu Recht) belächelt. Nichts davon ist umgesetzt worden.

Überhaupt haben sich bedingt durch derlei abstruse Vorschläge die Fußball-Puristen durchgesetzt. Regeländerungen beim Fußball, dem für viele schönsten aller Spiele, gelten als ketzerisch. Und wenn doch etwas passiert, wie etwa die Einführung des Videobeweises, wird darüber jahrelang mit einer Emotionalität und Ernsthaftigkeit diskutiert, als wären auch die nächsten zehn Weltmeisterschaften nach Katar vergeben worden.

Nun, bei der Weltmeisterschaft in Katar, wird das in der Regelspielzeit von 90 Minuten angesetzte Spiel teils endlos in die Länge gezogen. Die Nachspielzeit, mitunter insgesamt bis zu 25 Minuten, gerät derart lang, dass in einem schon der Gedanke reifen kann, vielleicht erst zur zweiten Hälfte reinzuschauen.

Die Idee hinter den vielen Zusatzminuten im Fußball: Dem Zeitspiel soll vorgebeugt werden. Wenn ein Spieler meint, die Führung seiner Mannschaft durch minutenlanges Bodenwälzen wegen einer sich anbahnenden Stauchung des kleinen Zehs über die Runden bringen zu müssen, soll konsequenter als bislang nachgespielt werden. Stichwort Netto-Spielzeit! Der schöne Nebeneffekt für den Milliardenbetrieb Fußball: Der Fußball respektive „der Content“ wird noch mehr. Und dieser lässt sich zu Geld machen.

Es gäbe aber eine charmantere und einfachere Lösung, dem Zeitspiel ein Ende zu machen: Die Zeit (vielleicht 60 Minuten) laufen lassen, wenn der Ball läuft. Die Zeit anhalten, wenn diskutiert, geschauspielert oder ehrlich auf dem Rasen vor Schmerzen gelitten wird. Viele andere Sportarten, sei es Basketball, Eishockey oder American Football, fahren gut damit. Eine Stunde netto wäre schöner als fast zwei Stunden brutto.

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