zum Hauptinhalt
Läuft. Davie Selke traf am vergangenen Spieltag erstmals doppelt für den 1. FC Köln.

© IMAGO/Sven Simon

Hertha BSC und das Wiedersehen mit Davie Selke: Das kann schmerzhaft werden

Im Winter ist Davie Selke von Hertha BSC zum 1. FC Köln gewechselt. Nachdem er dort zuletzt immer besser zurechtgekommen ist, trifft er jetzt auf Hertha und seinen Förderer Pal Dardai.

Ein Gespenst geht um in Berlin. Zumindest im blau-weißen Teil der Stadt. Das Gespenst heißt Davie Selke, spielt beim 1. FC Köln und trifft an diesem Freitag (20.30 Uhr, live bei Dazn) auf Hertha BSC. Viele Fans der blau-weißen Hertha, zumindest die mit einem Hang zum Fatalismus, ahnen schon, wie dieses Treffen ausgehen wird: Natürlich wird Selke gegen seinen Ex-Klub treffen und damit womöglich entscheidend dazu beitragen, dass Hertha am Ende in die Zweite Liga absteigt.

Vor einer Woche hat sich der Stürmer der Kölner schon richtig warmgeschossen, als er gegen Bayer Leverkusen beide Tore zum 2:1-Erfolg für den FC beisteuerte. Zittert Hertha also schon? „Ich freue mich, ihn zu sehen“, sagt Pal Dardai. Der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten ist fatalistischer Neigungen gänzlich unverdächtig. „Er soll ein Tor schießen, aber wir gewinnen 2:1“, sagt Dardai. „Und dann können wir schön ein Bier zusammen trinken.“

Vermutlich hätte Selke – bei allem Ärger über eine weitere Heimniederlage mit dem FC – nichts dagegen einzuwenden. Selbst wenn die Wertschätzung am Ende nicht mehr auf Gegenseitigkeit beruhte: Der 28-Jährige, der in der Winterpause von Berlin nach Köln gewechselt ist, hängt immer noch an Hertha und würde einen Abstieg des Klubs, für den er in zwei Etappen vier Jahre gespielt hat, zutiefst bedauern. „Es ist schwierig für mich, meine Jungs in dieser Situation zu sehen“, hat Selke in dieser Woche in einem Interview der „Sportbild“ gesagt.

Mit Pal Dardai, der seit knapp einem Monat wieder Herthas Trainer ist, verbindet ihn zudem ein ganz besonderes Verhältnis. „Davie und ich, das hat vom ersten Moment an funktioniert“, erzählt der Ungar. „Bei mir hat er immer gut gespielt.“

Tatsächlich waren Selkes persönliche Werte nie so gut wie unter Dardai. In der ersten Saison nach seinem Wechsel von Leipzig nach Berlin erzielte der Mittelstürmer zehn Tore in der Bundesliga und vier weitere in der Europa League. Auf eine zweistellige Zahl an Scorerpunkten brachte es Selke nur in seiner ersten Bundesligasaison überhaupt (2014/15 bei Werder Bremen) und eben in den ersten beiden Spielzeiten bei Hertha, als Dardai Trainer war.

Auch spielerisch machte er in dieser Zeit die größten Fortschritte. Dank der Mühe, die Dardai in ihn investierte, verbesserte er sich auch fußballerisch. Aus dem reinen Abschlussstürmer wurde ein Angreifer, der mehr und mehr auch am Kombinationsspiel seiner Mannschaft teilnehmen konnte. Es war die Zeit, in der Davie Selke sogar ernsthaft als Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft ins Spiel gebracht wurde.

Wie wichtig für ihn und seine Leistung das Vertrauen seines Trainers ist, das lässt sich auch derzeit beim FC beobachten. „Ich fühle mich sehr wohl in Köln“, sagt Selke. „Ich bekomme hier viel Vertrauen. Das ist für Stürmer enorm wichtig.“

Der Stürmer und sein Förderer. Die Arbeit mit Pal Dardai (l.) hat sich für Davie Selke ausgezahlt.
Der Stürmer und sein Förderer. Die Arbeit mit Pal Dardai (l.) hat sich für Davie Selke ausgezahlt.

© imago/Uwe Kraft

Inzwischen kommt er beim FC immer besser zur Geltung. In den vergangenen sieben Spielen erzielte Selke vier Tore – genauso viele wie in der gesamten vorigen Saison für Hertha. Aber auch in den Wochen davor, als der neue Stürmer in ebenfalls sieben Spielen kein einziges Mal traf, hat Trainer Steffen Baumgart ihn immer gestützt, auch und vor allem gegen anfängliche Vorbehalte der eigenen Fans. Schon bei seiner Verpflichtung hatte Baumgart gesagt: „Ich habe ihn lieber bei mir in der Mannschaft als gegen mich.“

Selke ist ein Stürmer ganz nach dem Geschmack des Kölner Trainers: „Davie gehört noch zur alten Schule Mittelstürmer.“ Und genau diesen Mittelstürmer benötigt der FC – als Verwerter für die vielen Flanken, die Teil des Kölner Spielkonzepts sind.

Selke wird gegen Hertha spielen

Dass sich Baumgart noch dazu selbst ein bisschen in Selke wiederkennt, ist vermutlich auch kein Nachteil. „Auf dem Feld ist Davie auf jeden Fall ein Bandit“, hat er einmal gesagt. „Er erinnert mich an einen, der heute am Spielfeldrand manchmal rumschreit. Ich war nämlich auch einer.“

Dass Selke nach dem Erfolgserlebnis gegen Leverkusen auch gegen Hertha spielen wird, steht außer Frage. Eine Klausel, die einen Einsatz gegen seinen Ex-Klub ausschließt, gibt es nicht. Die hätte Baumgart auch affig gefunden, ganz allgemein und in diesem Fall ganz speziell. „In Berlin wollte man ihn loswerden“, sagt er.

Hertha wäre Selke am liebsten sogar schon deutlich früher losgeworden. Bereits im Winter 2020 ist er erstmals verliehen worden, damals an Werder Bremen. Und nur weil die Bremer anderthalb Jahre später aus der Bundesliga abgestiegen sind, kehrte Selke überhaupt wieder nach Berlin zurück.

Sehr zum Ärger der damals schon finanziell klammen Hertha. Im Falle des Klassenerhalts hätte Werder zwölf Millionen Euro Ablöse für den Stürmer zahlen müssen und Hertha zusätzlich für zwei Vertragsjahre sechs Millionen Euro Gehalt eingespart.

Trotzdem war es nie was Persönliches. „Davie ist einfach ein feiner Junge“, hat Pal Dardai im Sommer 2021 gesagt, als feststand, dass Selke aus Bremen zurückkommen würde.

Auch Herthas Fans haben ihn immer sehr geschätzt und ihn nach seiner Rückkehr aus Bremen sogar zum „Fußballgott“ geadelt. Weil Davie Selke sich immer zerrissen hat für die eigene Mannschaft und stets bemüht war, dem Gegner den größtmöglichen Schmerz zuzufügen. Mit Blick auf das Wiedersehen an diesem Freitag darf Hertha das durchaus als Drohung verstehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false