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Schritt für Schritt. Dann läuft es auch, ganz egal was passiert.

© Rainer Jensen/dpa

Kolumne: So läuft es: Gemeinsam gegen den Terror laufen

Auf der Strecke läuft man für sich, doch eigentlich verbindet das Laufen viele Menschen - gerade nach schrecklichen Ereignissen.

Als Anis Amri im Dezember 2016 mit einem gekaperten Lkw in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche fuhr, als zwölf Menschen dabei ihr Leben verloren, da war der Terror in Berlin endgültig angekommen. Wie seit Sonntag bekannt ist, hatte Amri Bekannte, die seine Gesinnung teilen. Diese Salafisten wurden am Montag wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Zuvor waren sie verdächtigt worden, einen Anschlag auf den Berliner Halbmarathon geplant zu haben.

Hoffen wir, dass sie wirklich nicht etwa Vergeltung üben wollten. Dass sie keinen Anschlag ausgerechnet auf die geplant haben, die wenig bis gar nicht über Religion oder Politik nachdenken. Jedenfalls nicht, während sie einen Halbmarathon laufen oder dabei zuschauen. Und genau deshalb treffen mich die Eilmeldungen vom Sonntag auch heute noch mitten ins Läuferherz. Weil es ein Anschlag auf die Ethik des Laufens gewesen wäre. Das tut weh. Das tut unendlich weh.

Denn wenn wir am Start stehen, dann stehen wir alle am Start. Wenn wir uns auf der Strecke quälen, dann leiden wir dieselbe Qual und unterstützen uns gegenseitig. Wenn wir ins Ziel laufen, feiern wir zusammen. Und wir freuen uns für all die anderen. Egal welche Hautfarbe, egal welchen Glauben wir haben, egal welche Kultur wir pflegen. Wir atmen dieselbe Luft, wir trinken dasselbe Wasser, wir umarmen uns, wir weinen miteinander vor Glück. Und wenn wir fallen, heben wir uns auf. So oft laufen wir für einen guten Zweck.

Laufen, immer weiter laufen

Wir laufen für die, die nicht laufen können. Wir laufen gegen den Hunger in der Welt, wir laufen für Afrika, für mehr Bildung und gegen den Krebs. Laufen verbindet, und das Laufen ist dicker als Blut. Vor allen Dingen und in jedem Fall dicker als das Blut, das der Terror vergießen will. Es ist so dick, dass es uns nun nur noch fester miteinander verbindet. Nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon ist unsere Läuferwelt anders geworden. Sie ist noch ein bisschen besser geworden. Denn wir halten noch fester zusammen. Es werden täglich mehr und mehr Läufer, auf der ganzen Welt. Und wir werden auch dann noch laufen, wenn die Geschichte des Terrors längst Geschichte ist.

Immer mehr verschiedene Kulturen werden sich im Ziel in den Armen liegen und sich sagen: Wie gut, dass wir damals nach Berlin einfach weitergelaufen sind. Wie gut, dass wir jeden Kilometer genossen haben, jeden Meter mit Liebe genommen haben. Merkt euch eines, ihr Terroristen auf der ganzen Welt: Wenn ihr wirklich Mut habt, dann lauft doch mal einen Halbmarathon, besser einen ganzen Marathon mit uns. Dann werdet ihr wissen, was wirklich Terror ist. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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