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Das kann doch wohl nicht wahr sein. Für Ishak Belfodil, Stevan Jovetic und Hertha BSC setzte es in Freiburg trotz guter Ansätze die nächste Niederlage.

© imago images/Langer

Dem Team fehlt im Abstiegskampf die Konstanz: Ein Stück weit reicht es nicht bei Hertha BSC

Phasenweise macht es Hertha BSC ganz gut, selbst gegen bessere Gegner, aber irgendwas fehlt immer. Deshalb ist die Lage im Abstiegskampf weiterhin kritisch.

Wer eine Person des öffentlichen Lebens über längere Zeit verfolgt, der wird irgendwann auch ein Gehör entwickeln, für welche sprachliche Wendung diese Person eine besondere Vorliebe besitzt. Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel, der frühere Vorstandschef von Bayern München, war berüchtigt für sein „Am Ende des Tages“. Max Eberl, der ehemalige Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, hat in schöner Regelmäßigkeit „Am langen Ende“ gesagt.

Und auch Tayfun Korkut pflegt seine sprachliche Marotte. Dem Trainer von Hertha BSC rutscht immer wieder die Wendung „Ein Stück weit“ in den mündlichen Vortrag.

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Selten hat eine Floskel besser zur allgemeinen Situation gepasst als in diesem Fall. Was in den Spielen von Hertha passiert, ist mit „ein Stück weit“ nahezu perfekt beschrieben. Ein Stück weit sieht das ganz gut aus, was Korkuts Spieler auf den Platz bringen. Ein Stück weit kann Hertha mithalten, selbst gegen deutlich besser platzierte Mannschaften wie vor einer Woche Leipzig oder am Samstag Freiburg. „In Phasen haben wir es richtig gut gemacht“, sagte Herthas Trainer nach der 0:3-Niederlage beim Sportclub, „aber letztendlich haben wir den Moment nicht genutzt, um das Spiel komplett zu drehen.“

Voll und ganz bekommen es die Berliner am langen Ende eben nicht hin – weil sie vorne ihre Chancen kläglich vergeben und hinten dilettieren wie in Freiburg vor den beiden letzten Gegentoren. So stand dort am Ende des Tages die nächste Niederlage; die dritte hintereinander und die sechste im achten Pflichtspiel des Jahres 2022. Obwohl sich ein Europapokalanwärter und ein Abstiegskandidat gegenübergestanden hatten, hatte Korkut nach der Pause „ein Spiel auf Augenhöhe“ gesehen, „da kann keiner sagen, dass da eine leblose Mannschaft auf dem Platz steht“.

Ein Trainer, der mit seinem Team im Abstiegskampf steckt, der mit der besonderen nervlichen Belastung konfrontiert ist und auch die Psyche nicht außer Acht lassen darf, ein solcher Trainer neigt manchmal dazu, die Dinge besser zu reden, als sie tatsächlich sind. Gegen diese Versuchung sind sie auch bei Hertha in dieser Saison nicht völlig gefeit gewesen, und trotzdem hatte Korkut mit seiner Sicht auf das Spiel in Freiburg recht. Nur: Was nützt das, wenn am Ende ein 0:3 auf der Anzeigetafel aufleuchtet? „Das Ergebnis steht über allem“, sagte Herthas Trainer.

Hertha BSC trifft auf viele Widerstände

Im Skispringen entscheidet nicht die Weite allein, auch die Haltung und die Windrichtung fließen in das Ergebnis ein. Im Fußball gibt es das nicht.

Hertha kann bei der Bewertung des Spiels in Freiburg nicht in Anrechnung bringen, dass wieder einmal ein ganzer Haufen Spieler krank oder verletzt fehlte. Auch für seltsame Schiedsrichterentscheidungen wie den mutmaßlich vorentscheidenden Foulelfmeter zum 1:0 gibt es keine Bonuspunkte für die Tabelle. „Wenn man unten steckt, dann passieren solche Sachen“, sagte Korkut. „Das ist auch die Realität. Aber deshalb müssen wir nicht anfangen, an uns zu zweifeln.“

In Wirklichkeit sind die Zweifel längst da. Vielleicht nicht bei Korkut, nicht beim Sportchef Fredi Bobic und vielleicht auch noch nicht bei den Spielern. Das sogenannte Umfeld aber verliert immer mehr den Glauben daran, dass sich alles noch zum Guten wendet. Es verliert auch den Glauben an Korkut, der im November Pal Dardai als Trainer abgelöst hat. Ausreichend Meter hat die Mannschaft seitdem nicht gemacht. In elf Spielen unter Korkut holte Hertha neun Punkte.

Trotzdem wehrt sich Fredi Bobic mit Macht gegen den Eindruck, dass der Trainer schon bald zur Disposition stehen könnte. „Er ist ein hervorragender Fußballlehrer“, sagte er am Sonntag beim Besuch des Sport1-Doppelpasses über Korkut. „Der Glaube an ihn ist groß.“

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Korkut erreiche die Mannschaft weiterhin, das sehe er jeden Tag, berichtete Herthas Geschäftsführer. „Auf Aktionismus habe ich überhaupt keinen Bock, das ist mir zu einfach.“ Aber auch Bobic weiß natürlich, dass gute Haltungsnoten nicht mehr reichen, wenn dauerhaft die Weite fehlt. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst“, sagte Korkut. „Es wäre fahrlässig, nicht auf die Tabelle zu schauen. Die Tabelle zeigt, dass wir Arbeit haben.“

Nicht panisch werden, sondern konkret an den Dingen arbeiten – das ist Korkuts Herangehensweise. Er hat die berechtigte Hoffnung, dass sich die extreme Personalsituation schon bis zum Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag deutlich entspannt.

Stückwerk reicht fortan nicht mehr. „Es geht jetzt darum, unheimlich hartnäckig zu bleiben, gerade in solchen Momenten, in denen es scheint, dass alles gegen einen läuft“, sagte Herthas Trainer. „So eine Situation ist nicht einfach. Aber aufgeben oder jammern ist keine Option. Ich schau nicht nach links, ich schau nicht nach rechts. Und ich schau auf jeden Fall nicht nach unten.“

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