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Es war einmal. Gegen Dortmund hat Hany Mukhtar (li., mit Milos Jojic) sein letztes Bundesliga-Spiel für Hertha bestritten. Das war im Mai 2014.

© picture alliance / dpa

Hertha BSC und die Nachwuchsarbeit: Viel Aufwand, wenig Ertrag

Es wird viel gemacht, kommt aber nicht viel dabei raus bei Hertha BSC: Der Transfer von Hany Mukhtar nach Lissabon weckt Zweifel an der Nachwuchsarbeit beim Berliner Bundesligisten.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass Christopher Samba im Büro des Nachwuchsleiters von Hertha BSC in einer eher unangenehmen Angelegenheit vorstellig wurde. Der Verteidiger aus der U 23 hatte große Sorgen – Sorgen finanzieller Art. Ob er einen Vorschuss bekommen könne, fragte also Samba und wurde zur Abwicklung der Angelegenheit in die Geschäftsstelle überwiesen. Solche Probleme hat Samba inzwischen ganz sicher nicht mehr. Der französische Verteidiger mit kongolesischen Wurzeln steht bei Dynamo Moskau unter Vertrag. Die Gehälter in der russischen Liga bewegen sich auf durchaus gehobenem Niveau, erst recht für einen Spieler, der zehn Millionen Euro Ablöse gekostet hat wie Samba.

Über den Abwehrspieler wird gerade wieder häufiger in Berlin gesprochen, obwohl er nicht unbedingt die tiefsten Spuren bei Hertha BSC hinterlassen hat. Gerade 20 Bundesligaspiele hat Samba für den Klub bestritten, meistens waren es nur Kurzeinsätze; der Aufruhr war dementsprechend überschaubar, als er 2007 für 500 000 Euro zu den Blackburn Rovers wechselte. Inzwischen gilt Samba vielen Hertha-Fans als Symbol für eine verfehlte Personalpolitik ihres Vereins. In Berlin verkannt, woanders groß rausgekommen. Bei seinen diversen Wechseln zwischen England und Russland hat der Verteidiger insgesamt 50 Millionen Euro Ablöse eingespielt. Herthas Anteil daran (rund zwei Millionen Euro inklusive vertraglich vereinbarter Nachzahlungen) nimmt sich geradezu lachhaft aus.

Die Anhänger des Berliner Fußball- Bundesligisten fürchten, dass sich gerade ein weiterer Fall Samba anbahnt. In der vergangenen Woche hat Hertha den U-19-Europameister Hany Mukhtar zum portugiesischen Champions-League-Teilnehmer Benfica Lissabon transferiert, ebenfalls für eine halbe Million Euro. Einen Fünfjahresvertrag hat der 19 Jahre alte Offensivspieler in Lissabon erhalten. Dabei hat Mukhtar noch vor einem Jahr, im Trainingslager in Belek, zu seiner persönlichen Planung gesagt: „Ich bin Berliner. Es gibt keinen Grund wegzugehen.“ Als Hertha gestern ins Trainingslager aufbrach, erneut nach Belek, war Mukhtar schon nicht mehr dabei.

Der Verlust des Hochbegabten, der in dieser Saison kein einziges Mal für die Profis auf dem Feld stand, erregt die Gemüter: Wie kann es sein, dass ein großer Klub wie Benfica unbedingt einen Spieler haben will, der für einen Abstiegskandidaten in der Bundesliga nicht gut genug ist? Was sehen die Portugiesen in Mukhtar, was Herthas Trainer Jos Luhukay nicht sieht oder nicht sehen will?

Wieder einmal verliert Hertha ein überdurchschnittliches Talent, bevor die Profiabteilung richtig von ihm profitieren konnte. Anstatt das neue Berliner Gesicht des Klubs zu werden, könnte Mukhtar einmal die Reihe prominenter Namen fortschreiben, zu der neben Christopher Samba auch Kevin-Prince und Jerome Boateng gehören, Ibrahima Traoré, Sejad Salihovic, Ashkan Dejagah, Manuel Schmiedebach, Marco Djuricin oder Terence Boyd. Sie alle haben in der Jugend oder in der U 23 für Hertha gespielt und sind erst bei anderen Verein richtig groß rausgekommen. Selbst Ivica Olic wird in diesem Zusammenhang genannt, obwohl er erst mit 19 (und für immerhin 600 000 Mark Ablöse) nach Berlin gekommen war.

Natürlich gibt es solche Fälle nicht nur bei Hertha. Auch andere Vereine haben Talente verloren, die sie gern gehalten hätten wie Julian Brandt, der mit 15 von Werder Bremen zum VfL Wolfsburg gewechselt ist; auch andere Vereine haben sich in der Bewertung ihrer Talente getäuscht. Borussia Dortmund hat Marco Reus als B-Jugendspieler weggeschickt und später 17,1 Millionen Euro bezahlt, um ihn zurückzuholen. Schalke 04 hat Ilkay Gündogan verkannt, der in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen ist. Und Borussia Mönchengladbach hatte keine Verwendung für Kostas Mitroglu, der für 200 000 Euro zu Olympiakos Piräus ging und ein paar Jahre später als griechischer Nationalspieler für 15,2 Millionen Euro zum FC Fulham gewechselt ist.

Bei Hertha bilden sie sich traditionell einiges auf ihre Nachwuchsausbildung ein (die über die Jahre auch einiges gekostet hat) – der Ertrag für den Klub aber ist in jeder Hinsicht dürftig: sowohl fußballerisch als auch finanziell. Seit der Jahrtausendwende haben es zwar mehr als 40 Spieler aus der Akademie (von Benjamin Köhler bis Marvin Knoll) in den Profifußball geschafft. Nur drei aber sind deutsche Nationalspieler geworden (Jerome Boateng, Malik Fathi, Alexander Madlung); und zum Gesicht des Klubs, zur Identifikationsfigur für die Massen hat es keiner gebracht.

Das wäre noch zu verkraften, wenn Hertha mit den Talenten wenigstens exorbitante Ablösen erzielt hätte. Doch auch das ist nicht der Fall. Die Transfers der Brüder Boateng, von Christopher Samba, Malik Fathi, Christopher Schorch und jetzt Hany Mukhtar haben (ohne Nachzahlungen) rund 15 Millionen Euro eingebracht. Im selben Zeitraum hat der VfB Stuttgart allein für die selbst ausgebildeten Mario Gomez, Sami Khedira und Julian Schieber mehr als 55 Millionen Euro kassiert.

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