zum Hauptinhalt
Hängende Köpfe: Das 0:3 gegen Wolfsburg war enttäuschend für die Berliner.

© Andreas Gora/dpa

Nach der Heimniederlage gegen Wolfsburg: Hertha muss die Naivität abschütteln

Das Heimdebüt von Trainer Ante Covic ging ziemlich in die Hose. Die Wechsel des Trainers raubten dem Team die Statik.

In den vergangenen viereinhalb Jahren war Pal Dardai ganz nah dran, wenn Hertha BSC spielte. So lange war der Ungar Cheftrainer der Berliner gewesen. In dieser Zeit hat Dardai den einstigen Absteiger (2010, 2012) sportlich stabilisiert und den Berlinern vier vergleichsweise sorgenfreie Spielzeiten geschenkt. Doch irgendwann im vergangenen Frühjahr reichte das der Vereinsführung nicht mehr aus. Sie beschloss die Trennung zum Saisonende hin.

Nun, am vergangenen Sonntag, zum Heimspielauftakt gegen den VfL Wolfsburg, war Pal Dardai erstmals seit über drei Monaten wieder im Olympiastadion. Zusammen mit seiner Frau und einem seiner drei Söhne saß er auf der Tribüne. So hatte Dardai eine für ihn ungewohnte Perspektive auf das Geschehen. Doch wann immer man in sein Gesicht blickte, beim 0:1 etwa, beim 0:2 oder dann wieder beim 0:3 in der Nachspielzeit – an seiner Mimik war nicht ablesbar, was er gerade dachte.

Es wäre auf jeden Fall interessant gewesen, Dardais Sicht auf die Dinge zu erfahren. Es war ja nicht irgendein beliebiges Spiel. Es war das Heimdebüt seines Nachfolgers Ante Covic. Mit einem 2:2 vor einer guten Woche zum Bundesligaauftakt beim FC Bayern war der 43 Jahre alte Deutsch-Kroate überaus achtbar gestartet. Doch seine Premiere im eigenen Stadion ging vor rund 43 000 Zuschauern ziemlich in die Hose.

Jetzt alles gleich in Frage zu stellen, wäre aber unseriös. Auch von einem schweren Rückschlag zu sprechen, wäre des Guten zu viel. Aber ein Dämpfer war die 0:3-Niederlage schon. Vielleicht einer zur rechten Zeit, wie es so schön heißt.

Dabei sollte doch alles besser, frischer, offensiver und attraktiver werden unter dem neuen Trainer. Der frühere Nachwuchscoach sollte eine neue Begeisterung entfachen. Über 30 Millionen Euro hat Hertha für neue Spieler ausgegeben, so viel wie noch nie. Gerade in den Heimspielen wollten die Blau-Weißen aus Westend mit mutigem und kreativem Offensivspiel ihre Anhängerschaft begeistern und neues Publikum für sich gewinnen. Das alles hatte die Vereinsführung Covics Vorgänger Dardai eben nicht mehr zugetraut. Dardai war dafür bekannt, im Zweifelsfall einen ergebnisorientierten Fußball spielen zu lassen, basierend auf einer kompakten Defensive.

Wollte das Team zu viel, oder der Trainer?

Gegen den Europapokal-Starter Wolfsburg waren die Berliner früh durch einen Strafstoß ins Hintertreffen geraten. Kurz zuvor hatte der Schiedsrichter seine Strafstoßentscheidung auf der anderen Seite für Hertha nach Studium der TV-Bilder zurückgenommen. Nach dem Rückstand hatten die Herthaner viel investiert, um das Ergebnis zu korrigieren. Gerade in der ersten Hälfte der ersten Halbzeit gelangen den Berlinern durchaus gute und schnelle Angriffskombinationen, erst scheiterte Salomon Kalou mit einem Kopfball, dann Marko Grujic mit einem Schuss samt Nachschuss.

„Wir haben aus unseren Möglichkeiten nichts gemacht, leider“, sagte anderntags Ante Covic. Bis Mitte der zweiten Halbzeit hatte er drei frische Spieler eingewechselt, darunter die beiden Neulinge Daishawn Redan und Eduard Löwen. Gebracht hatte es nichts. Im Gegenteil. In der zweiten Halbzeit bot Hertha dem Gegner Räume an, was von den Wolfsburgern bestraft wurde.

„Das darf uns nicht noch mal passieren“, sagte Maximilian Mittelstädt. Zum Schluss habe man noch einmal alles probiert und sei dann gnadenlos ausgekontert worden. „Ich glaube, die Mannschaft wollte zu viel“, sagte Ante Covic. Vielleicht wollte auch er zu viel, indem er extrem offensiv wechselte. Danach verlangt zwar gern die Anhängerschaft, doch oft genug geht damit die Statik innerhalb des Teams verloren.

Da geht's lang: Herthas Cheftrainer Ante Covic hatte gegen Wolfsburg viel zu tun.
Da geht's lang: Herthas Cheftrainer Ante Covic hatte gegen Wolfsburg viel zu tun.

© Andreas Gora/dpa

Hertha hatte sich in der zweiten Hälfte also reichlich naiv angestellt – getrieben vom andauernden Rückstand und der ablaufenden Spielzeit. „Mit zunehmender Spieldauer ist unser Glaube kleiner geworden“, hatte Covic gleich nach dem Spiel gesagt. Eine Nacht später war seine Sicht differenzierter.

Im Bemühen, den Rückstand aufzuholen, hatte er sein Team auf ein 4-4-2-System umgestellt, also eins mit zwei echten Stürmern. Doch in der Realität hatte Hertha zu viele Spieler, die sich in der vordersten Front auf einer Linie bewegten. Dafür waren kaum noch die Außen- und Halbpositionen besetzt. Hier fehlte den Berlinern eine kluge Staffelung. Vieles wirkte hektisch in dieser Phase, ja kopflos. Der letzte Pass im letzten Drittel des Gegners kam eigentlich nie an, von Flanken mal ganz zu schweigen.

„Niederlagen sind immer ärgerlich“, sagte Covic, „wichtig ist, dass wir schnell daraus lernen und es im nächsten Spiel besser machen.“ Vor allem die schwache Teamlaufleistung wurmte den Trainer. Hertha lief sechs Kilometer weniger. Das muss nicht immer ausschlaggebend sein, aber in diesem Spiel war Hertha im Spiel ohne Ball zu inaktiv. Dem ballführenden Spieler boten sich zu oft zu wenige Anspielmöglichkeiten. Aber daran lässt sich arbeiten. Wie auch an der Balance zwischen Offensive und Defensive. Hertha muss lernen. Vor allem schnell lernen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false