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Sport: Fehlgriffe und Verschwörungen

Was den Umgang mit Trainern angeht, war der FC Bayern schon lange vor der kurzen Ära Louis van Gaal stilbildend. Ein Rückblick auf bayerische Trennungen

1974/1975

Gerade erst haben die Bayern die deutsche Meisterschaft und den Europapokal gewonnen, inklusive Freundschaftsspiele kommen sie auf gut 100 Saisoneinsätze, die Nationalspieler sogar noch auf ein paar mehr. Gleich sechs Münchner arbeiten im WM-Finale mit am Sieg über Johan Cruyffs Holländer. Nach ein paar Tagen Urlaub und drei Wochen Training geht es schon in der Bundesliga weiter, aber vor dem ersten Spiel müssen die hoch verschuldeten Bayern schnell noch bei einem Turnier in Bilbao Geld verdienen. Entsprechend frisch laufen sie am nächsten Tag gegen Kickers Offenbach auf. Der einzige Lichtblick beim 0:6 gegen den Aufsteiger ist ein blonder Debütant, der Kommentator im „Aktuellen Sportstudio“ stellt ihn vor als Klaus Rummenigge. Franz Beckenbauer wähnt sich als Opfer einer Verschwörung zwischen Uli Hoeneß und Trainer Udo Lattek, von dem er später sagt, dass er „bei uns nur der Kofferträger war“. Nach der Hinrunde thront der Meister auf Platz 14. Ein anschließendes Krisengespräch mit Präsident Wilhelm Neudecker schildert Lattek im Rückblick so: „Herr Neudecker, wir müssen etwas ändern.“ – „Sie haben recht. Sie sind gefeuert!“ Unter dem neuen Trainer Dettmar Cramer werden die Bayern Zehnter und gewinnen mit einem 2:0 im Pariser Finale gegen Leeds United zum zweiten Mal den Europapokal der Landesmeister.

1977/78

Im Frühling flüchtet Franz Beckenbauer vor Problemen mit dem Finanzamt und der Ehefrau nach New York. Seinen Platz in der Hierarchie übernimmt Karl-Heinz Rummenigge, der beim 1:3 im Münchner Derby gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten 1860 nach einer Tätlichkeit vom Platz fliegt. Was in den folgenden zehn Tagen geschieht, ist einmalig in der Bundesliga. Zunächst verlieren die Bayern zweimal 0:4 in Frankfurt, erst im Uefa-Cup, dann in der Bundesliga. Die Münchner stehen auf einem Abstiegsplatz und Dettmar Cramer bleibt gleich in Frankfurt, wo er fortan die Eintracht betreut. Im Gegenzug wechselt der Frankfurter Gyula Lorant nach München. Weil der Ungar ungefähr so gut Deutsch spricht wie viele Jahre nach ihm Giovanni Trapattoni, erklärt er der Mannschaft die Raumdeckung mittels Colaflaschen. Die Bayern beenden die Saison als Zwölfter, so schlecht waren sie noch nie und sind sie später nie wieder gewesen. Zum ersten Mal seit 1968 qualifizieren sie sich nicht fürs internationale Geschäft. Bei der WM in Argentinien ist der FC Bayern nur durch Sepp Maier und Rummenigge vertreten. Auch in der Nationalmannschaft ist es mit der Münchner Dominanz vorbei.

