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Vorneweg mit fast abgefaulten Beinen: Radprofi John Degenkolb nach seinem erfolgreichen Zielsprint beim diesjährigen Giro d'Italia.

© dpa

Hoffnungsträger im Radsport: John Degenkolb, der schnelle Wiederaufbauhelfer

Radrenn-Profi John Degenkolb ist einer der besten Sprinter beim diesjährigen Giro d’Italia. Außerdem gilt der 24-jährige Bayer als Vorkämpfer gegen Doping.

Ein Dauersieger ist John Degenkolb nicht. Ein Hoffnungsträger aber schon. Einen Tag nach seinem ersten Etappensieg beim Giro d’Italia landete der 24-jährige Bayer auf der nächsten Flachetappe schon wieder im Feld der Geschlagenen. Zu früh eröffnete er den Spurt. Grämen wird er sich wegen dieser Niederlage nicht. Denn Degenkolb hat gelernt zu unterscheiden, wann die Bedingungen für ihn günstig sind – und er alles in die Waagschale werfen muss – und wann es nicht wehtut, anderen den Vortritt zu lassen. Mit dieser Einstellung erwirbt er sich Meriten, Respekt und Anerkennung.

Ein erster Ritterschlag bei diesem Giro d’Italia erfolgte für den Debütanten, als nach der dritten Etappe Mark Cavendish das Gespräch mit ihm suchte. Der Großmeister des Flachsprints wollte herausfinden, was falsch gelaufen war, als die Klassementfahrer mit einer überraschenden Attacke ein Sprintfinale verhindert hatten. Degenkolb stand da noch bei null Etappensiegen beim Giro, Cavendish bei derer zehn. Aber dem Briten war klar, dass der Argos-Shimano-Fahrer sein härtester Konkurrent sein würde. Schließlich hatte Degenkolb im Vorjahr bei seinem ersten Vuelta-Start fünf Etappen gewinnen können. Gemeinsame Interessen im Zusammenhalten des Giro-Pelotons sind da nur logisch.

Als zwei Tage später Cavendishs Omega-Männer und Degenkolbs Argos-Leute brav die Ausreißer einsammelten, hatte der Deutsche freilich das bessere Ende für sich. Cavendish war an einem Anstieg kurz vor dem Ziel abgehängt worden. „Da war mir klar: Das ist unsere Chance“, erklärte Argos’ sportlicher Leiter Addy Engels dem Tagesspiegel später. Dass nicht einmal ein Sturz seines Anfahrers Luca Mezgec Degenkolb aufhalten konnte, spricht für dessen Geistesgegenwart. Kurz entschlossen fuhr er von der 1000-Meter-Marke den Spurt von vorn. „Das war der längste Sprint meines Lebens“, gestand er später. Und auch der schwerste. „Meine Beine sind mir ehrlich gesagt fast abgefault. Es tat so weh. Ich musste mich sogar noch einmal hinsetzen, weil ich nicht mehr im Stehen fahren konnte“, erinnerte er sich an die Strapazen.

Doch die waren nötig für den Sieg. Degenkolb ist einer, der sich quälen muss, um etwas zu erreichen. Ohne die Explosivität eines Mark Cavendish oder André Greipel muss er sein Glück bei schwereren Etappenfinals versuchen. Dort jedoch ist er einer der Besten. „John ist einer der kommenden Männer für die Klassiker“, lobte ihn BDR-Trainer Jan Schaffrath. Und er hält ihn auch für einen Mann für die Weltmeisterschaften. Im vergangenen Jahr verpasste Degenkolb als Vierter knapp die Medaillenränge. Als 19-Jähriger holte er schon Bronze bei der U-23-WM, als 21-Jähriger versilberte er die Plakette. Der Weg ins Regenbogentrikot ist vorgezeichnet.

Bemerkenswert auch, dass Degenkolb im Wissen um den schlechten Ruf des Radsports für Sauberkeit im Metier kämpft. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Marcel Kittel und dem Zeitfahrweltmeister Tony Martin setzt er sich für eine härtere Antidopinggesetzgebung in Deutschland ein. Das zeigt: Der Mann ist nicht nur im Sattel schnell. Er ist auch gedanklich weiter als jene Teile des Sportestablishments, die eine Antidopinggesetzgebung bislang zu verhindern wussten. Die Gazzetta dello Sport hält Degenkolb für einen der Protagonisten eines „Wiederaufbaus von Radsportdeutschland aus den Trümmern der Ullrich-Ära“. Schöner kann kaum gesagt werden, welches Potenzial in diesem John Degenkolb steckt.

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