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Am Ende des Regenbogens: Queere Gruppen überlegen sich ihre WM-Reise nach Katar zweimal.

© imago images/Ulmer

Fußball-Weltmeisterschaft in Katar: Kaum Schutz für queere Menschen

DFB-Präsident Bernd Neuendorf möchte queeren Menschen Sicherheit garantieren bei der WM in Katar. Was in der Theorie gut klingt, sieht in der Praxis anders aus.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat das anstehende Turnier in Katar als „nicht unbedingt die beste WM aller Zeiten, aber bestimmt die umstrittenste“ beschrieben. Dass es umstritten ist, hat gleich mehrere Gründe. Menschenrechtsverletzungen und klimatische Bedingungen zum Beispiel, aber auch die Situation queerer Menschen. Denn Homosexualität wird im Golfstaat mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft, theoretisch wäre sogar die Todesstrafe möglich.

Neuendorf hat nun bei einem Treffen mit queeren Gruppen zugesagt, deren Forderung nach Handlungs- und Rechtssicherheit für Reisende zur Fußball-WM beim Weltverband Fifa voranzubringen. Er und Thomas Hitzlsberger tauschten sich mit Vertreter*innen queerer Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti), Discover Football und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) aus.

Der DFB habe für das Thema sexueller und geschlechtlicher Vielfalt immer wieder Sichtbarkeit geschaffen, so Neuendorf, „zuletzt durch die Liberalisierung des Spielrechts für trans* und intergeschlechtliche Menschen sowie die Teilnahme am Christopher Street Day in Frankfurt“. Hintergrund ist eine neue Regelung, nach der trans und intergeschlechtliche Personen selbst entscheiden dürfen, in welchem Team sie spielen wollen. Außerdem wurde die Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt bis Ende 2024 verlängert.

Nun soll das Thema offenbar auch in Bezug auf die WM angegangen werden. Bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Emir Tamim Bin Hamad Al Thani zwar angekündigt, dass jede Person willkommen sei – ergänzte jedoch: „Aber wir erwarten und wollen, dass die Menschen unsere Kultur respektieren.“

Eine Recherche, bei der zwei Journalisten sich als schwules Paar ausgegeben hatten, hatte ergeben, dass mehrere WM-Hotels die Anfragen queerer Gäste ablehnten. In einer Antwort hieß es, dass dies „gemäß unserer Hotelpolitik“ nicht möglich sei, in einer anderen war die Rede davon, dass man gegen die Landespolitik verstoße, wenn man „sich schminkt und homosexuell kleidet“. Profi-Fußballer wie der Australier Josh Cavallo, der im vergangenen Jahr als erster aktiver Erstligaprofi öffentlich darüber gesprochen hat, schwul zu sein, äußerten daher bereits Ängste, zur WM zu reisen.

Die Sicherheit queerer Menschen ist nicht gewährleistet

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete außerdem, dass die katarische Regierung queere Personen aufgrund ihrer Online-Aktivitäten überwache und verhafte. Selbst in den WM-Stadien, wo Regenbogenflaggen während des Turniers erlaubt sein sollen, seien queere Kataris nicht sicher.

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Denn auch dort baue der Golfstaat seine Überwachungsmöglichkeiten aus, sodass queere Menschen noch nach Ende des Turniers verfolgt werden könnten. Nas Mohamed, der als erster Katarer öffentlich gemacht hatte, schwul zu sein, sagte im Tagesspiegel-Interview: „Selbst, wenn sie die Fahnen erlauben würden, wäre das pure Scheinheiligkeit. Wir queeren Katarer werden ja trotzdem misshandelt.“

Bei dem Treffen mit Neuendorf machte Julia Monro von der dgti auf die Gefahren für trans Personen aufmerksam: „Wenn ein homosexuelles Paar durch die Straßen geht, könnten sie es theoretisch vermeiden, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten.“ Als trans Frau sei das anders. „Man gibt seine Identität jederzeit preis. Trans Personen sind quasi permanent geoutet.“ Konfliktsituationen könnten bereits bei der Einreise am Flughafen entstehen, oder beim Stadioneinlass.

„Solange solche Forderungen, dass man die Kultur des Landes respektieren soll, existieren, solange wird sich nichts ändern.“ Auch Sven Kistner vom Sprecherrat der Queer Football Fanclubs meint: „So ein Slogan ,Everyone’s welcome’ klingt erst mal gut, aber wenn anschließend gesagt wird, man müsse die Kultur im Land respektieren, ist doch wieder alles infrage gestellt." Inwiefern der DFB diesbezüglich wenige Monate vor Beginn der WM noch Druck auf die Fifa ausüben kann, wird sich zeigen.

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