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 Brian McKeever, 42, gehört zu den erfolgreichsten Para-Wintersportlern der Welt. Seit 2002 gewann er 15 Goldmedaillen bei Paralympics.

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Paralympics-Legende Brian McKeever im Interview: „Ich werde sanft in Rente gehen“

Brian McKeever ist einer der erfolgreichsten Para-Wintersportler. Der Kanadier über sein Karriereende nach Peking, die schlimmste Nachricht seines Lebens und den Schatten der Spiele.

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Herr McKeever, nach fünf Paralympics-Teilnahmen werden Sie Ihre Karriere nach Peking beenden. Was sind Ihre ersten Erinnerungen an den Wintersport?

Ich habe verschwommene Erinnerungen, daran wie ich als Zweijähriger auf Ski durch unseren Garten gefahren bin, dann irgendwann im Park nebenan und später in den Bergen.

Wann haben Sie mit dem Gedanken gespielt, professioneller Athlet zu werden?

Ich hatte das Glück, meinen älteren Bruder Robin zu haben, der den Weg für mich geebnet hat. Er ist sechs Jahre älter und schaffte es mit 16 in den Nationalkader. Als jüngerer Bruder wollte ich das tun, was er gemacht hat. Also folgte ich seinen Fußstapfen und schaffte es zur Junioren-WM. Direkt danach wurde bei mir die Augenkrankheit Morbus Stargardt diagnostiziert, die auch mein Vater und meine Tante haben. Aber durch sie realisierte ich auch, dass ich weiter Ski fahren kann.

Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Erlebnisse als Para-Athlet?

Meine erste Erfahrung mit dem Para-Team war etwa 1999, ein Jahr nach meiner Diagnose. Da habe ich auch meinen ersten Guide kennengelernt, der mich dann viele Jahre begleitet hat. Er zeigte mir, was die Paralympics und Para-Ski bedeuten. Er war ein großartiger Mentor, ein toller Teamleiter. Er hat mir einfach das Gefühl gegeben, Teil von etwas Großem zu sein.

Bald darauf wurde Ihr Bruder Ihr Guide und nahm mit Ihnen an den Paralympics 2002, 2006 und 2010 teil. Erzählen Sie etwas über Ihre Beziehung zu ihm.

Ich wollte immer so sein wie er. Als er anfing mich zu guiden, wurden wir wirklich beste Freunde in der Zeit. Sport hat uns endlich zu Brüdern gemacht. Wir haben schon immer diese Verbindung, die Liebe zum Sport und zum Ski und wollen sehen, wie das gemeinsam wächst.

Brian McKeever (links) und sein Bruder und damaliger Guide Robin bei den Spielen 2010 in Vancouver.

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2010 standen Sie dann kurz vor der Teilnahme an Olympischen Spielen.

Für mich wurde damit ein großer Kindheitstraum wahr. Ich hatte dieses Ziel nie aufgegeben. 2007 erreichte ich bei den Weltmeisterschaften das beste Ergebnis unter den Kanadiern und wollte es zu den Olympischen Spielen schaffen, über den Weg in der Para-Welt. Die Qualifikation war wie ein Lottogewinn. 

Es kam dann jedoch anders.

Ich das Gefühl, dass da Pläne geschmiedet wurden, dass ich nicht starte. Und so war es dann auch, obwohl ich eigentlich der Beste war. Das waren die schlimmsten Neuigkeiten meines Lebens. Das fühlt sich trivial an heutzutage, aber damals war es so für mich. Es war schwieriger für mich als die Nachricht, dass ich mein Augenlicht verliere. Danach wollte ich nicht mal mehr zu den Paralympics. Ich wollte aufhören. Ich werde wahrscheinlich nie komplett darüber hinwegkommen, es war der größte Moment meines Lebens. Aber alles was ich tun kann, ist im Moment zu leben, mit Herz und Augen in Richtung Zukunft. All das, was in der Vergangenheit passiert ist, hat mich wahrscheinlich zu einer noch stärkeren Person gemacht. 

Heute sind Sie einer der erfolgreichsten Para-Wintersportler der Welt. Nach Goldmedaillen können Sie an diesem Samstag mit dem bisher alleinigen Rekordhalter Gerd Schönfelder (16 Mal Gold) gleichzeihen. Was bedeuten all die Medaillen und Ehrungen für Ihr Leben?

