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Der Gemütszustand bei Hertha BSC: in die Knie gezwungen.

© Annegret Hilse/Reuters

Die Fehler der Mannschaft wiederholen sich: Hertha BSC stoppt auf halber Strecke

Hertha BSC zeigt wie gegen Bayern und Leipzig auch gegen den BVB eine gute Leistung, holt aber wieder keinen Punkt. „Das ist Mist“, findet Trainer Labbadia.

Omar Alderete war auf dem besten Weg, sich exzellente Bewertungen zu verschaffen, aber dann blieb er auf halber Strecke einfach stehen. Und das war durchaus wörtlich zu verstehen. Die zweite Hälfte zwischen Hertha BSC und Borussia Dortmund hatte gerade angefangen, als Julian Brandt zweieinhalb Minuten nach dem Ausgleich für den BVB einen Pass in die Tiefe spielte. Alderete befand sich im Dunstkreis von Erling Haaland, aber als der Norweger in den freien Raum startete, verharrte Herthas Verteidiger ganz bewusst auf der Stelle, um Haaland ins Abseits zu stellen.

Es war die falsche Entscheidung.

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Alderete, 23 Jahre alt, Nationalspieler aus Paraguay und erst Anfang Oktober für 6,5 Millionen Euro zu Hertha BSC gewechselt, hatte bis dahin ein exzellentes Spiel gegen Erling Haaland gemacht. Er war stets aufmerksam, robust in den Zweikämpfen und immer auf Tuchfühlung zu seinem Gegenspieler, der über Wucht und Dynamik verfügt wie kaum ein anderer Stürmer in der Fußball-Bundesliga. Noch kurz vor der Pause hatte Alderete Haaland zumindest noch so sehr bedrängen können, dass dieser es nicht schaffte, den Ball aus kurzer Distanz ins leere Tor zu schieben.

Omar Alderete stand an diesem Abend, an dem Hertha zur Pause 1:0 gegen den BVB geführt und am Ende 2:5 verloren hatte, fast sinnbildlich für den Auftritt seiner Mannschaft. Auch die war gewissermaßen auf halber Strecke einfach stehen geblieben. „Erste Halbzeit sehr, sehr gut. Zweite Halbzeit ein Stück unglücklich“, so fasste Bruno Labbadia, Herthas Trainer, die Leistung seines Innenverteidigers Alderete, kurz und knapp zusammen. Exakt dasselbe hätte er über das gesamte Team sagen können.

Vier Minuten brauchten die Dortmund im leeren Olympiastadion nach Beginn der zweiten Hälfte, um aus dem Rückstand eine Führung zu machen. Dass es so schnell ging, „das hat mich auch ein wenig überrascht“, sagte Lucien Favre, der Trainer des BVB. „Noch mehr hat es Berlin überrascht.“ Torschütze war in beiden Fällen Erling Haaland, den Alderete vor der Pause so weit im Griff gehabt hatte, wie man Haaland eben im Griff haben kann. Es war laut Labbadia „genau, wie wir es uns vorgestellt hatten“. Was dann passierte, hatte für Herthas Trainer etwas von einem Déja-vu. „Wir bringen uns um unseren Lohn“, sagte er. „Das ist Mist.“

Hertha leistet sich immer wieder folgenschwere Aussetzer

Stellvertretend für Herthas stetig wiederkehrende Schwierigkeiten im ersten Viertel dieser Saison kann man die Entstehung des Dortmunder Tores zum 2:1 hernehmen. Was Haaland bei Brandts Pass in die Spitze tat, hätte Alderete irgendwie bekannt vorkommen müssen – weil er Szenen dieser Art unter der Woche mehrmals vorgeführt bekommen hatte. Insgesamt vier Videositzungen hatte Trainer Labbadia anberaumt, um seine Defensive auf den wuchtigen Norweger und seine Eigenheiten einzustimmen und seinen Spielern für das Aufeinandertreffen in der Realität eine konkrete Handlungsanweisung mitzugeben. Sie lautete: auf keinen Fall auf Abseits spielen. Alderete tat es trotzdem.

„Das Spiel spiegelt unsere bisherige Saison“, sagte Labbadia. „Wir sehen viele gute Sachen. Wir können, wenn alle mitmachen, auch gegen einen guten Gegner mithalten. Aber dazu müssen wir voll am Anschlag sein. Das waren wir in der ersten Halbzeit.“ In der zweiten war es Hertha nicht mehr.

Zur Pause hatte Labbadia seine Spieler in der Kabine noch regelrecht euphorisch erlebt, „weil wir gemerkt haben, wir haben das Ding im Griff“. Aber Hertha lockerte den Griff. Vor dem 1:1 hielten sich die beiden Stürmer Dodi Lukebakio und Krzysztof Piatek nicht an die Vorgaben. Vor dem 1:2 spielte Alderete verabredungswidrig auf Abseits. Und vor dem 1:3 unterlief Marvin Plattenhardt ein schlampiger Fehlpass, den Haaland als Vorlage zu seinem dritten Treffer in kaum mehr als einer Viertelstunde nutzte.

Die Mannschaft verharrt am Rande der Abstiegszone

All das passierte nicht zum ersten Mal. Die individuellen Aussetzer sind bei den Berlinern so etwas wie die beständigste Konstante in dieser Saison. Und sie machen die Angelegenheit für Trainer Labbadia insgesamt recht mühselig. „Da können wir noch so oft darüber reden, dass wir guten Fußball spielen, dass wir Torchancen herausspielen und selbst gute Gegner zum Laufen bringen“, klagte er. „Wir haben diese Spiele zu einfach verloren.“

Seit Samstag hat Hertha die Duelle gegen die wohl drei besten Mannschaften Deutschlands hinter sich. Gegen alle drei war der Qualitätsunterschied nicht so groß, wie es der Tabellenstand hätte vermuten lassen. Aber gegen alle drei stand am Ende eben eine Niederlage. In München (3:4) und in Leipzig (1:2) war es vom Ergebnis her noch deutlich knapper, die Parallelen zum Spiel gegen den BVB aber waren frappierend. „Wir wurden extrem bestraft für Nachlässigkeiten und mangelnde Konsequenz“, sagte Labbadia.

Und so steht die Mannschaft nach acht Spieltagen mit dürftigen sieben Punkten weiterhin nur kurz vor der Abstiegszone. „Das ist einfach zu wenig. Damit können wir nicht zufrieden sein“, sagte Labbadia über die bisherige Ausbeute. „Wir können nicht akzeptieren, wenn ein paar Leute nicht mitmachen und meinen, es geht auch mit ein bisschen weniger. Das funktioniert nicht.“

Das wird vor allem in den nächsten drei Wochen nicht funktionieren, wenn Hertha – in dieser Reihenfolge – auf den aktuell Dritten, den Fünften und den Siebten der Fußball-Bundesliga trifft.

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