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Ein Duo im Glück: Europameister Thomas Röhler und Andreas Hofmann, der Silber gewann.

© dpa

Großer Auftritt der deutschen Speerwerfer: Tiger im Wassergraben

Thomas Röhler und Andreas Hofmann lassen der Konkurrenz keine Chance. Nur Johannes Vetter ist enttäuscht.

Von Johannes Nedo

Den Wassergraben der Hindernisläufer hatte Thomas Röhler schon während seines gesamten Speerwurf-Wettkampfes im Auge. „Ich habe immer aufgepasst, dass ich dort nicht hineinfalle mit dem Speer“, sagte er. „Ich war ja so fokussiert. Bin wie ein Tiger im Käfig herumgelaufen.“ Als die Anspannung dann abgefallen war am Donnerstagabend im Berliner Olympiastadion, als Röhler sich mit 89,47 Meter zum Europameister gekrönt hatte, rückte der Wassergraben noch einmal in sein Blickfeld – und er sprang einfach hinein.
Röhler, der Olympiasieger von 2016 in Rio de Janeiro, war nicht der einzige deutsche Speerwerfer, der jubeln konnte. Es gab einen Doppelsieg. Andreas Hofmann gewann Silber mit 87,60 Meter vor dem Esten Magnus Kirt (85,96 Meter) und verspürte nach seiner ersten internationalen Medaille eine „Gänsehaut auf dem ganzen Körper“. Der dritte Deutsche, Johannes Vetter, der Weltjahresbeste mit 92,70 Meter, verpasste die Medaillen überraschend deutlich und wurde nur Fünfter (83,27).
„Was Andreas und ich trotz der Drucksituation geschafft haben, ist etwas, auf das wir stolz sein können“, sagte Röhler. Die Erwartungen an die drei Deutschen waren riesig. In diesem Jahr hat weltweit kein anderer weiter geworfen als Vetter, Röhler und Hofmann. Dementsprechend wollten die 39 335 Zuschauer eine große Weitenshow mit Medaillen sehen.
Und sie bekamen sie. Nahe an die Ekstase geriet das Publikum bei Röhlers drittem Versuch. Die Zuschauer begleiteten den Wurf mit einem rauschenden „Ohhh“, das immer länger andauerte und immer schriller wurde. Röhlers Speer flog und flog: auf 89,47 Meter. Danach schrie er zum ersten Mal an diesem Abend seine Freude laut heraus. „Ich hatte den Wettkampf vielleicht schon zuvor im Kopf gewonnen“, sagte der 26-Jährige später. „Es ist sehr schwer im Olympiastadion zu werfen, weil der Windeinfluss von allen Seiten kommt. Deshalb wollte ich einfach nur präzise werfen – und es hat geklappt.“
Durchnässt absolvierte danach nicht nur Röhler seine Ehrenrunde, sondern auch die Hürdensprinterinnen Pamela Dutkiewicz und Cindy Roleder. Allerdings waren die beiden nicht in den Wassergraben gehüpft. Kurz vor dem Finale über 100 Meter Hürden hatte es schlicht angefangen zu regnen, später platterte es richtig vom Himmel. Dutkiewicz und Roleder störte das nicht.

Medaille nach einem steinigen Weg

In einem spannenden und knappen Rennen war Dutkiewicz Zweite geworden (12,72 Sekunden), Roleder hatte Bronze geholt (12,77). Geschlagen wurden die beiden nur von der Weißrussin Elvira Hermann, die sich auf den letzten Metern abgesetzt hatte (12,67). Zudem kam auch die dritte deutsche im Finale, Ricarda Lobe, auf einen starken fünften Rang (13,00). „Die Silbermedaille bedeutet mir viel, besonders nach so einem steinigen Weg. Ich hatte eigentlich gedacht, das wird nix mehr“, sagte Dutkiewicz zu der schwierigen EM-Vorbereitung, nachdem Rückenprobleme und ein Muskelfaserriss im Oberschenkel sie bis Juni eingeschränkt hatten. „Ich habe mir gesagt: Wenn du es schaffst, mit einer Medaille um den Hals aus Berlin rauszugehen, dann kannst du Großes schaffen.“ Auch Roleder war mit Bronze sehr zufrieden, besonders bei den widrigen Bedingungen mit Regen und wechselnden Winden. „Dadurch kam ich zu dicht an die Hürden und habe drei abgeräumt“, sagte die 28-Jährige. „Da war ich mir nicht sicher, noch Bronze zu gewinnen.“ Von den Medaillenkandidaten am dritten Wettkampftag der Leichtathletik-Europameisterschaften war nur Vetter enttäuscht. „Es hat technisch einfach nicht geklappt“, sagte der Speerwurf-Weltmeister von London 2017. „Das liegt daran, dass mir wichtige Wettkämpfe fehlen.“

Besondere Reize gesetzt

Seit einigen Monaten setzt ihm eine Oberschenkelverletzung zu. Am Donnerstagabend versuchte es Vetter dann zu sehr mit seiner Wucht. Aber Röhler war sich zuvor schon bewusst: „Wenn man nur über Kraft wirft, fliegen die Speere einfach nicht in Berlin.“ Der Jenaer setzt da eher auf eine perfekt ausgereifte Technik, an der er immer weiter feilt und tüftelt. So erklärte er dann auch seinen EM-Sieg: „Man muss eben besondere Reize setzen, um außergewöhnliche Leistungen zu bringen.“

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