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© dpa

Unterstützung im Stadion: Gesucht: der geduldige Event-Fan

Die Zuschauerpfiffe in Hamburg gegen die Löw-Elf belegen: Die Nationalmannschaft hat ein anderes Publikum als die Bundesliga. Welches ist besser?

Dürfen Fußballfans ihre Mannschaft auspfeifen, gibt es eine korrekte Art, ein Fußballspiel zu gucken? Das sind die vieldiskutierten Fragen nach der schwachbrüstigen Darbietung der Löw-Elf gestern gegen Finnland. Die Zuschauer waren schnell unzufrieden, weil die Elf 0:1 gegen den Außenseiter zurücklag und kein Bein vor das andere brachte.

Nach nicht einmal zwanzig Minuten begannen sie zu murren, erst vereinzelt, dann im Chor. Zur Halbzeit waren die Pfiffe sogar lauter als die Status-Quo-Stadionbeschallung. Das erstolperte 1:1 durch Lukas Podolski zum Endstand hatte zwar lauten Jubel zur Folge, doch kurz später entschieden sich die meisten wieder fürs Buhen.

Oliver Bierhoff reagierte nach dem Spiel verärgert über die frühen Unmutsäußerungen. Kapitän Michael Ballack kritisierte die Fans: "Natürlich haben wir nicht gut gespielt, aber das hat die Mannschaft nach dieser guten Qualifikation nicht verdient. Wir sind alle enttäuscht. Ich hätte mehr Fingerspitzengefühl erwartet." Die schlechte Laune der Leute mag die Spieler auch deswegen so überrascht haben, weil sie zwei Tage zuvor bei einem öffentlichen Training von 25.000 Zuschauern für den Sieg in Russland und die vollzogene WM-Qualifikation gefeiert worden waren. Und nicht zu Unrecht auf eine neunzigminütige Party gehofft hatten.

Länderspiele in Deutschland haben ein anderes Publikum als Bundesligaspiele. Es ist als Event-Publikum in Verruf: konsumorientiert, verwöhnt, altbacken im Support, sie rufen "Schlaaand" und winken nach Toren nordkoreahaft mit Tausenden schwarz-rot-goldenen Plastikfähnchen.

Gestern haben die Fans ihre Mannschaft tatsächlich schwach unterstützt. Im Gegensatz zu den rund 1000 Suomi-Fans aus Finnland. Im Gegensatz auch zu den Ultras. Diese dominierende Fan-Bewegung hat es sich zum Leitbild gemacht, ihre Mannschaft während des Spiels ununterbrochen durch Gesang zu beflügeln. Ihr Support ist laut, aber auch dirigiert, standardisiert, überorganisiert.

Die Schwarz-Rot-Gold-Fans raunten phasenweise bei jedem Ballverlust von Lahm, Beck, Hitzlsperger und Kollegen (wodurch sie phasenweise viel zu tun hatten). Es hatte etwas von einem Silvestergefühl, wo jede Rakete von einem "Ahhh!" begleitet wird. Es war natürlich auch das Gegenteil von Silvester, denn es war kein Staunen, das sich äußerte, sondern Enttäuschung.

Die Pfiffe mögen ungeduldig, sogar laienhaft gewirkt haben, weil Fußballer den Ball oft an den Gegner verlieren oder ins Aus passen (was man gestern demonstriert bekam, nicht nur von unseren drei Kolumnisten). Andererseits wirkte die Reaktion der DFB-Fans näher am Spiel als der Dauergesang der Ultras.

Die Ausgangsfragen bleiben offen. Jeder Zuschauer hat das Recht, sich während eines Fußballspiels zu verhalten, wie er es will. Vielleicht müssen wir uns den idealen Fußballfan wie eine Mischung vorstellen: als spontanen Ultra und nachsichtigen Event-Fan.

Quelle: ZEIT ONLINE

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