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Team first. Die deutschen Basketballer überzeugten als verschworene Einheit.

© IMAGO/camera4+ / IMAGO/Tilo Wiedensohler

Fazit zur Heim-Europameisterschaft: Was bleibt nach drei Wochen Basketballparty?

Der deutsche Basketball war während der EM in Köln und Berlin im Gespräch wie lange nicht. König Fußball bleibt zwar unerreichbar, doch der DBB hofft nach Bronze auf nachhaltige Effekte.

Die deutschen Basketballer hatten ihre Bronzemedaillen gerade erst seit ein paar Minuten um den Hals hängen, als sie schon wieder in die Zukunft blicken sollten. Was bewirkt diese ebenso begeisternde wie erfolgreiche Europameisterschaft im eigenen Land für den hiesigen Basketball? Was ist mit diesem Team in den nächsten Jahren noch möglich?

Pflichtschuldig beantworteten die Spieler des DBB die Fragen, nur Johannes Voigtmann ließ erfrischend ehrlich durchblicken, dass ihm die anstehenden Feierlichkeiten in diesem Moment deutlich näher lagen als ein Blick in die Glaskugel des deutschen Sports. „Wir haben auch mit den TV-Übertragungen ein bisschen mehr Leute erreicht“, sagte der 29 Jahre alte Center. „Wie nachhaltig das ist, weiß ich nicht – das ist mir gerade aber auch egal.“

Nach einem hart erkämpften Sieg gegen Polen herrschte bei den deutschen Basketballern eine Mischung aus Partystimmung, Erleichterung und Dankbarkeit. Neun Spiele in 18 Tagen haben ihre Spuren hinterlassen, die Spieler waren mental und physisch am Limit – und belohnten sich mit der ersten Medaille für ihre Generation, die in großen Teilen schon seit vielen Jahren zusammenspielt. Als Deutschland 2005 zuletzt bei einem großen Turnier auf dem Podium stand, überstrahlte Dirk Nowitzki noch alles und jeden.

Das All-Star-Team der EM. Lorenzo Brown, Dennis Schröder, Rudy Gobert, Willy Hernangomez (v.l.). Giannis Antetokounmpo war nach dem Viertelfinalaus bereits abgereist.

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Dieses Mal war es vor allem ein Erfolg des Teams. Dennis Schröder stach zwar als Anführer hervor und wurde verdientermaßen ins All-Star-Team des Turniers gewählt, die DBB-Auswahl war aber weit von einer One-Man-Show entfernt. Jedes der zwölf Kadermitglieder spielte sich zwischenzeitlich mal in den Vordergrund, jeder erfüllte seine Rolle, leistete seinen Beitrag und gönnte den Kollegen das Scheinwerferlicht.

„Die Teamchemie war großartig und besser als die letzten Jahre“, sagte Schröder. „Egal gegen wen, ich rocke mit meinen Jungs. Sie bedeuten mir sehr viel.“ Dabei schloss der Kapitän auch seinen kurz vor der EM ausgebooteten Vorgänger Robin Benzing mit ein. Dieser habe für die Nationalmannschaft in den vergangenen 13 Jahren so viel geopfert, fast jedes Jahr den Geburtstag seiner Tochter verpasst. „Wenn er keine Medaille bekommt, gebe ich ihm meine, weil er sie verdient“, sagte Schröder.

Nach den ausgiebigen Feierlichkeiten verstreuen sich die Spieler bald in alle Winde, in den kommenden WM-Qualifikationsspielen im November wird aufgrund der engen NBA- und Euroleague-Kalender wieder eine B-Mannschaft antreten. Doch die Perspektive für die DBB-Auswahl ist glänzend. Bundestrainer Gordon Herbert hat bei seinem Amtsantritt von einem Drei-Jahres-Plan gesprochen, der bis zu Olympia 2024 in Paris reicht. Für die Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Asien ist Deutschland schon so gut wie sicher qualifiziert und nach der erfolgreichen EM gibt auch der Blick auf den großen Spielerpool Anlass für Optimismus.

