zum Hauptinhalt

Handball-EM: Gastgeber Serbien will eine Medaille

Serbiens Handballer kämpfen bei ihrer Heim-EM auch gegen ihre überragenden Vorgänger. Nur eines von vielen Problemen beim Kampf um eine Medaille und Olympia.

Fliegen die „Adler“, wie die serbische Handball-Nationalmannschaft genannt wird, wieder in alte Höhen? Den 22:18-Auftaktsieg gegen Polen bei der Europameisterschaft in Serbien feierte Trainer Veselin Vukovic schon als „großes Ereignis“, und laut Rückraumspieler Ivan Stankovic ist damit das Halbfinale im eigenen Land „schon fast erreicht“. Am Dienstagabend besiegten die Serben auch Vizeweltmeister Dänemark 24:22. Sollte das Team um die Rückraumstars Momir Ilic vom THW Kiel und Marko Vujin von MKB Veszprem, tatsächlich eine Medaille erreichen, dann wäre nicht nur Olympia 2012 wieder greifbar. Sondern die aktuellen Profis könnten auch die Gespenster der Vergangenheit vertreiben.

Verfolgt werden sie von den Geistern der 1980er Jahre, als die Spieler im Trikot Jugoslawiens den Welthandball beherrschten. Sie waren Vize-Weltmeister 1982 und gewannen olympisches Gold 1984 in Los Angeles. Als Krönung dieser Ära gilt der WM-Titel 1986 in der Schweiz, da bei Olympia viele Konkurrenten gefehlt hatten. Das Gerüst dieser Mannschaft stellte damals RK Metalopastika Sabac. Die Handballer in diesem 50 000-Einwohner-Städtchen, 80 Kilometer nordwestlich von Belgrad gelegen, galten als die Globetrotter des Handballs: Flügelspieler Mile Isakovic gilt als einer Erfinder des Trickwurfes von außen, Kreisläufer Momir Rnic kultivierte den Wurf mit der Rückhand, und auch die wuchtigen Rückraumspieler Veselin Vujovic und Linkshänder Jovica Cvetkovic wurden berühmt. „Ich hatte jederzeit das Gefühl, dass die alles beherrschen. Einen Kempa haben die nach Belieben gespielt. Und wenn die richtig Bock hatten, dann konntest du sie kaum schlagen“, erzählte einst Uwe Schwenker, der mit dem THW Kiel einmal gegen Sabac antrat.

Diese Mannschaft aus den 1980er Jahren entwickelte sich mit den Jahren zu einem Mythos. Mit jenen Spielern wurde seither jedes Nationalteam verglichen, so wie die deutschen Handballer lange an der Weltmeister-Mannschaft von 1978 gemessen wurden, an glorreichen Namen wie Heiner Brand, Joachim Deckarm, Manfred Hofmann, Kurt Klühspies und Erhard Wunderlich. In Deutschland waren diese Geister erst mit dem WM-Titel von 2007 vertrieben.

Die Serben werden auch deshalb ständig an die alten Heroen erinnert, weil Trainer Veselin Vukovic damals Mitglied der legendären Truppe war. Und Momir Rnic vom Bundesligisten Frisch Auf Göppingen ist der Sohn des damaligen Kreisläufers, genauso wie der Nachname von Linksaußen Jozef Holpert ebenfalls schon im Weltmeister-Team von 1986 auftauchte. „Es ist schwierig, wenn die Fans die gleichen Ansprüche an uns stellen“, sagt Momir Ilic.

Ein Vergleich mit den glorreichen Zeiten allerdings verbietet sich, weil die meisten Profis heute über ganz Europa verstreut sind, die taktischen Konzepte also nicht im Klub automatisiert werden können. Die serbischen Spieler gehen ihrer Arbeit in Deutschland, Frankreich, Spanien, Mazedonien, Slowenien, Dänemark, Bosnien, Ungarn, Polen oder der Schweiz nach. Hinzu kommt, dass der serbische Handball-Verband lange Zeit solche Geldsorgen hatte, dass er sich nicht einmal einen hauptamtlichen Coach leisten konnte. Auch der aktuelle Trainer ist bei der Auswahl seiner Profis auf das Videostudium und das Internet angewiesen und kann sie nur selten mit eigenen Augen begutachten

Umso größer ist die Hoffnung, dass dieses Turnier den Niedergang des serbischen Handballs beendet, der mit dem Verpassen der Weltmeisterschaft 2007 sowie der Europameisterschaft und des olympischen Turniers 2008 begann. Trainer Vukovic ist optimistisch – obwohl er glaubt, dass seine Profis durch die schlechten Resultate der letzten Jahre mit mentalen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. „Das größte Problem ist, dass meine Spieler nicht genügend Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben“, sagte er vor dem Turnier. „Wir können immer noch davon träumen, eine Medaille zu holen, auch wenn einige andere Teams stärker sind als wir.“ Und auch der ehemalige Nationaltrainer Sead Hasanefendic, der Serbien bis 2010 coachte, glaubt an einen Durchbruch vor eigenen Publikum: „Natürlich haben die Fans hohe Erwartungen. Aber die dürfen sie auch haben. Die Serben haben hier eine realistische Chance auf das Halbfinale.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false