Ich habe den Sport nie für Anerkennung oder Medaillen gemacht. Ich liebe einfach, was ich tue, die Arbeit an der Technik, das Analysieren, die Technologie hinter dem Skifahren. Ich liebe die Arbeit mit dem Team, Mentor zu sein für die Jüngeren. Jeden Tag können wir etwas Neues lernen, die Welt bereisen, wunderbare Menschen kennenlernen und spannende Orte besuchen. Das motiviert mich, um all die harte Arbeit zu machen. Es gibt keine Abkürzung, kein Geheimnis für den Leistungssport. Wenn Leute das nur für die Medaillen machen wollen, dann klappt das meistens nicht.

Beim diesjährigen Super Bowl wurde von Toyota ein Werbeclip gezeigt, in dem Sie die Hauptrolle spielen. Er sorgte für großes Aufsehen. Wie sind Sie und Ihr Bruder Robin dazu gekommen?

Vor einem Jahr kam Toyota auf mich zu. Ich war so aufgeregt! Nach einer Bewerbung haben sie mich genommen, was sehr aufregend war, denn Sponsoren zu finden ist schwierig. Als ich dann die finale Kampagne gesehen habe, wurde ich sehr emotional und weinte. Es ist hart zu sehen, wie all die schweren Momente deines Lebens in ein kurzes Video geschnitten werden. Wir fühlen uns gesehen, gehört und repräsentiert. Ich bin sehr dankbar dafür. Wir sind alle die gleichen Menschen. 

Gab es eine Reaktion, die Sie besonders berührt hat?

Ich habe herzzerreißende Nachrichten bekommen. Es gibt kein Handbuch für die Situation, wenn du ein behindertes Kind bekommst. Ich hatte ein paar wundervolle Gespräche und konnte Leute beruhigen und sagen, dass es hart ist, aber dass es auch immer normaler wird mit der Zeit.

Noch einmal Gold vor dem Karriere – und Brian McKeever würde mit Rekordhalter Gerd Schönfelder gleichziehen.

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Herr McKeever, aufgrund der Menschenrechtslage in China sah die kanadische Regierung von einem Besuch der Spiele ab. Welche Rolle spielt Politik in Ihrem Leben?

Ich bin eine politische Person. Ich ärgere mich, ich gehe wählen. Es ist Teil meiner Verpflichtung als Bürger. Ich versuche, so informiert wie möglich zu sein. Aber ich bin auch immer noch ein Athlet. Mein Job ist es, Rennen zu bestreiten. Ich kann mich glücklich schätzen, Wochen und Monate von den Medien weg zu sein, alleine zu sein in der Natur. Aber es passiert auch so viel, was uns alle betrifft.

Wo ziehen Sie die Linie zwischen Sport und Politik?

Ich glaube, Sport ist grundsätzlich politisch. Alle, die sagen, Olympia und die Paralympics sind politisch unabhängig, belügen sich selbst. Wir repräsentieren eine Nation, stehen auf dem Podium mit unserer Flagge, singen die Nationalhymne. All das ist politisch. Selbst das Feiern nach der Ziellinie, ein persönlicher Erfolg ist politisch.

Versuchen Sie, Sport und Politik voneinander zu trennen?

Ja. Denn alles was wir wollen, sind gute, saubere und faire Wettbewerbe. Das ist der olympische und paralympische Spirit. Das ist ein wunderbares Ideal. Ich schätze den Respekt unter den Athleten, es ist viel Freundschaft dabei, auch wenn wir starke Konkurrenten sind. Wir sind verbunden durch den Sport. Aber wir sind auch in schweren Zeiten. Wir gehen durch eine Pandemie, es ist Krieg. Es ist alles sehr traurig. Aber ich fühle mich nicht schlecht, bei den Spielen mitzumachen. Es ist eine Feier für den Sport, die leider überschattet wird von den schrecklichen Dingen, die auf der Welt passieren und menschliche Leben angreifen. Mir ist bewusst, dass das hier nichts ist, im Vergleich zu dem, was diese Menschen gerade durchmachen. Und trotzdem sind es unsere Leben und das, was wir machen wollen.

Ihr Karriereende steht fest. Wenn Sie zurückblicken, bedauern Sie etwas?

Ich habe wirklich keinerlei Bedauern. Alles was passiert ist, ist passiert, ich kann nichts mehr ändern. Ich versuche, all die Momente zu genießen, egal was, egal wo. Das ist mir wichtiger, als mit Reue auf die Zeiten zurückzublicken.

Was kommt nach Peking auf Sie zu?

Ich werde sanft in die Rente gehen. Es ist schwer, einfach so aufzuhören. Ich werde langsam zurücktreten, weniger trainieren, mehr Spaß haben und andere Optionen ausprobieren. Aber ich werde immer mit dem Skifahren verbunden bleiben, sei es durch’s Zusehen, Trainieren oder in anderen Formen.

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