Aus dem aktuellen Team ist Daniel Theis mit 30 Jahren der älteste Leistungsträger, der Kern der Mannschaft ist auch in zwei Jahren bei den Olympischen Spielen noch im besten Alter. Franz Wagner war mit seinen 21 Jahren bereits jetzt die zweite Kraft hinter Schröder und dürfte eher früher als später zum Star des DBB werden. „Franz wird das Nationalteam irgendwann übernehmen“, ist sich Kapitän Schröder sicher. „Wir haben so viel Potenzial in den nächsten Jahren.“

Franz Wagner zeigte in seiner Heimatstadt, was für ein unglaubliches Potenzial er hat.

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Mit Isaac Bonga, Moritz Wagner, Maximilian Kleber und Isaiah Hartenstein haben zudem hochkarätige Spieler gefehlt, die dem Team im kommenden Sommer noch mehr Qualität und Tiefe geben könnten. „Wenn man sich erfolgreiche Nationalmannschaften anschaut, haben sie über längere Zeit eine Identität entwickelt“, sagte Herbert. „Wir fangen gerade erst an.“

Inwieweit der offensichtliche Aufschwung des Nationalteams auch einen Effekt auf den gesamten deutschen Basketball haben wird, bleibt die große Frage. Fest steht, dass die Sportart lange nicht mehr so im Gespräch war wie in diesen knapp drei Wochen. Die Übertragungen bei RTL wurden mit fast vier Millionen Zuschauern beim Halbfinale gut angenommen, bei Magentasport schalteten bei den deutschen Spielen jeweils mehr als eine Millionen Menschen ein.

Die Hallen in Köln und Berlin waren bei den Auftritten der Gastgeber fast immer voll, die Stimmung teilweise fantastisch. Dass am Finaltag gut 1000 Sitze frei blieben, hatte eher mit den hohen Ticketpreisen des Weltverbandes Fiba zu tun als mit Desinteresse. „Diese EM ist das Event mit den meistverkauften Tickets in der EM-Geschichte“, sagte Fiba-Europe-Präsident Turgay Demirel am Sonntag.

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Im deutschen Basketball ist in den vergangenen Jahren bereits viel passiert. Vereine wie Alba Berlin investieren viel Geld und Arbeit in den Nachwuchs und setzten auch bei den Profis auf einen Kern deutscher Spieler. Daher ist es sicher kein Zufall, dass mit Wagner, Maodo Lo, Niels Giffey und Johannes Thiemann vier Bronzemedaillengewinner bei Alba ausgebildet wurden oder sich hier als Profis enorm entwickelt haben.

Strukturell besteht zwar noch eine riesige Lücke zum neuen Europameister Spanien. Doch auch in diesem Bereich gab es wichtige Reformen, vor allem die Professionalisierung des Nachwuchsleistungsbereichs mit der Einführung der NBBL und die seit 2012 geltende BBL-Regel, dass im Zwölferkader mindestens sechs Deutsche stehen müssen. Dass die Nationalmannschaft momentan sowohl in der Breite als auch in der Spitze so gut aufgestellt ist, ist auch untrennbar mit diesen Fortschritten verbunden. „Bronze ist auch eine Belohnung für das Wachstum des deutschen Basketballs“, sagte Lo.

Beim DBB haben sie nun natürlich die Hoffnung, dass der Erfolg bei der Heim-EM einen weiteren Schub auslöst. „In Deutschland gibt es eine Regel: Nummer eins, Fußball. Nummer zwei, Fußball. Nummer drei, Fußball. Nummer vier, Fußball“ sagte DBB-Präsident Ingo Weiss am Sonntag. „Aber dieses Event ist sehr gut gelaufen. In diesem Moment sind wir in einer besseren Position als vor vier Wochen.“ Oder wie es Schröder ausdrückte: „Wir haben den deutschen Basketball sexyer gemacht.“

Wie nachhaltig dieser Effekt ist, muss sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Finden mehr Kinder den Weg in einen Verein, gehen die Zuschauerzahlen in der BBL hoch, findet sich für die kommenden großen Turniere ein TV-Sender, der die deutschen Spiele von Beginn an überträgt und nicht erst bei Erfolg einspringt?

„Das kann nicht unsere Hauptaufgabe sein“, sagte Voigtmann, bevor er endlich zum Feiern in die Kabine durfte. „Wir haben die beste Version dieses Spiels gezeigt, mit viel Emotionen, mit viel Energie, mit vielen Aufs und Abs. Basketball ist ein wunderschöner Sport – und wenn das jetzt ein paar mehr Leute wissen, finde ich das schön.“

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