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Jeremy Dudziak (li.) und Herthas Lucas Tousart im Zweikampf.

© imago images/Zink

Situation ähnlich heikel wie vorige Saison: Keine Zeit mehr für Befindlichkeiten bei Hertha BSC

Trainer Tayfun Korkut wartet mit Hertha seit sechs Spielen auf einen Sieg. Nun versucht Korkut seine Spieler aufzurütteln.

Am Sonntagmorgen bat Trainer Tayfun Korkut die Mannschaft von Hertha BSC zu einem längerem Gespräch. Dabei habe er „ruhige, aber klare Botschaften“ an das Team adressiert. „Es geht nicht um Aktionismus, dass man rumschreit und den Hampelmann spielt.“ Ziel seiner Ansprache: „Jeder muss sich darüber im Klaren sein, in welcher Situation wir im Moment stecken.“

Korkut sagte auch, jeder Spieler müsse „seine Befindlichkeiten noch mal neu regulieren und auch schauen, dass er sich unterordnet in der Mannschaft.“ Dass solche Hinweise überhaupt nötig sind, erscheint ungewöhnlich angesichts der Fakten: Ein schmales Pünktchen beträgt Herthas Vorsprung auf den Relegationsrang in der Fußball-Bundesliga. In diesem Jahr hat die Mannschaft noch kein Spiel gewonnen. Am Samstag gab es beim Schlusslicht Spielvereinigung Greuther Fürth ein 1:2. Mehr Alarmsignale für eine sehr heikle Lage gehen kaum.

Hertha BSC ist mal wieder richtig im Abstiegskampf angekommen. So wie in der vergangenen Saison. Auch die Aussagen der Spieler klingen ähnlich. „Wir dürfen den Kopf nicht hängenlassen, müssen weitermachen“ (Maximilian Mittelstädt) oder „wir müssen deutlich mehr machen“ (Vladimir Darida). Korkut sagt, es gehe „um volle Fokussierung“. Das klingt alles schon ziemlich nach einem verbalen Strohhalm.

Dabei hätte all dies nicht sein müssen. Nach dem Trainerwechsel von Pal Dardai zu Korkut Ende November gab es gute Ansätze. Auch die Punkteausbeute stimmte. Spätestens nach dem 3:2 gegen Borussia Dortmund kurz vor Weihnachten wähnte sich Hertha auf dem richtigen Weg. Seitdem kamen nur zwei Punkte dazu, außerdem flog das Team im DFB-Pokal gegen den 1. FC Union raus.

Korkuts Punkteschnitt in der Liga ist unter den von Dardai in den ersten 13 Spielen der Saison gesunken (1,0 zu 1,08). Doch bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass ein erneuter Trainerwechsel bevorsteht. Korkut gibt sich kämpferisch: „Ich mache diesen Job mit sehr viel Leidenschaft. Ich habe schon viele schwierige Situationen als Trainer gemeistert.“

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Zuletzt wechselte der Coach mehrmals auf wichtigen Positionen in der Startelf. Gegen den VfL Bochum saßen Suat Serdar und Marco Richter, die in der Hinrunde zu den stärksten Spielern gehörten, auf der Bank. In Fürth war Serdar von Beginn an dabei. Richter kam erst zur zweiten Halbzeit, der deutlich besseren der Berliner, für den enttäuschenden Myziane Maolida.

Zudem fand sich der bislang bei Korkut gesetzte und überzeugende Santiago Ascacibar draußen wieder, weil Lucas Tousart im defensiven Mittelfeld spielte. Tousart machte es ordentlich, aber den Kampfgeist und die Leidenschaft des Argentiniers hätte Hertha durchaus gebrauchen können.

Die Mannschaft ist weiterhin sehr offensiv unterwegs. Doch was helfen 26 Torschüsse wie in Fürth, wenn in fünf Rückrundenspielen in der Liga kümmerliche vier Treffer auf der Habenseite stehen. Außerdem ist die Abwehr gewohnt anfällig geblieben und es reicht fast nie zu einer konstanten Leistung über 90 Minuten. Das Team verschläft stets kürzere oder längere Phasen des Spiels. In Fürth war es fast die gesamte erste Halbzeit. Die Gastgeber waren so überlegen, dass Trainer Stefan Leitl angesichts des knappen 1:0-Pausenstandes feststellte: „Wir hätten schon höher führen müssen zur Halbzeit.“ Zur Einordnung: Fürth stellt die schwächste Offensive der Liga (20 Treffer).

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Gegen Bochum war die erste Halbzeit gut gelungen, in Fürth gestaltete Hertha die zweite Hälfte passabel. Was insgesamt viel zu wenig war und nur einen Punkt mit sich brachte. „Wir haben es verpasst, uns ein stückweit selbst zu befreien“, ärgert sich Korkut. Nicht einmal gegen die beiden Aufsteiger hat es zu einem Sieg gereicht.

Und jetzt wird das Schwierigkeitslevel noch einmal richtig erhört: Hertha empfängt am Sonntag mit RB Leipzig die zweitbeste Rückrundenmannschaft, dann wahrscheinlich wieder mit dem in Fürth wegen seiner Coronainfektion fehlenden Innenverteidiger Marc Kempf. Danach wartet die Auswärtsaufgabe beim SC Freiburg. „Dicke Brocken“ nennt Korkut die beiden nächsten Kontrahenten.

Gegen Leipzig hat Hertha bislang elf Mal gespielt, einem Sieg und einem Remis stehen neun Niederlagen gegenüber. In der Hinrunde hieß es 0:6. „Aber auch da sind drei Punkte möglich. Das haben wir gegen Gegner, die weiter oben stehen, schon gezeigt“, sagt der Trainer. Zuletzt gegen Dortmund, vor nicht einmal zwei Monaten. Aber gefühlt vor sehr langer Zeit.

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