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Mehr Grün als Weiß. Benedikt Doll war in Oberhof nur auf Kunstschnee unterwegs – der auch herangekarrt worden war.

© Hendrik Schmidt/dpa

Deutsche stark im Massenstart: Klimadebatte überschattet Biathlon-Weltcup in Oberhof

Der Oberhofer Biathlon-Weltcups wurde nur aufgrund von Unmengen an Kunstschnee möglich. Die starken deutschen Ergebnisse wurde so zur Nebensache.

Bodo Ramelow ist zwar immer noch Ministerpräsident von Thüringen, am Wochenende hätte der 63-Jährige aber auch problemlos als Oberhofer Tourismus-Manager durchgehen können. Da erzählte der Politiker der Linken ganz offiziell davon, wie er am Samstagmorgen in der obersten Etage des örtlichen Panorama-Hotels beim Aufwachen die Sonne über den Wipfeln des Thüringer Waldes habe aufgehen sehen. „Da geht einem das Herz auf“, sagte Ramelow, der für ähnliche Schwärmereien einen Tag später allerdings sehr viel Phantasie gebraucht hätte.

Denn während der abschließenden Massenstartrennen – bei den Frauen wurde Denise Herrmann Fünfte beim Sieg der Finnin Kaisa Mäkäräinen, bei den Männern wurde Arnd Peiffer Zweiter hinter dem Franzosen Martin Fourcade – fegten stürmische Winde durch die Arena am Grenzadler. Zudem umwaberte der berühmt-berüchtigte Oberhofer Nebel die Biathleten mal wieder.

Umweltschützer kritisieren den vielen künstlichen Schnee

Bei den ersten Wettkämpfen am Donnerstag und Freitag hatten warme Temperaturen und der viele Regen, der die mühsam präparierte Kunstschneedecke zu großen Teilen wegspülte, den Veranstaltern noch eine neue Klimadebatte beschert. Weil von Naturweiß auf Thüringens Höhen nichts zu sehen ist und auch die 37 Schneekanonen vor Ort nicht ausreichten, musste künstlicher Schnee vom Biathlon-Spektakel auf Schalke herangekarrt werden. Über 400 Kilometer, auf über 30 Lastwagen.

In Zeiten des Klimawandels sei das nicht mehr zu verantworten, kritisierten Umweltschützer. Doch weil das Thema warme Winter ein alter Hut ist, fordert Biathlon-Bundestrainer Mark Kirchner, zunächst müsse eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden: Will man weiterhin Wintersport auf Spitzenniveau betreiben, oder nicht. Egal, ob regional, national oder international.

In Oberhof findet in drei Jahren die Biathlon-WM statt – ein Prestige-Ereignis, für das nun schon ordentlich geklotzt wird. „Wir wollen Oberhof in der Dimension um mehrere Stufen nach oben bringen, damit es unter den Weltentscheidungsdestinationen wieder ganz vorne mit dabei ist“, betonte etwa Ramelow.

Kunstfehler. Franceís Emilien Jacquelin hat keine Wahl.

© Tobias Schwarz/AFP

Rund um die WM rechnet er mit Geldmitteln von 80 Millionen Euro aus Bundes-, Landes- und europäischen Etats – 2023 werden in Oberhof auch die Titelkämpfe der Rodler ausgetragen. Gleichzeitig bekräftigten Politiker und Organisatoren am Wochenende ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit bei der WM-Planung. „Unsere Zielstellung ist es, die CO-2-Neutralität zu wahren. Wir wollen eine Wärme-Kälte-Kopplung ermöglichen – auch mit anderen Nutzern in Oberhof“, sagte Ramelow.

Das Verkehrskonzept beim Weltcup zeigte bereits deutliche Fortschritte: Wo früher speziell vor den Rennen am Wochenende die Straßen hinauf in das Städtchen mit seinen 1600 Einwohnern verstopft waren, gibt es dank eines ausgeklügelten Systems mit Shuttlebussen nun kaum noch Staus.

Bei Biathleten läuft das schlechte Gewissen mit

Andererseits läuft bei den Protagonisten immer auch das schlechte Gewissen mit. Schon zu Saisonbeginn bezeichnete Olympiasieger Peiffer die gesamte Branche der Vielflieger und Vielautofahrer tendenziell als Umweltsünder. Doch weil genug auch im Biathlon nicht genug ist, soll dem traditionellen Weltcup-Auftakt im schwedischen Östersund im nächsten Winter noch eine Station vorangestellt werden. In Kontiolahti, Finnland.

„Das wäre dann mal wieder eine Extrareise“, sagte der Oberhofer Erik Lesser lakonisch und betonte: „Da muss man überlegen: Was geht vor? Die Action, oder einfach mal zu sagen: Leute, wir gehen nicht jeden Hype mit.“ Eine gute Frage – die Antwort scheint beim aktuellen Trend zu reiseintensiven Großveranstaltungen in gleich mehreren Ländern jedoch längst festzustehen. Dass der kritische Lesser in den vergangenen Tagen aber nicht einfach aus seinem Wohnzimmer zu den Rennen ging, sondern zu seinen Rennen bis ins slowakische Osrblie reiste, war dagegen selbstverschuldet: Der Verfolgungsweltmeister von 2015 war bei den Dezember-Weltcups so schwach, dass er sich jetzt erst mal im IBU-Cup, der zweiten Biathlon-Liga, beweisen musste.

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