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Torwart Uwe Kamps, Jürgen Klinsmann, Ralf Sievers, Gerhard Kleppinger, Frank Mill und Michael Schulz (v.l.) bejubeln die olympische Bronzemedaille 1988.

© Imago

Update

Frank Mill über Olympia 1988 und 2016: "Lahm und Mertesacker würden zwei Jungs den Platz wegnehmen"

Nach 28 Jahren spielen wieder deutsche Fußballer bei Olympia. Frank Mill spricht im Tagesspiegel über 1988 und darüber, ob Philipp Lahm und Per Mertesacker die Mannschaft in Rio 2016 verstärken sollten.

Jetzt sind wir also endlich nicht mehr die Letzten, die für Deutschland bei Olympia gespielt haben. Wurde ja auch mal Zeit, nach fast 30 Jahren. Natürlich habe ich mich für unsere U 21 gefreut, dass sie die Qualifikation für Rio geschafft hat; am meisten aber freu’ ich mich für ihren Trainer. Mit Horst Hrubesch habe ich noch bei Rot-Weiss Essen zusammengespielt. Am Morgen nach dem Spiel gegen Tschechien habe ich ihm gleich eine SMS geschrieben und ihm gratuliert.

Bei den Play-offs für die U-21-Europameisterschaft gegen die Ukraine habe ich Horst in Essen getroffen. Da haben wir auch über Olympia gesprochen. Ich kann nur Positives berichten. Für einen Fußballer ist das etwas ganz anderes als eine WM oder eine EM – weil man bei Olympia auch mal andere Sportarten sieht. Es soll ja auch noch mehr als Fußball geben.

Ich kann es gut verstehen, wenn verdiente Nationalspieler wie Philipp Lahm oder Per Mertesacker darüber nachdenken, 2016 bei Olympia zu spielen. Lahm hat im Fußball alles erreicht, aber das Erlebnis Olympia fehlt ihm noch. Das will man natürlich gerne mitnehmen. Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Lahm und Mertesacker würden zwei Jungs, die die Qualifikation geschafft haben, den Platz wegnehmen. Aber der lange Hrubesch wird schon wissen, was er macht.

Ich habe Olympia sogar zweimal erleben dürfen, 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul. In Los Angeles waren wir Fußballer noch nicht so gerne gesehen, vor allem von unseren eigenen Handballern nicht. Die fühlten sich als Amateure ein bisschen veräppelt, dass wir als Vollprofis überhaupt an Olympia teilnehmen durften und haben uns immer das Gefühl gegeben: Was wollt ihr eigentlich hier? Vier Jahre später war das schon anders.

1988 haben wir zuerst in Busan gewohnt, wo wir unsere Vorrundenspiele bestritten haben. Zum Halbfinale sind wir nach Seoul ins Olympische Dorf umgezogen. Da bekommst du eigentlich erst das richtige Gefühl von Olympia, von der Vielfalt der Sportwelt. Da sehen Sie alle: einen 1,30 Meter großen Ringer neben einem Basketballer von 2,10 Meter. Diese Eindrücke vergisst du nicht. Wir waren auch zweimal mit der Mannschaft im Olympiastadion und haben uns dort Leichtathletikwettbewerbe angeschaut. An der Abschlussfeier haben wir leider nicht mehr teilgenommen, weil wir gleich nach dem Gewinn der Bronzemedaille nach Deutschland zurückgeflogen sind – nach drei Wochen Pause ging die Bundesliga ja weiter. Viel Zeit war sowieso nicht. Wir waren auch erst zwei Tage vor unserem ersten Gruppenspiel gegen China in Südkorea angekommen.

In diesem Jahr habe ich erst die EM in Deutschland gespielt und dann Olympia in Seoul. Allerdings haben die Olympischen Spiele erst Ende September begonnen, sonst wäre das gar nicht möglich gewesen. Wir hatten damals eine gute Truppe. Mit Jürgen Klinsmann, Kalle Riedle, Thomas Häßler und mir hatten wir sogar vier Spieler dabei, die 1990 Weltmeister geworden sind. Wir waren auch in Seoul auf bestem Wege ins Endspiel – bis Romario im Halbfinale zehn Minuten vor Schluss das 1:1 für Brasilien erzielt hat. Völlig verdient. Die Brasilianer haben nach unserem 1:0 70 Minuten auf unser Tor gespielt und am Ende im Elfmeterschießen gewonnen.

Kein Fußballer spielt gerne um Platz drei – aber bei Olympia ist das was anderes. Für mich persönlich ist die Bronzemedaille von Seoul sogar mehr wert als der WM-Titel zwei Jahre später. 1990 in Italien bin ich nicht zum Einsatz gekommen, 1988 bei Olympia war ich Kapitän und habe gespielt. Das ist der Unterschied.

Aufgezeichnet von Stefan Hermanns.

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