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Freudensprünge? Löst der neue Paralympics-Termin bei unserer Kolumnistin eher nicht aus.

© Kim Kyung-Hoon/REUTERS

Kolumne „Meine Paralympics“: Warum der neue Paralympics-Termin eine vertane Chance ist

Auch die Paralympics sind verschoben worden. Das ist im Olympia-Trubel fast untergegangen. Unsere Kolumnistin hat jedoch Zweifel am neuen Termin.

Annette Kögel ist Mitbegründerin der Paralympics Zeitung des Tagesspiegels und schreibt hier jeden ersten Mittwoch im Monat.

Es ist ein Trauerspiel. Leere Ränge, wohin man schaut – immerhin verzichten Profifußballer auf Geld, um es zu spenden. Im Amateurbereich haben viele Eltern unausgelastete Kids daheim, weil diese nicht mehr zum Training gehen können, aber vielfach auch gar nicht die Wohnung verlassen wollen, um mit Freunden zu kicken. Wo auch, ist ja alles gesperrt, und viele Menschen halten sich zum Glück auch an die Regeln, weil sie sagen: Ich treffe mich lieber nicht, weil es nicht erlaubt und vernünftig ist.

Unterdessen beschäftigen sich das Internationale Olympische und das Paralympische Komitee mit ganz anderen Abständen, nämlich jenen von der derzeitigen Ausnahmesituation bis hin zu einem mal wieder regulären Weltsportbetrieb. Der Olympia-Termin bleibt also der Hitzesommer Japans, nur ein Jahr später, 2021 – und die Paralympischen Sommerspiele sollen nun vom 24. August bis zum 5. September 2021 stattfinden. Nach der Info muss man online und im Blätterwald aber suchen, die Verschiebung der Paralympics spielte in der Berichterstattung so gut wie keine Rolle. Auch das ist tragisch, denn ich dachte, da wären wir schon weiter.

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Immer wieder wird betont, die Spiele seien im öffentlichen Bewusstsein schon fast ebenbürtig, aber der Reality-Check zeigt, da ist noch viel Luft nach oben. Zudem hält sich in der Para-Welt die Freude über den – derzeitig genannten – neuen Termin in Grenzen.

„Eine große Chance wurde vertan“, sagte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, dem TV-Sender Sky Sport News. Beucher, leidenschaftlicher Genosse und leidenschaftlicher Lobbyist für „meine Athletinnen und Athleten“, kennt das Geschäft hinter den Kulissen, der 73-Jährige hat schon mehrere paralympische Kapitel gestaltet und war vormals auch lange Vorsitzender des Sportausschusses.

Der Bergneustädter kritisierte auch gegenüber den Nachrichtenagenturen die zu der Zeit hohe Luftfeuchtigkeit in Japans Hauptstadt, die vor allem den Ausdauersportlern zu schaffen mache. Auch die Para-Marathonläufe starten deshalb in Sapporo. „Bei allem Respekt, bei aller Freude, dass endlich verschoben worden ist, sehe ich aber, dass man diesen Aspekt einfach hat liegen lassen“, sagte der Funktionär.

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Er spekuliert, dass die Fernsehrechte zu einem für die Athleten besseren Zeitpunkt nicht so viel wert gewesen wären. „Die hätten eben im Herbst, wo das hingehört hätte, nicht diese Preise erzielen können.“ Ziffern, Zahlen, glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst erstellt hast – fast zu erwarten war, dass die Corona-Zahlen Japans wundersam in die Höhe schnellten, als die Verschiebung durch war. So eine Überraschung aber auch – oder eben nicht.

Tokio sieht sich nun vor einer wirtschaftlichen und logistischen Mammutaufgabe, wie sie kein anderes Land der Welt in der bisherigen Sportgeschichte bewältigen musste: Die Hotels müssen Tausende von Gästen umbuchen. Die Immobilienfirma, die das Olympische und Paralympische Dorf nach den Spielen in Eigentumswohnungen umwandeln sollte und immer noch ein Jahr später umwandeln will, muss jetzt mit Käufern neu verhandeln. Unzählige Volunteers müssen neu koordiniert werden. Die Zusatzkosten für die Verschiebung, darunter Instandhaltungskosten, werden auf zwei bis drei Milliarden Dollar geschätzt, mindestens.

Athletensprecher Marc Schuh sagt, viele Athleten haben aktuell aber auch noch ganz andere Probleme, nämlich die der eigenen Existenzsicherung in Zeiten des Coronavirus. Wenn sich das mit den Paralympics 2020, 2021 jedenfalls mal so verhielte mit den Terminen bei der Eröffnung des Flughafen BER – wundern würde es niemanden.

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