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Schluss, aus, vorbei. Nach anderthalb Jahrzehnten räumt Hagen Stamm den Posten als Bundestrainer der Wasserballer. Sein letztes sportliches Ziel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio, verpasste der Berliner.

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Wasserball-Bundestrainer Hagen Stamm: Eine Legende tritt ab – diesmal endgültig

Hagen Stamms Ära als Wasserball-Bundestrainer endet enttäuschend. Die Probleme im Vorfeld waren beim Qualifikationsturnier für Olympia nicht zu kompensieren.

Hagen Stamm stand der Sinn nach frischer Luft. Also verließ der Wasserball-Bundestrainer das Zwemcentrum in Rotterdam, in dem seine Mannschaft in der Olympia-Qualifikation 8:22 gegen Kroatien verloren hatte, und ging zu Fuß los. Ziel war am späten Donnerstagabend das fünf Kilometer entfernte Teamhotel. „Es war gut, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Ich brauchte mal etwas Zeit, um alles Revue passieren zu lassen.“

Der Olympia-Traum der Wasserballer war bereits am Mittwoch geplatzt, nun endete in den Straßen der niederländischen Hafenstadt eine Ära. Schon in der Gruppenphase, nach fünf Niederlagen in fünf Spielen, lange bevor der Kampf um die drei offenen Tickets für Tokio in die entscheidende Phase geht – Hagen Stamm hört als Bundestrainer auf.

Er gewann als Spieler unter anderem Olympia- und WM-Bronze, wurde zweimal Europameister und auch Europapokalsieger mit den Wasserfreunden. Er war, auf zwei Amtszeiten verteilt, über anderthalb Jahrzehnte Bundestrainer. Seinen Abschied hatte der 60-Jährige bereits vor langer Zeit angekündigt. „Diesmal ist die Entscheidung endgültig“, sagte Stamm jetzt noch einmal. Eine Wiederholung der Geschichte von 2016 wird es nicht geben. Damals, nachdem die Mannschaft die Spiele in Rio verpasst hatte, war er eingesprungen.

Olympia in Tokio lautete sein letztes sportliches Ziel. Für ihn wäre es die sechste Teilnahme gewesen, dreimal war er als Aktiver dabei. Nur zwei seiner Spieler waren schon einmal bei Olympia. „Für die Jungs tut es mir am meisten leid. Sie haben alles probiert. In der Verantwortung steht der Trainer“, sagt Stamm.

Eigentlich war das Turnier für März 2020 geplant gewesen. Kurz vorher kam dann die Absage wegen der Coronavirus-Pandemie. Fast zehn Monate gab es keine gemeinsamen Lehrgänge. Die unterbrochene Bundesligasaison konnte im Spätsommer zu Ende gebracht werden, doch der Beginn der neuen Spielzeit wurde im Oktober um Monate verschoben. Am 13. März soll es mit dem Supercup zwischen Waspo Hannover und Spandau 04 losgehen.

In vielen Ländern lief der Spielbetrieb trotz der Pandemie – in Deutschland nicht

„Die Voraussetzungen für die Mannschaften waren total unterschiedlich“, sagt Stamm über die Veranstaltung in Rotterdam. In vielen Ländern lief der Spielbetrieb trotz der Pandemie, auch die Nationalteams trainierten häufig weiter. Für das deutsche Team war dies ein großer Nachteil. Stamm betonte jedoch stets, dass er voll hinter der Entscheidung stehe, die Bundesliga coronabedingt pausieren zu lassen.

Auch in der Vorbereitung auf die Olympia-Qualifikation taten sich viele Probleme auf: von großen personellen Schwierigkeiten über eine geschlossene Halle wegen des Wintereinbruchs bis zum Verzicht auf die Teilnahme an einem Turnier in Montenegro aus Vorsichtsgründen. Im Rahmen der Möglichkeiten sei es trotzdem eine gute Vorbereitung gewesen, hieß es von allen Seiten. Stamm versuchte, auch nach außen Optimismus zu verbreiten. Aber den Beteiligten war bewusst, dass es eine fast unmögliche Aufgabe werden würde, einen der ersten drei Plätze zu belegen.

Im Vorfeld blieb vor allem die Hoffnung, mit einem guten Start Selbstvertrauen zu bekommen und Defizite wie fehlende Spielpraxis auszugleichen. „Und dann schwimmen wir in den ersten beiden Spielen gleich richtig hinterher“, sagt Stamm. Gegen die Niederlande und Frankreich lag Deutschland hoch zurück, steigerte sich zwar, verlor aber beide Partien mit einem Tor Unterschied. Die Verunsicherung wuchs. Es folgten drei deutliche Niederlagen. Stamm beschreibt es so: „Einer macht einen Fehler, dann macht der nächste einen Fehler. Die Zweifel wachsen immer mehr.“

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Am Freitag standen in Rotterdam die Viertelfinals auf dem Programm, für das deutsche Team hieß es stattdessen um 8.30 Uhr: Abreise mit dem Bus gen Heimat. Mit Zwischenstopps in mehreren Städten, bei denen jeweils einige Spieler ausstiegen. Die letzte Station war die Schwimmhalle Schöneberg.

Am Donnerstagabend mit dem Spiel gegen Kroatien schloss sich für Stamm ein Kreis. Bei seinem erstem Spiel als Trainer im Jahr 2000 gab es ebenfalls eine Niederlage gegen Kroatien – gegen die Junioren. „Damals war sogar deren Nachwuchs besser als wir.“ Seit er das Amt vor drei Jahren wieder übernommen hatte, ging es meist aufwärts. Etwa mit Platz vier beim World Cup in Berlin 2018 und vor allem mit Rang acht bei der WM 2019 in Gwangju (Südkorea). So ernüchternd der Trip nach Rotterdam auch war, insgesamt fällt Stamms Fazit positiv aus. „Diese Mannschaft ist es wert, dass weiter in sie investiert wird“, sagt der Trainer mit Blick auf die nicht üppigen Fördergelder für die Wasserballer.

Stamms Vertrag als Bundestrainer läuft bis zum 31. August, bis kurz nach den Olympischen Spielen. Doch für die Nationalmannschaft gibt es bis dahin keine Verpflichtungen mehr, die nächsten Länderspiele stehen erst im Oktober an. „Nun kann in aller Ruhe ein neuer Trainer gesucht werden“, sagt Stamm. Ob und inwiefern er involviert sein wird, ist offen: „Generell stehe ich natürlich weiterhin gern beratend zur Seite, wenn ich gefragt werde.“ Dem Wasserball bleibt er ohnehin erhalten, als Präsident von Spandau 04. Zudem hat er jetzt mehr Zeit für sein Fahrrad-Unternehmen und die Familie.

Und durch die unerwartet frühe Rückkehr aus den Niederlanden kann Stamm mit seinem Schwiegervater – wegen der aktuellen Situation „in gebührendem Abstand“ – auf dessen 90. Geburtstag anstoßen. „Die ganze Geschichte hat daher immerhin doch noch etwas Positives.“ Am Wochenende will Stamm außerdem das sonnige Frühlingswetter in der Stadt genießen. Da kann er erneut viel frische Luft tanken.

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