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Anstoß. Ziel der Academy ist es, den Weg zu größerer Gerechtigkeit und Diversität innerhalb des Frauen- und Männerfußballs zu professionalisieren.

© foto2press/Imago

Auftakt bei der Female Football Academy in Berlin: Frauenquoten, Menstruationszyklen und Public Viewing

Die neu gegründete Female Football Academy nimmt ihre Arbeit auf. Zum Auftakt diskutierten prominente Personen des Frauenfußballs über Gleichberechtigung.

Der Deutsche Fußball-Bund steckt in der Krise und es scheint als käme er da auch nicht so schnell raus. Prominente Fußballfiguren wie die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb und die Nationaltorhüterin Almuth Schult wollen die Situation deshalb für einen Neuanfang nutzen und etwas gegen die männerzentrierten Strukturen unternehmen.

In dem Positionspapier „Fußball kann mehr“ fordern sie und weitere prominente Frauen aus dem Fußball Veränderungen, etwa die Einführungen einer verbindlichen Frauenquote, Gehaltstransparenz oder diskriminierungsfreie Sprache auf allen Ebenen. Denn Fußball „kann mehr“ ; das zeigte sich auch am Wochenende beim Kick-Off-Kongress der neu gegründeten Female Football Academy in Berlin.

Selbsterklärtes Ziel der Academy ist es, den Weg zu größerer Gerechtigkeit und Diversität innerhalb des Frauen- und Männerfußballs zu professionalisieren. Dafür sollen beispielsweise Seminar-, Trainings- und Turnierangebote geschaffen werden. Die Akademie verstehe sich als „Ort, wo Wissen gesammelt wird“, erklärt Andreas Gebhard, Mitgründer der Akademie, und außerdem sollen Angebote geschaffen werden, um Mädchen und jungen Frauen einen „Motivationsrahmen“ zu geben, sich zu professionalisieren.

„Es gibt eine massive Flut an Organisationen, die für Jungs Trainingsangebote schaffen, aber es gibt wenige Unternehmen, die sich an Mädchen richten“, sagt Chantal Hoppe, ebenfalls Mitbegründerin der Akademie. Gerade in Berlin fehlten vielen Vereinen die Tiefenstrukturen und das Verständnis dafür, dass „Frauenfußball nicht nur Geld kostet, sondern auch etwas bringt.“

Die Überlegung sei naheliegend gewesen, einen anderen Ansatz zu fahren als innerhalb eines Verbands oder Vereins erklärt Gebhard. Es bräuchte eine übergeordnete und privatwirtschaftlich organisierte Akademie, „eine Art neutralen Ort und Plattform“. Der Frauenfußball in der Gesellschaft müsse einen „Push“ erfahren, damit es selbstverständlich werde, dass Mädchen und Frauen Fußball spielten.

Eine Frauenquote würde niemandem etwas wegnehmen

Einen ersten „Push“ lieferte die digitalen Diskussionen am Freitag und Samstag, bei denen über Themen wie Frauenquote, Menstruationszyklus und Länderunterschiede gesprochen wurde. Den Auftakt bildete ein Panel zu Gleichberechtigung und Diversität. Gleich zu Anfang stellte die Fußballerin Tuğba Tekkal fest, dass ein Wandel stattgefunden habe; schließlich habe es früher kaum weibliche Vorbilder und öffentliche Aufmerksamkeit gegeben. Trotzdem sei es noch ein weiter Weg, denn: „Diskriminierung steht für viele Menschen immer noch auf der Tagesordnung.“

Tekkal sprach sich für eine Frauenquote aus. Ihrer Meinung nach bedeute eine Quote nicht, jemandem etwas wegzunehmen oder bevorteilt zu werden, sondern dass Frauen sich das nehmen, was ihnen zustehe. Sie selbst habe jahrelang vor ihren Eltern geheim halten müssen, dass sie Fußball spielte: „Deshalb ist es wichtig, dass wir neben einer Quote auch eine gewisse Kultursensibilität haben und auf unterschiedliche sozioökonomische Schichten eingehen.“

