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Silvia Neid bei der WM 2015.

© Carmen Jaspersen/dpa

Krise des deutschen Fußballs: Es ist Zeit für eine DFB-Präsidentin

Der Rücktritt von Reinhard Grindel ist eine Chance für den DFB. Lange herrschten Chauvinisten. Wie wäre es mit einer Frau an der Spitze? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

In diesen Tagen könnte man denken, das Hauptproblem des Deutschen Fußball-Bundes seien Uhren. Was mit der Kuckucksuhren-Affäre vor der WM 2006 begann, endete am Dienstag konsequenterweise mit einer Uhr am Handgelenk des zurückgetretenen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel.

Sie stehen gleichsam als Symbol für undurchsichtige Geschäfte, Gier und Maßlosigkeit von Fußballfunktionären und ihre Entfremdung von Fans und Sportlern. Nun hört der DFB nach dem Rücktritt seines zwölften Präsidenten  Forderungen nach einem radikalen Neuanfang. Denn das Problem waren nicht die Uhren, sondern die verfilzten, männlichen Seilschaften, die den deutschen Fußball seit Jahrzehnten im Griff haben.

Mehr als eine Million Frauen spielen in Deutschland Fußball. Seit zwei Jahren pfeift Bibiana Steinhaus als Schiedsrichterin in der Bundesliga der Männer. Inka Grings trainiert als erste Frau eine Herren-Mannschaft in der deutschen Regionalliga. Zuletzt spielten die DFB-Frauen vor mehr Fans als die Löw-Elf gegen Serbien. Im Präsidium des DFB spiegelt sich der wachsende Erfolg des Frauenfußballs nicht wider: Von 19 Posten sind 18 von Männern besetzt.

Eine DFB-Präsidentin wäre unter sich verändernden gesellschaftlichen Vorzeichen ein starkes Signal. Auch um sich von den verfestigten chauvinistischen Strukturen zu distanzieren: Zum Gewinn des EM-Titels 1989 schenkte der DFB den deutschen Fußball-Frauen als Prämie ein Kaffeeservice. Die Männer hatten 1980 für ihren EM-Sieg 25.000 D-Mark pro Spieler erhalten – und jeweils einen Juweliergutschein im Wert von 2500 D-Mark für ihre Gattinnen.

Frauen, die auf Tore schießen, waren in der Bastion des Herrensports lange unerwünscht. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, hieß es 1955 in einem DFB-Beschluss. Damals wurde der Frauenfußball kurzerhand verboten. Einer der Vorgänger Grindels, Peco Bauwens, stellte dazu nüchtern fest: „Fußball ist kein Frauensport. Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“

Silvia Neid ist eine ausgezeichnete Fußballexpertin

Doch trotz dieses institutionalisierten Sexismus sah sich der DFB 1970 gezwungen, das Frauenfußballverbot zu kippen. Der Grund: Immer mehr Frauen traten gegen den Ball. Eine jener Pionierinnen war Silvia Neid, die bis 2016 Bundestrainer war. Keinem männlichen Spieler oder Trainer gelang auch nur ansatzweise das, was sie in ihrer Karriere erreichte: Sie ist ehemalige Rekordnationalspielerin, dreifache Welt-Trainerin, Weltmeisterin, Olympiasiegerin. An allen acht EM-Titeln der Nationalmannschaft der Frauen war sie als Spielerin, Co-Trainerin oder Bundestrainerin beteiligt. Auch abseits des Platzes gilt sie als ausgezeichnete Fußballexpertin.

Das sollte doch für eine Kandidatur für die Nachfolge von Grindel reichen. Lange genug verstieß die männlich dominierte Spitze des DFB gegen jegliche „Schicklichkeit und Anstand“. Fußball ist Sport. Ohne Männer- oder Frauen-Präfix. Und damit muss man sich doch beschäftigen.

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