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Falsches Trikot. Sandro Wagner will nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen.

© dpa

Fußball-Nationalmannschaft: Sandro Wagner fehlt aus guten Gründen

Aus Frust über Joachim Löw erklärt Sandro Wagner seinen Rücktritt aus der Fußball-Nationalmannschaft. Dabei ist die Entscheidung des Bundestrainers plausibel.

Bei Roman Weidenfeller war es die Frisur. Zumindest hat er das mal vermutet. „Vielleicht sollte ich mir einfach die Haare schneiden. Oder etwas zierlicher werden“, hat der Torhüter von Borussia Dortmund im August 2011 gesagt. Da waren seine Hoffnungen, von Bundestrainer Joachim Löw für die Fußball-Nationalmannschaft nominiert zu werden, wieder mal enttäuscht worden. Weidenfeller vermutete System dahinter, eine generelle Abneigung des Bundestrainers gegen ihn und sein Spiel als Torhüter.

Einer Typveränderung hat er sich trotzdem widersetzt, und als Roman Weidenfeller drei Jahre später den WM-Pokal in den Abendhimmel von Rio stemmte, war er eindeutig als Roman Weidenfeller zu erkennen. Lediglich an den Seiten trug er die Haare etwas kürzer, dazu hatte er ein bisschen mehr Gel benutzt als drei Jahre zuvor.

Bei Sandro Wagner ist es die offene, ehrliche, direkte Art, die dem Bundestrainer nicht gefällt. Vermutet Sandro Wagner. Einen Tag, nachdem er von Löw nicht in den vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft in Russland berufen worden war, hat er der „Bild“-Zeitung offenbart: „Für mich ist klar, dass ich mit meiner Art, immer offen, ehrlich und direkt Dinge anzusprechen, anscheinend nicht mit dem Trainerteam zusammenpasse.“

Anders als von Weidenfeller aber wird es von Wagner künftig definitiv keine Bilder geben, die ihn im Nationaltrikot dabei zeigen, wie er einen glänzenden Pokal in die Höhe stemmt. Nach acht Länderspielen und ein knappes Jahr nach seinem Debüt hat der Stürmer des FC Bayern München nun erklärt: „Ich trete hiermit sofort aus der Nationalmannschaft zurück.“

Vor einem Jahr hat Wagner Löw noch hoch gelobt

Sandro Wagner, 30, ist ein sperriger Typ. Das betrifft nicht nur sein Spiel als Strafraumstürmer; es betrifft auch seinen Charakter. Dass dieser Aspekt bei Löws Entscheidung eine Rolle gespielt hat, ist ganz sicher keine ehrenrührige Behauptung. „Dass der Kader das Gesamtbild eines stimmigen Teams ergibt, ist elementar“, hat der Bundestrainer gesagt. „Die Mannschaft muss nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb funktionieren.“

Aus solchen Aussagen und der Nichtnominierung kantiger Typen wie Wagner wird gern der Vorwurf konstruiert, dass Löw den Weg des geringsten Widerstands geht und es am liebsten harmonisch mag. Vor einem Jahr hat Sandro Wagner das ganz anders gesehen. Da hat er über den Bundestrainer gesagt: „Ich mag so was gerne: Menschen kennen zu lernen, die was ausstrahlen. Man merkt das, wenn er in einen Raum kommt. Das hat man ja nicht so oft.“

Am Mittwoch fliegt die Nationalmannschaft zur Vorbereitung nach Südtirol. Im Idealfall, bei Erreichen des WM-Finales, wird der Kader mit kurzer Unterbrechung fast acht Wochen aufeinander hocken. Da erwartet der Bundestrainer nicht ganz zu Unrecht eine gewisse Sozialkompetenz. Wagner aber ist zuletzt vor allem durch starke Töne aufgefallen. „Ich habe es verdient, da mitzufahren, und ich fahre da auch mit“, hat er vor einem Monat gesagt. „Da bin ich mir sicher.“

Sein direkter Konkurrent Mario Gomez hat sich immer weitaus demütiger geäußert. Als er zur EM 2016 in die Nationalmannschaft zurückkehrte, konnte er seine Freude, überhaupt wieder dabei zu sein, kaum zurückhalten. Und natürlich stellte er keinerlei Forderungen an den Bundestrainer – das ist nicht ganz unwichtig, wenn man davon ausgeht, dass Löw die Stelle im Sturm mit Timo Werner besetzen wird und sich alle anderen Kandidaten erst einmal mit der Rolle des Ersatzmannes zufrieden geben müssen.

Löw brauchte einen Joker - Wagner ist keiner

Trotzdem war die Entscheidung gegen Wagner und für Gomez vor allem eine sportliche. Beide sind sich als Stürmer so ähnlich, dass es wenig sinnvoll gewesen wäre, beide für die WM zu nominieren. Als Herausforderer aber hätte Wagner deutlich besser sein müssen als der 32 Jahre alte Gomez. Beide haben im Winter den Verein gewechselt. Wagner hat für die Bayern acht Bundesligatore geschossen, Gomez acht für den VfB Stuttgart.

Nils Petersen vom SC Freiburg bringt eine andere Note in den Kader. Er ist technisch besser, auch außerhalb des Strafraums am Spiel seiner Mannschaft beteiligt – und trotzdem torgefährlich. Mit 15 Treffern für den Abstiegskandidaten Freiburg war er der beste deutsche Stürmer in der gerade zu Ende gegangenen Bundesligasaison. Petersen ist zwar schon 29 und hat noch nie für die Nationalmannschaft gespielt, aber das war bei Wagner vor einem Jahr genauso.

Zudem verfügt der Freiburger über eine Spezialbegabung. „Er ist ein sehr guter Joker“, hat Löw bei dessen Nominierung gesagt. Petersen ist sogar der beste der Bundesligageschichte. 20 Treffer sind ihm nach Einwechslungen bereits gelungen. Sandro Wagner hingegen hat schon in seiner Zeit bei Hertha BSC immer wieder erklärt, dass er kein guter Joker sei: „In fünf oder zehn Minuten Einsatzzeit komme ich einfach nicht in ein Spiel rein.“

Blöd für ihn, dass Löw explizit nach einem Joker gesucht hat.

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