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Frank Zander vor der Ostkurve des Berliner Olympiastadions.

© imago/Jan Huebner / imago/Jan Huebner

Frank Zander und der Song zum Hertha-Gefühl: Von der Strandbude auf Ibiza ins Olympiastadion

Vor 30 Jahren hat Frank Zander zum ersten Mal „Nur nach Hause geh’n wir nicht“ im Olympiastadion gesungen. Ein Buch erzählt nun die Geschichte der Stadionhymne von Hertha BSC.

Zwei Tage, nachdem er die Vision vom „Big City Club“ und den damit einhergehenden Größenwahn offiziell beerdigt hat, steht Kay Bernstein, der Präsident von Hertha BSC, da, wo der Klub sich viel lieber sieht: in einer Eckkneipe in Neukölln. Da, wo das Schultheiss in der Kugel serviert wird und die Knabbermischung in weißen Suppenschüsseln aus Plastik auf den Tischen steht. „Jetzt ist Hertha wieder zurück zu den Wurzeln“, sagt Frank Zander, den sie den Hertha-Barden nennen.

Die Tafel neben der Eingangstür des „Rosels“ in der Weserstraße verkündet, dass heute erst ab 14 Uhr geöffnet ist. Der Betrieb läuft trotzdem schon. Nur ist die Kneipe für Hertha reserviert. Oder besser für Frank Zander, der ja in gewisser Weise die Stimme des Berliner Fußball-Bundesligisten ist. Rauchig und kneipengegerbt.

Es gibt was zu feiern im Rosel: ein neues Buch und vor allem ein Jubiläum. Ziemlich genau 30 Jahre ist es her, dass Zander in der Pause des DFB-Pokal-Halbfinales auf dem Rasen des Olympiastadions stand. Am 31. März 1993 empfing Hertha BSC den Chemnitzer FC. Aber nicht die Profis des damaligen Zweitligisten hatten es ins Halbfinale geschafft, sondern dessen Amateure, die sogenannten Hertha-Bubis.

Eine Sensation war das, ein großes Spektakel. Auch deshalb hatte ein lokaler Radiosender Frank Zander für die Halbzeitshow im Stadion engagiert.

Im Rosel sind Bilder von damals auf einem Fernsehschirm zu sehen, noch im alten 4:3-Format. Cheerleader mit rotgoldenen Puscheln säumen Zanders Weg zum Mittelkreis. Er trägt die unvermeidliche Sonnenbrille, einen schwarzen Hut, einen weißen Schal um den Hals und weiße Handschuhe. Als erstes singt er „Hier kommt Kurt“. Die Reaktion der 56.524 Zuschauer in der zugigen Schüssel? „Applaus war da, aber nur ein Raunen“, erinnert sich Zander. Das ändert sich, als er den zweiten Song vorträgt.

Die Melodie ist bekannt – Sailing von Rod Stewart –, der Text ist neu: „Nur nach Hause geh‘n wir nicht“. Der Refrain ist am Ende einer lauschigen, langen und feucht-fröhlichen Nacht im Urlaub entstanden, an einer Strandbude auf Ibiza: Nur nach Hause geh’n wir nicht. Was das mit Fußball zu tun habe, fragt Zander selbst. „Null“, antwortet er. „Das ist ein Gefühl.“

Michael Jahn (l.) hat ein Buch über die Hertha-Hymne von Frank Zander (2.. v. r.) geschrieben. Bei der Vorstellung waren auch Präsident Kay Bernstein (2. v. l.) und Geschäftsführer Tom Herrich dabei.

© Stefan Hermanns

Und manchmal trifft man eben ein Gefühl, das alle teilen. „Nur nach Hause geh’n wir nicht“ ist eigentlich nur für diesen einen, für diesen besonderen Abend im DFB-Pokal gedacht. Doch es kommt anders. Die Bubis erreichen das Endspiel, und das Publikum erlebt, ohne es zu wissen, die Geburtsstunde einer neuen Hertha-Hymne. Noch heute wird „Nur nach Hause“ bei jedem Spiel im Olympiastadion gespielt, immer dann, wenn die Mannschaft vor dem Anpfiff aus den Katakomben auf den Rasen kommt.

Über all das hat der Sportjournalist Michael Jahn ein Buch geschrieben, das ab Freitag im Handel erhältlich ist und das er am Mittwoch gemeinsam mit Frank Zander im Rosel in Neukölln vorgestellt hat. Da, wo das Schultheiss in der Kugel serviert wird, wo Hertha-Trikots bis unter die Decke hängen und auch ein blau-weißer Schal mit der Aufschrift: Deutscher Meister 2009. Hätte ja beinahe geklappt damals.

Das Lied steht für Identifikation

Vor fünf Jahren, als Hertha nicht mehr Eckkneipe sein wollte, da haben sich ein paar neunmalkluge Menschen im Verein gedacht: Ach, Frank passt irgendwie nicht mehr zu unserem neuen Start-up-Image. Lass uns mal was Hippes machen! Also, haben sie beim Einlaufen „Dickes B“ von Seeed gespielt – und damit einen Aufstand der Fans ausgelöst. Beim nächsten Spiel lief wieder „Nur nach Hause…“.

„Ich bin damit groß geworden“, sagt Kay Bernstein, der Präsident, der aus der Kurve kam. „Für mich gibt es Hertha nur mit dieser Hymne. ,Nur nach Hause‘ ist elementar wichtig, weil es Identifikation bedeutet.“

Alles verändert sich: Die Investoren bei Hertha kommen und gehen. Frank Zander aber bleibt. „Ick bin stolz“, sagt der 81-Jährige. „Das ist schon was Besonderes, vor der Ostkurve zu stehen. Jedes Mal freu ich mich und habe ein leichtes Bibbern im Herzen.“

Am Ende im Rosel mit Schultheiss und Zigarettenrauch nimmt Zander seine Gitarre in den Farben Blau und Weiß zur Hand. „Freunde, was gibt es Schöneres als hier im Olympiastadion…“ – er legt eine kurze Pause ein – „… beim Spiel gegen Braunschweig ...“ Frank Zander lacht. Eintracht Braunschweig spielt in der Zweiten Liga.

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