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Weg das Ding. Christopher Lenz (links) klärt vor Wolfsburgs Stürmer Wout Weghorst.

© Pool via REUTERS/John Macdougall

Erst zwei Niederlagen für den 1. FC Union: Erwachsen und schwer zu schlagen

Gegen Wolfsburg war der 1. FC Union phasenweise weit vom Limit entfernt, doch die Berliner zeigen, dass sie auch mit Rückschlägen umgehen können.

Vor zwei Jahren stand beim 1. FC Union ein Wort auf dem Index. Vom „Aufstieg“ wollte niemand explizit sprechen und wenn – wie Torwart Rafal Gikiewicz – doch mal jemand ausscherte, war er für die Medien wochenlang nicht mehr zu sprechen. In dieser Saison lässt sich Ähnliches beim Thema „Europapokal“ beobachten, wobei bisher alle Berliner auf Vereinslinie sind und die entsprechenden Fragen mehr oder weniger elegant umschiffen. „Stellen Sie mir nicht immer die Frage, dann sind wir das Thema los“, konterte Trainer Urs Fischer die Frage eines Journalisten, ob die Europa-Diskussionen den Klub nun den Rest der Saison begleiten würden.

Es vergeht momentan keine Pressekonferenz und keine Medienrunde ohne den Versuch, doch eine kleine Kurskorrektur, eine vorsichtige Kampfansage aus den Protagonisten herauszukitzeln. Ist schließlich auch eine Geschichte mit Potenzial. Der kleine 1. FC Union, der die Großen besiegt und nächste Saison sensationell durch Europa tingelt.

19 Spieltage vor dem Saisonende ist eine weitere Parallele zur Aufstiegssaison aber deutlich greifbarer: Auch in Spielen, in denen Union nicht die beste Leistung bringt und Chancen auslässt, ist die Mannschaft kaum zu bezwingen. In Fischers erster Spielzeit 2018/19 beendeten die Berliner die Hinrunde ungeschlagen. Sie spielten nur selten spektakulär, retteten sich oft in letzter Sekunde und spielten zehn Mal unentschieden, aber sie verloren einfach nicht.

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In diese Saison ist Union zwar mit einer Heimniederlage gegen Augsburg gestartet, danach kam aber nur eine weitere dazu. Das unnötige 1:3 im Derby bei Hertha BSC nach langer Unterzahl. Die Köpenicker haben in der Liga bisher erst zwei Spiele verloren, das ist gemeinsam mit Bayern, Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg und Frankfurt Bundesliga-Spitze. Zum Vergleich: Champions-League-Achtelfinalist Borussia Dortmund kassierte bereits fünf Niederlagen, eine davon kurz vor Weihnachten bei Union. „Wir machen eine gewisse Entwicklung, aber wir profitieren immer noch von Situationen, die für uns laufen müssen“, sagte Fischer.

Das 2:2 gegen den VfL Wolfsburg am Samstag zeigte in 90 Minuten, warum Union so schwer zu schlagen ist, machte aber auch deutlich, dass die Mannschaft trotz der starken Leistungen der vergangenen Wochen keine Spitzenmannschaft ist. Dafür fehlte die Konstanz und in der zweiten Halbzeit auch die Abgezockheit. „Ich freue mich über den Punkt, es ist wieder einer mehr auf dem Konto, auch wenn vielleicht mehr möglich gewesen wäre“, sagte Fischer.

„Ich denke, dass sie länger in diesen Regionen bleiben können“

Nachdem Sheraldo Becker früh das 1:0 verpasst hatte, verloren die Berliner den Zugriff und in einigen Situationen auch die Konzentration. Dass bei all den langen Spielern auf dem Platz der 1,70 Meter kleine Renato Steffen nach einer Ecke ziemlich frei einköpfen konnte, ist nur schwer zu erklären. Es war nach den vielen frühen Toren in den vergangenen Wochen ein unglücklicher Start ins Spiel. „Du hast die Großchance, dann sehen wir schlecht aus und Wolfsburg geht in Führung, das könnte auch einen Knacks geben, aber genau das Gegenteil war der Fall“, sagte Fischer. „Die Reaktion fand ich sehr gut, sehr erwachsen.“

Nach der Roten Karte für Wolfsburgs Maximilian Arnold und dem 2:1 durch einen wunderschönen Freistoß von Robert Andrich kurz nach der Halbzeit hatte Union alle Trümpfe in der Hand, verschenkte aber zwei Punkte. „Frustration hört sich immer so schlimm an, aber ein bisschen Enttäuschung ist auf jeden Fall da“, sagte Andrich. „Natürlich stellt man sich das nach einer Roten Karte und der Führung ganz anders vor.“

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Fischer bemängelte in dieser Phase die fehlende Geduld und Aktivität seiner Mannschaft. Anstatt das Spiel zu kontrollieren und auf das dritte Tor zu spielen, zog sich Union zurück. „Wir haben Wolfsburg eingeladen, den Ausgleich zu erzielen“, sagte Fischer. Mehr als über den unglücklichen Handelfmeter, der zum 2:2 führte, ärgerte sich Fischer über die Versäumnisse seiner Mannschaft. Sie habe es in dieser Phase verpasst, das Spiel breit zu machen, Wolfsburg mit Verlagerungen laufen zu lassen und geduldig zu bleiben. Bei allen positiven Entwicklungen in dieser Saison bleibt also immer noch genug Luft nach oben.

Den Respekt der Konkurrenz hat sich Union aber auch so schon erarbeitet. Fast jede Woche gibt es Lob vom gegnerischen Trainer, so auch von Oliver Glasner. „Union zeigt sehr konstante Leistungen und hat eine richtig gute Spielanlage“, sagte der VfL-Trainer. „Ich denke, dass sie länger in diesen Regionen bleiben können.“ Für seinen Trainerkollegen würde das bedeuten, dass die Fragen nach Europa sicher nicht weniger werden. Aber solange Union so schwer zu schlagen bleibt, wird Urs Fischer damit leben können.

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