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Spätberufener. Neapels Trainer Maurizio Sarri.

© Carlo Hermann/AFP

Leipzig-Gegner SSC Neapel: Im Geiste des heiligen Maradona

Unter Trainer Maurizio Sarri ist der SSC Neapel aufgeblüht. Am Donnerstag trifft der einstige Maradona-Klub in der Europa League auf RB Leipzig.

Maurizio Sarri schien es durchaus zu gefallen, ganz oben unter dem Dach des Stadio San Paolo. Der Trainer der SSC Neapel stand in einer Kabine hinter einer Fensterscheibe und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Sarri war am Samstag im Heimspiel gegen Lazio Rom wegen Meckerns aus dem Innenraum verbannt worden. Während es für die meisten Trainer einer Höchststrafe gleichkommt, ihr Team nicht aus nächster Nähe coachen zu können, machte Sarri einen glücklichen Eindruck – soweit man das bei dem oft mürrisch guckenden 59-Jährigen überhaupt sagen kann. Das lag zum einen an seiner Mannschaft, die einen 0:1-Rückstand mit vier Toren in der zweiten Halbzeit noch drehte, zu großen Teilen aber auch am dort offensichtlich nicht geltenden Rauchverbot. „Von oben hat es viel mehr Spaß gemacht, meinen Jungs beim Kombinieren zuzuschauen“, sagte Sarri. „Ich konnte endlich mal gemütlich eine rauchen.“

Auf seine Zigaretten wird der Kettenraucher am Donnerstag beim Heimspiel gegen RB Leipzig (21.05 Uhr, Sport1) im Sechzehntelfinale der Europa League verzichten müssen, auf das atemberaubende Passspiel seines Teams vermutlich nicht. Der ehemalige Bankangestellte, der es als Fußballer nie zum Profi schaffte und als Trainer nach zahlreichen Stationen in unteren Ligen erst mit 55 Jahren in die Serie A kam, hat Napoli zu einer der attraktivsten Mannschaften des Kontinents gemacht. „Wenn ich im Fernsehen Fußball gucke, bin ich mehr Fan als Trainer, und ich schaue Neapel sehr gerne zu“, sagte Pep Guardiola, der nach den zwei Siegen gegen die Italiener in der Gruppenphase der Champions League hinzufügte: „Als Spieler und Trainer habe ich niemals einer Mannschaft wie Napoli gegenübergestanden. Niemals!“

Neapel wartet seit 28 Jahren auf einen Meistertitel in Italien

Spätestens seit seiner Zeit in München („Ich hätte am liebsten 1000 Dantes“) ist bekannt, dass der katalanische Trainerstar gerne übertreibt, sein Lob für Napoli ist aber durchaus ernst zu nehmen. Denn wie bei seinen eigenen Mannschaften steht bei Sarri guter Fußball im Vordergrund, erst dann zählt das Ergebnis. Seitdem der in Neapel geborene Trainer das Team 2015 übernommen hat, kommt er der Symbiose aus beiden Faktoren immer näher. In der aktuellen Saison hat in den fünf großen Ligen nur ein Klub einen besseren Punkteschnitt als Napoli: Guardiolas Manchester City.

Damit nährt Sarri am Fuße des Vesuvs die Hoffnungen auf den ersten Meistertitel seit 1990. Das Jahr der Weltmeisterschaft in Italien war so etwas wie der Abschluss der schönsten Ära der Vereinsgeschichte, und diese ist untrennbar mit Diego Armando Maradona verbunden. Der Argentinier, der den Klub zu drei nationalen Titeln und einem Triumph im Uefa-Cup zauberte, ist in Neapel kein Held, er ist ein Heiliger.

Bei der Società Sportiva Calcio Napoli steht Maradona für die unvergessene Vergangenheit, Sarri ist die Gegenwart. So farblos er in seinem Trainingsanzug wirkt, so inspiriert spielt seine Mannschaft Fußball. Nach Jahren zwischen Platz zwei und fünf sollen Kapitän Marek Hamsik sowie der überragende Dreiersturm um Lorenzo Insigne, Dries Mertens und José Callejon den Scudetto endlich wieder in den Süden holen. Seit 2001 ist der Titel ausschließlich nach Mailand oder Turin gegangen. Die Chancen sind in diesem Jahr so gut wie nie zuvor, Napoli führt die Tabelle mit einem Punkt vor Serienmeister Juventus an. Es wäre eine besondere Genugtuung, dem verhassten Rivalen die Meisterschaft vor der Nase wegzuschnappen.

Die Europa League hat daher nicht den größten Stellenwert. Das Stadio San Paolo dürfte gegen Leipzig nicht mal zu einem Viertel gefüllt sein. Zumal mit Hamsik sowie Mertens zwei Leistungsträger fehlen und es keine gleichwertigen Alternativen gibt. Immerhin darf Sarri zurück auf die Trainerbank – auch wenn dort striktes Rauchverbot herrscht.

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