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Abpfiff im Kwandong-Hockey-Zentrum von Gangneung. Und ein neues Miracle On Ice ist geschrieben.

© Patrick Semansky/dpa

Eishockey: Deutschland schafft das große Wunder

Im Olympia-Halbfinale schlägt Deutschland die Eishockeymacht Kanada mit 4:3. Es ist ein Märchen, das noch nicht zu Ende erzählt ist.

Silber ist sicher. Gold ist gut möglich. Bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Für die deutsche Mannschaft. Nicht im Biathlon. Nicht in der Nordischen Kombination, sondern - im Eishockey. Denn in dieser Sportart hat die Nationalmannschaft am Freitag den größten Erfolg ihrer Geschichte hingelegt. Im Viertelfinale hatten die Deutschen schon Weltmeister Schweden geschlagen und nun, im Halbfinale im Gangneung Hockey Center, gab es einen 4:3-Sieg (2:0, 2:1, 0:2) gegen Olympiasieger Kanada. Am Sonntag (5.10 Uhr, MEZ) steht Deutschland damit im Finale gegen die Olympischen Athleten aus Russland - und es geht um Gold.

Was sollten sie dazu sagen, zu so einer Sensation, deren Dimension kaum fassbar ist? Sie hatten das Spiel gegen die kanadische Auswahl völlig verdient gewonnen und doch sich selbst überrascht, die deutschen Spieler. Der wieder einmal starke Torwart Danny aus den Birken sagte: „Das muss ich erst einmal realisieren, wir haben eine Medaille sicher.“ Sein Münchner Teamkollege Frank Mauer fand alles „unwirklich“. Denn „wir wollten hier bei Olympia nur Spaß haben und gutes Eishockey spielen“. Beides ist der Mannschaft gelungen.

Geschickt gekontert

Der Freitag war eine Wegmarke im deutschen Eishockey, der größte internationale Erfolg einer Mannschaft aus diesem Land in dieser Sportart. Zweimal Bronze hatte es in der olympischen Geschichte für Deutschland gegeben. 1932, in der Steinzeit des Eishockeys, bei nur drei Gegnern und 1976 in Innsbruck, glücklich in einem Turnier ohne die Eishockeymacht Schweden. Diese Erfolge sind klar übertroffen worden. Mit mindestens Silber in einem gut besetzten Turnier auch ohne aktuelle Profis aus der amerikanischen National Hockey-League (NHL) - aber mit vielen ehemaligen NHL-Profis. Im kanadischen Team am Freitag standen fast nur Spieler, die schon in der besten Eishockey-Liga der Welt gespielt haben.

Für die Eishockeynation Kanada begann der größtmögliche sportlich Albtraum schon im ersten Drittel, als die deutsche Mannschaft durch den in Kanada geborenen Brooks Macek in Führung ging. Das Spiel hatten die Deutschen bis dahin so clever gestaltet wie beim 4:3-Sieg gegen die Schweden. Im eigenen Drittel stimmte die Zuordnung, der Gegner kam vor Torwart aus den Birken fast nie zum Nachschuss. Deutschland konterte im zweiten Drittel geschickt. 2:0 Matthias Plachta, 3:0 Frank Mauer.

Kanada war im falschen Film, daran änderte auch der Anschlusstreffer von Gilbert Brule in Überzahl nichts; Patrick Hager traf im deutschen Powerplay kurze Zeit später zum 4:1. Nach einem brutalen Foul gegen den Mannheimer David Wolf musste Brule für den Rest des Spiels vom Eis. Es wurde aber noch spannend. Die Kanadier rannten im letzten Drittel an und kamen noch zu zwei Toren. Aber nicht zu mehr, sie spielen nun am Sonnabend um Bronze gegen Tschechien.

Mangelnde Außenwirkung

Natürlich ist es ein deutsches Eishockeymärchen. Denn wie oft, gefühlt eigentlich fast immer, haben die Deutschen bei großen Turnieren enttäuscht oder sind im wichtigen Moment tragisch oder unbeholfen tragisch gescheitert. Deutschland war ein Eishockeyzwerg. Die schwedische Zeitung „Aftonbladet“ hat nach dem 3:4 von Schwedens Mannschaft gegen das DEB-Team im Viertelfinale ihre Leser gefragt, ob das Ausscheiden gegen die Deutschen die größte Katastrophe für das schwedische Eishockey überhaupt gewesen sei. Es ging bei den Wählern als zweitgrößtes Desaster ins Ziel. Ein Kommentator konnte sich eine Stichelei trotzdem nicht verkneifen: „Ich wusste gar nicht, dass die überhaupt Eishockey spielen in Deutschland.“

Doch sie spielen Eishockey, seit Jahren vor vielen Zuschauern in der Deutschen Eishockey-Liga. Es kommen sogar zuverlässig mehr Besucher in die Hallen als etwa zum Handball oder Basketball. Nur ist das Bild nach außen hin nicht gut. Da steht das Nationalteam weit im Schatten etwa der Handballer. Selbst die Weltmeisterschaft im vergangenen Frühjahr, die für Deutschland mit einem achtbaren 1:2 im Viertelfinale gegen Kanada endete, hat die Menschen im Lande abseits des Spielorts Köln eher wenig interessiert.

Seit Freitag ist alles anders. Bundestrainer Marco Sturm, selten aus der Fassung zu bringen, wirkte nach dem Spiel den Tränen nah. Vorher hatte er noch gesagt: „Kanada ist besser besetzt als wir, aber wir haben das größere Herz." Und mit ihrem Eishockey haben die deutschen Spieler sicher viele Herzen im Lande gewonnen. Torschütze Frank Mauer sagte: „Wir werden morgen aufwachen und fragen, was gestern passiert ist.“ Dann können sich die deutschen Spieler einmal kurz kneifen. Bevor es dann schon um Gold geht.

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