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Reporter mit Erfahrung. Prodöhl bei den Special Olympic World Games in Berlin.

© promo

Kolumne „Inklusiv“: „Menschen mit Behinderung müssen in der Berichterstattung zu Wort kommen“

Nikolai Prodöhl ist Journalist. Er hat eine Lern- und Sprachbehinderung und schreibt ab nun im Tagesspiegel eine monatliche Kolumne.

Von Nikolai Prodöhl

Ich bin Nikolai Prodöhl, bin 33 Jahre alt und wohne in Hamburg. Ich bin Journalist neben meiner Arbeit als Gärtner mit einer Behinderung. In Hamburg bin ich beim Bürgersender TIDE, bei dem ich verschiedene Sendungen habe wie die „guten News“ und „Reporter Inklusiv“. In letztgenannter Sendung berichte ich über Inklusion und Teilhabe. Außerdem arbeite ich für eine inklusive Redaktion in Wien, die „Andererseits“ heißt, da arbeite ich mit Personen mit und ohne Behinderung zusammen. Dort schreibe ich Artikel und produziere Audiobeiträge. Ich arbeite dort zusammen mit Personen ohne Behinderung, wir überlegen uns gemeinsam die Themen, recherchieren und führen Interviews.

Von nun an werde ich einmal im Monat im Tagesspiegel eine Kolumne veröffentlichen. Ich finde es wichtig, dass man auch Menschen mit Behinderung in der Berichterstattung zu Wort kommen lässt. Im Journalismus ist es wertvoll und interessant, wenn es verschiedene Perspektiven gibt. Menschen mit Behinderung kommen in den Medien nur sehr selten vor, obwohl etwa zehn Millionen von ihnen in Deutschland leben. Das sind ungefähr 13 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Ich berichte gerne über den Behindertensport, etwa die Special Olympics. Bei den Special Olympics Weltspielen in Berlin war ich Teil einer inklusiven Redaktion, für die ich viele Artikel geschrieben habe.  In einem Gemeinschaftsprojekt mit der DGUV, BGW und Special Olympics Deutschland berichtete der Tagesspiegel in einer digitalen Serie über die Spiele und darüber hinaus. 

Die Redaktionen der großen Medienhäuser sind nicht auf Menschen mit einer Lernbehinderung wie mich eingestellt

Nikolai Prodöhl

Die Redaktion ist auf mich aufmerksam geworden, weil ich einen Artikel geschrieben habe - über meine Arbeit als Journalist mit einer Behinderung, und dass ich eine Stelle suche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Außerdem habe ich geschrieben über den Besuch vom Politiker Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales. Ich habe zusammen mit Enrique Zaragoza den Mittarbeiter von Special Olympics Deutschland ein Interview geführt mit Timothy Shriver, dem Chairman von Special Olympics International.

Wenn ich Stress habe, fühle ich mich unwohl

Die Redaktionen der großen Medienhäuser sind nicht auf Menschen mit einer Lernbehinderung wie mich eingestellt, weil es dort Zeitdruck gibt. Um als Journalist mit einer Behinderung zu arbeiten, brauche ich Unterstützung in der Recherche und Themenfindung sowie Interviews zu führen. Es freut mich sehr, dass ich jetzt für den Tagesspiegel eine Kolumne schreiben kann.

Ich bin wie gesagt noch nicht hauptberuflich als Journalist tätig. Die Gärtnerei, in der ich unter der Woche bin, ist ein geschützter Arbeitsplatz und wir können dort ohne Druck arbeiten. Wir werden gefördert und nicht rausgeworfen. Ich arbeite dort, weil ich nicht so schnell arbeiten kann und mit Stress nicht klarkomme. Wenn ich Stress habe, fühle ich mich unwohl.

In der Werkstatt bekomme ich ein Taschengeld von etwa 200 Euro im Monat und die Grundsicherung von circa 900 Euro. Zum Leben habe ich, nach der Bezahlung der Miete, knapp 600 Euro im Monat. Ich darf neben meiner Arbeit in der Gärtnerei nichts dazu verdienen, sonst wird mir das abgezogen. Eigentlich möchte ich nicht in einer Werkstatt arbeiten, sondern als Journalist, damit ich Artikel über Inklusion und Teilhabe schreiben und Interviews mit Experten führen kann.

Die Arbeit beim Tagespiegel ist aber ein guter Anfang für mich, weil meine Artikel veröffentlicht werden. In Hamburg bin ich mit Hilfe dabei, eine inklusive Redaktion zu gründen, die „Reporter Inklusiv“ heißt. Der Anfang ist ein Podcast über Inklusion und Sport. Dort laden meine Kollegen und ich regelmäßig Studiogäste ein. Ich finde, in großen Städten muss es einfach inklusive Redaktionen geben, in denen Menschen mit Behinderung ihren Platz bekommen - sei es mit Artikeln oder mit einem Podcast.          

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