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Kroatiens Torwart Danijel Subasic.

© dpa/Christian Charisius

Erinnerung an einen Freund: Kroatiens Torwart Subasic begleitet der Schmerz

Vor zehn Jahren spielte Kroatiens Danijel Subasic einen Ball, der einen Freund das Leben kostete. Die Erinnerung daran lässt ihn nicht los.

Wenn Danijel Subasic heute im Finale der Weltmeisterschaft gegen Frankreich den Platz betritt, wird es zehn Jahre, drei Monate und 16 Tage her sein. Zehn Jahre, drei Monate und 16 Tage des Schmerzes, des Leids, der Vorwürfe. Am 29. März 2008 spielt Subasic mit seinem damaligen Verein NK Zadar, dem Klub aus seiner kroatischen Heimatstadt, gegen Cibalia Vinkovci in der ersten kroatischen Liga. Auch sein bester Freund aus Kindertagen, Hrvoje Custic, steht in der Startformation.

Beim Stand von 0:0, noch ganz zu Beginn des Spiels, schlägt Subasic weit ab, Richtung linke Seitenauslinie. Der schlecht platzierte Abschlag kommt im Niemandsland des Feldes runter. Custic geht ins Laufduell mit seinem Gegenspieler, um den Ball noch zu erreichen, bevor er die Auslinie überquert. Es kommt zum Zweikampf, Custic geht zu Boden, rutscht ins Aus – und knallt mit dem Kopf ungebremst in die Betonmauer, die das Spielfeld von den Tribünen trennt. Er bleibt auf dem Rasen liegen, die Beine zucken unkontrolliert, während seine Mitspieler zu ihm rennen. Custic wird nie wieder aufstehen.

Custic’ Tod lässt Subasic bis heute nicht los

Beim Aufprall des Kopfes auf die Mauer zieht er sich schwere Hirnblutungen zu. Er wird direkt vom Feld ins Krankenhaus gebracht, am nächsten Abend operiert und in ein künstliches Koma versetzt. Ohne Erfolg. Am 3. April um 11.51 Uhr verstirbt Custic an den Folgen seiner Verletzungen. Und der Schmerz für Danijel Subasic beginnt.

Custic’ Tod lässt ihn bis heute nicht los. Dabei hatte er nur einen Ball gespielt, ihn traf keine Schuld. Wer konnte schon wissen, dass der Tod hinter der Seitenauslinie eines Fußballplatzes lauert. Worte wie diese hat er schon tausendmal gehört. Liebe Worte, nett gemeint. Doch die Vorwürfe machte Subasic sich trotzdem: „Ich fragte mich, warum ich diesen Ball gespielt hatte. Ich sagte mir, dass er noch leben würde, hätte ich es nicht getan.“

Seit dem Tod seines Freundes trägt er ihn immer bei sich. Bei jedem Spiel, als Foto auf einem T-Shirt unter dem Trikot. Custic begleitete ihn von NK Zadar zu Hajduk Split, wohin er nach der schicksalhaften Saison wechselte. Er nahm ihn mit nach Monaco, wo er 2012 anheuerte und Stammtorhüter wurde. Im Champions-League-Halbfinale 2017 war Custic auf diese Art dabei, ebenso bei der Meisterschaft der Monegassen im selben Jahr.

Erst im Alter von 25 Jahren debütierte Subasic in der Nationalmannschaft

Auch bei der WM in Russland trägt Subasic den Freund an seinem Herzen. Nach dem gewonnen Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Dänemark, als Subasic drei Elfmeter gehalten hatte, zog er sein Trikot hoch, zeigte das Shirt der ganzen Welt. „Forever“ stand unter dem Bild des toten Freundes, für immer. Von der Fifa bekam Subasic eine Verwarnung, wegen des Präsentierens einer „privaten Botschaft“.

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Auf einer Pressekonferenz vier Tage nach dem Spiel sprach ihn ein Reporter auf Custic an. „Du kennst die Geschichte. Ich glaube nicht, dass es nötig ist, darüber zu reden“, setzte Subasic an, bevor ihn die Tränen überwältigten. Als er wieder konnte, entschuldigte er sich für „diese verdammten Tränen und verfluchten Emotionen“. Nach dem Viertelfinale gegen Russland, durch das er sich mit einer Oberschenkelverletzung kämpfte und wo er trotzdem im Elfmeterschießen den ersten Schuss hielt, wollte er wieder das T-Shirt zeigen. Iva Oliveri, eine kroatische Betreuerin, hielt ihn zurück. Die Strafe der Fifa wäre vermutlich teuer geworden.

Erst im Alter von 25 Jahren debütierte Subasic in der Nationalmannschaft, nach der WM 2014 und dem Rücktritt von Stipe Pletikosa wurde er zur Nummer eins. Jetzt steht er mit der kroatischen Nationalmannschaft im Finale. Hrvoje Custic, selbst früher Jugendnationalspieler Kroatiens, wird ebenfalls dabei sein. Auf dem T-Shirt unter Subasic’ Trikot – und in seinem Kopf. Zehn Jahre, drei Monate und 16 Tage nach dem schrecklichen Tag in Zadar.

„An diesem Tag haben wir uns zum letzten Mal überhaupt gesehen“, zitiert die Website „Kronat“ Subasic. „Wir haben gelacht, sind auf das Spielfeld gelaufen und spielten das, was wir am meisten liebten und das für unser Zadar. Es waren für mich lange und schmerzhafte zehn Jahre, aber die Erinnerungen an ihn werde ich nie vergessen. Für immer werde ich an ihn denken und von ihm träumen.“ Auch im Finale.

Tobias Finger

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