1991/92

Alles beginnt im Sommer mit einem heftigen Streit zwischen Stefan Effenberg und Trainer Jupp Heynckes, in dessen Folge der Spieler seinem Vorgesetzten vorschlägt, man könne die Angelegenheit gerne draußen vor der Tür regeln. Heynckes’ Autorität ist schwer beschädigt, und als es in der Bundesliga nicht richtig läuft, hat er auch noch das Publikum gegen sich. Nach einer 1:4-Heimniederlage gegen die Stuttgarter Kickers macht der FC Bayern, was er sonst nie macht – und was Uli Hoeneß später als großen Fehler bezeichnet. Er gibt dem Druck des Boulevards nach und trennt sich von Heynckes. Ihm folgt der 33 Jahre alte Berufsanfänger Sören Lerby, dessen Qualifikation sich auf seine erfolgreiche Karriere als Spieler bei den Bayern reduziert und darauf, dass er „ein Supertyp ist“ (Effenberg). In ihrer Ratlosigkeit holen die Bayern auch noch den früheren Nationaltorhüter Toni Schumacher, der vier Jahre älter als sein Trainer und eigentlich schon zurückgetreten ist. Im Uefa-Cup werden die Münchner mit 6:2 von BK 1903 Kopenhagen abgeschossen, und hinter dem Rücken des Trainers machen sich die Spieler über dessen dänischen Singsang lustig („Die Sören hat gesaaaagt“). Unter Lerby gewinnen die Bayern nur vier von 15 Spielen. Nach einem 0:4 in Kaiserslautern beerbt ihn Erich Ribbeck, der praktischerweise als Repräsentant beim Bayern-Sponsor Opel angestellt ist. Am Ende liegen die Münchner als Zehnter nur fünf Punkte vor einem Abstiegsplatz.

1995/96

Nach dem Missverständnis mit Giovanni Trapattoni leisten sich die Bayern gleich noch eines mit Otto Rehhagel. Sportlich läuft zunächst alles nach Plan. Der FC Bayern startet mit sieben Siegen in Folge, doch nach ersten Misserfolgen wird schnell deutlich, dass der eigenwillige Rehhagel nach 14 Jahren im beschaulichen Bremer Soziotop nicht nach München passt. Er überwirft sich mit der halben Mannschaft, sogar mit seinem einstigen Bremer Protegé Andreas Herzog und, schlimmer noch, mit Franz Beckenbauers Lieblingsspieler Mehmet Scholl. Aus der Mannschaft mehren sich die Klagen über antiquiertes Training und taktische Inkompetenz. Die Saison ist schon fast vorbei, da spricht Rehhagel in der Mannschaftssitzung vor dem Spiel gegen Hansa Rostock den verhängnisvollen Satz: „Meine Herren, passen Sie mir auf den Akpoborie auf. Sie wissen doch, die Neger wollen uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen.“ Prompt schießt der Nigerianer Jonathan Akpoborie Hansa zum 1:0-Sieg und Rehhagel in die Beurlaubung. Ein zweites Mal greift Franz Beckenbauer ein. Unter ihm gewinnt der FC Bayern zwar den Uefa-Cup, verspielt aber in der Bundesliga mit nur einem Sieg in drei Spielen die Minichance auf die Meisterschaft. Beckenbauer hat genug. Im letzten Spiel gegen Düsseldorf sitzt Klaus Augenthaler als Trainer auf der Bank.

2006/07

Zweimal hintereinander hat Felix Magath die Bayern zur Meisterschaft und zum Pokalsieg geführt, mit einem System, das vor allem auf Michael Ballack fixiert ist. Der verabschiedet sich nach Chelsea, aber Magath bleibt stur bei seiner Linie. Den aus Köln akquirierten Nationalspieler Lukas Podolski guckt er kaum an, spielen lässt er ihn auch fast nie. Die Bayern scheitern im Pokal an Aachen, aber in der Bundesliga sind sie nach der Hinrunde als Dritter noch in Reichweite der Meisterschaft. Das neue Jahr beginnt mit einem menschlichen Drama. Geplagt von Depressionen, beendet Sebastian Deisler mit 27 Jahren seine Karriere. Zwei Wochen später, nach einem 2:3 in Dortmund und einem öden 0:0 gegen Bochum, muss Magath gehen. Ottmar Hitzfeld gibt ein überraschendes Comeback, es beginnt mit einem 0:3 in Nürnberg. Hitzfeld schafft in der Champions League einen prestigeträchtigen Erfolg über Real Madrid, aber in der Meisterschaft reicht es nur zu Platz vier. In der Folge verabschiedet sich Uli Hoeneß von der Festgeldkonto-Philosophie und kauft für 36 Millionen Euro die Weltstars Franck Ribéry und Luca Toni. Ottmar Hitzfeld darf ein Jahr bleiben, bis ihm Karl-Heinz Rummenigge erklärt, dass Fußball keine Mathematik ist. Als neuen Trainer holen die Bayern den kalifornischen Projektmanager Jürgen Klinsmann. Das nächste Missverständnis.

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