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Auch Christian Rudolph vom Lesben- und Schwulenverband betonte, dass Frauen im Fußball mehr Sichtbarkeit bräuchten: „Bei den Frauen gibt es selbst bei der WM kein Public Viewing, während bei der WM der Männer jeder Späti die Spiele überträgt.“ Dem stimmte Nina Probst von Sportfrauen zu und ergänzte, dass nicht von „Gleichberechtigung“ gesprochen werden könne, solange nicht einmal jedes Bundesliga-Spiel gestreamt würde. „Wenn die Spiele überhaupt gestreamt werden, dann häufig ohne guten Kommentator. Diese Qualität ist einer Bundesliga unwürdig.“

Nia Künzer, die bei der WM 2003 das spielentscheidende Tor für das deutsche Nationalteam erzielte, wies außerdem auf die männerdominierten Strukturen im DFB hin: „Das ist überhaupt nicht up to date und solange diese Strukturen existieren, sind wir nicht zukunftsfähig.“ Tabea Kemme, die mit Turbine Potsdam mehrere Meisterschaften und die Champions League 2010 gewann und Mitgründerin der Akademie ist, berichtete aus ihrer eigenen Erfahrung, dass die männliche Dominanz die Sichtbarkeit von Frauen massive erschwere: „Es ist traurig, dass wir über eine Quote reden müssen. Aber wir dürfen nicht den Mut verlieren.“ Dem stimmte Lisa Kalina von Equaletics zu: „Wir müssen Banden bilden, uns austauschen und Netzwerke bilden.“

Tabea Kemme ist Mitgründerin der Akademie und wurde 2016 Olympiasiegerin mit dem deutschen Nationalteam.

© imago images

Zusammenhang von Training und Menstruationszyklus

Einen ersten Versuch, Banden zu bildeten, stellten die darauffolgenden Veranstaltungen dar. Christine Lehmann vom Berliner Fußball-Verband sprach etwa über Veränderungen im Frauenfußball und Tabea Kemme hielt einen Vortrag über ihre Karriere und persönliche Erfahrungen. Außerdem wurde über Unterschiede im Frauenfußball zwischen den Ländern debattiert und zum Abschluss des zweitätigen Kongresses sprach die Sportwissenschaftlerin und Psychologin Julia Eyre über den Zusammenhang von Training und Menstruationszyklus – ein Thema, das immer noch wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Eyre zufolge gaben in einer Studie 56 Prozent der befragten Personen an, sich unwohl zu fühlen, wenn sie mit ihrem Trainerteam über die Periode sprechen. 65 Prozent waren der Meinung, dass die Menstruation negative Auswirkungen auf ihre Leistung hat.

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Diese negativen Auswirkungen könnten durch Anpassungen im Training allerdings vermieden beziehungsweise zumindest verbessert werden. So biete sich in der 1. Hälfte des Zyklus, der Follikelphase, eine geringere Intensität beim Training an, erklärt Eyre. "Das ist eine sehr gute Zeit für Ausdauertraining, aber nicht für Schnelligkeitstraining." Während der Ovulation, der Mitte des Zyklus, hingegen könnten die Spieler*innen sich schneller regenerieren und mit höherer Intensität trainieren. Kraft- und Schnelligkeitstraining seien hier sinnvoll, sagt Eyre. In der zweiten Zyklushälfte böten sich aufgrund des steigenden Verletzungsrisikos weniger komplexe Übungen an. „Viele negative Symptome können verhindert bzw. verbessert werden durch Trainingsanpassungen, Ernährung und Regeneration.“

Insgesamt schien der Kongress, an dem hunderte Menschen teilnahmen, auf Interesse und Zustimmung zu stoßen, auch beim Berliner Fußball-Verband. So sagte Christine Lehmann, Referentin für Mädchenfußball beim Verband: „Ich freue mich über die Gründung der Akademie. Unsere Schritte bisher gingen zwar in die richtiger Richtung, aber wir müssen breiter denken und lauter sein." Vielleicht gibt es dann auch irgendwann ein Berlin-Derby der Frauen.

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