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Beim Laufen - so hat es unser Kolumnist erfahren - bekommt man auch Trost gespendet.

© Foto: Arno Burgi dpa/lbn

Kolumne: So läuft es: Es muss einfach weiterlaufen

Unser Autor hat seinen vierbeinigen Laufpartner verloren. Jetzt bekommt er von allen Seiten Trost - und ist dankbar dafür.

Noch immer begegne ich Dantes Freunden und ihren Besitzern. All denen, die noch nicht wissen, dass es ihn nicht mehr gibt. Dante hatte einen besten Freund, den Hovawart Giro. Immer wenn sich die beiden sahen, bebte der Wald. Immer wenn ich wagte, alleine ohne Dante zu laufen und Giro traf, suchte er Dante. Winselte, weil er gar nicht fassen konnte, dass sein Dante nicht doch noch um die Ecke bog. Er beruhigte sich meist schnell, denn er wusste ja: Beim nächsten Mal würde er seinen Freund wieder begrüßen können.

Gestern, als ich Giro und seiner Besitzerin begegnete, war es anders. Denn ich wusste, dass der Wald nie wieder beben würde. Und da steht man dann da als erwachsener Mann, weinend im Wald. Und umarmt Hundebesitzerinnen, die ebenfalls weinen. So wie Andrea, Frauchen von Bascha, eine Ridgeback Hündin, die sehr in Dante verliebt war. „Ich hatte gehofft, dass es noch ein paar Tage dauert, bis ich dich wieder treffe. Ich bin extra früher mit Bascha gegangen“, sagt Andrea leise. Und wischt sich die Tränen von der Wange.

So geht es nun seit Tagen. Dante fehlt. Und so wird es wohl noch lange sein. Er fehlt überall. Ich habe mich in der letzten Woche oft gefragt: Ist das okay? Als erwachsener Mann mitten auf der Laufstrecke zu weinen? Zuzulassen, dass man von doch recht fremden Menschen umarmt wird?

Ich habe erfahren, dass es möglich ist, Schmerz zu teilen

Ich habe eine klare Antwort gefunden: Es ist nicht nur okay. Es ist ein großes Geschenk, wenn man es tut. Wenn man es zulassen kann, wenn man einfach füreinander da sein kann. Ich habe erfahren, dass es möglich ist, Schmerz zu teilen. Einfach so. Ohne viel Worte. Und ich habe gelernt, dass gerade das unendlich wichtig ist.

Denn eines ist klar: Es muss weiterlaufen. Ich muss weiterlaufen. Und ich gebe es gerne zu: Ich hatte keine Kraft mehr dazu. Und ja, ich hatte mir kurz überlegt, ob es überhaupt noch Sinn macht zu laufen. Sicher ist jedoch: Dante hätte mir nie verziehen, wenn ich das Laufen an den Nagel gehängt hätte. Das hätte er niemals akzeptiert. Jeder Läufer ist irgendwann einmal an einem solchen Punkt, da will einfach nichts mehr gehen. Da ist die Motivation weg, oder die Lust. Vielleicht fehlt auch einfach die Kraft, eventuell quält eine Verletzung. Dantes Tod hat mich etwas gelehrt: Wer nicht weiß, wie es weiterlaufen soll und ob, muss den Schmerz zulassen, ihn mit anderen teilen, sich auffangen lassen. Wer selbst nicht die Kraft hat, bekommt Kraft von anderen. Wenn man es ihnen zeigt.

An dieser Stelle ein persönliches Wort an alle, die mir nach der letzten Kolumne geschrieben haben. Jede einzelne geschriebene Träne, jede Form der Anteilnahme ist angekommen, und hat mein Herz tief berührt. Und jede einzelne Nachricht hat mir Kraft gegeben, damit es weiterlaufen kann. So läuft es. Danke, von Herzen.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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