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Voller Tatendrang. Auf Andreas Rettig kommt in seinem neuen Job einiges zu.

© imago/Jan Huebner/imago/Jan Huebner

Ein kritischer Geist für den DFB: Aber den Bundestrainer darf Andreas Rettig nicht aussuchen

Das Establishment reagiert verschreckt auf die Ernennung von Andreas Rettig zum Geschäftsführer beim DFB. Bis zu einem gewissen Grad ist das sogar erwünscht.

Als Andreas Rettig beim Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli als Kaufmännischer Leiter angestellt war, hing an der Tür zu seinem Büro ein Bild der Comicfigur Schweinchen Schlau. Die Mitarbeiter des Klubs hatten es dort angebracht, nachdem Rettig von Rudi Völler als Schweinchen Schlau bezeichnet worden war.

Rettig hat darüber lachen können, und Rudi Völler, der Sportdirektor des DFB, kann es hoffentlich auch. Denn formal ist Andreas Rettig jetzt beim Deutschen Fußball-Bund sein neuer Chef.

Die Bestellung des 60 Jahre alten Rettig zum Geschäftsführer Sport der DFB GmbH & Co. KG war nicht nur eine ziemliche Überraschung. Sie ist für DFB-Verhältnisse auch durchaus gewagt – weil sie eben nicht die bequemste Lösung ist, die der Verband hätte treffen können. Das haben nicht zuletzt die Reaktionen aus dem Großkapital des deutschen Fußballs gezeigt.

Oliver Mintzlaff von Rasenballsport Leipzig und Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München haben am Wochenende ihren Rücktritt aus der Taskforce erklärt, die nach dem Debakel bei der WM in Katar ins Leben gerufen worden ist. Und sie haben das recht unverhohlen mit der Personalie Rettig begründet. Als „diskussionswürdige Entscheidung“ bezeichnete Rummenigge dessen Ernennung zum Geschäftsführer.

Wirtschaftlich herausfordernd, sportlich schwierig, aber mit Lichtblicken.

Andreas Rettig über den Zustand des deutschen Fußballs

Andreas Rettig war schon immer streitbar und auch in seinen früheren Funktionen alles andere als stromlinienförmig. In seiner Zeit als Geschäftsführer bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zum Beispiel brachte er das auch optisch zum Ausdruck. Weil Rettig selbst bei offiziellen Terminen nicht in der üblichen DFL-Uniform aus Anzug in gedeckten Farben, weißem Hemd und passendem Schlips erschien, wurde ihm intern der Spitzname „Strickjacke“ verpasst.

Aber genau deshalb haben sich der DFB und vor allem dessen Präsident Bernd Neuendorf für Rettig entschieden. Er habe nicht nur ein super Netzwerk, sagte Neuendorf am Montagmittag bei der offiziellen Präsentation des neuen Geschäftsführers, „er steht für mich für einen Perspektivwechsel, der im DFB gewollt ist“.

200
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Rettig unterstellt.

Rettig wird vor allem administrative Aufgaben übernehmen und ist beim DFB für rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig, die sich auf die drei Direktionen Nationalmannschaft (Rudi Völler), Nachwuchs (Hannes Wolf) und Frauen (noch vakant) verteilen. Die Suche nach dem neuen Bundestrainer bleibt weiterhin Völlers Aufgabe.

Als Sportdirektor sei er eindeutig der, „der den Hut aufhat“, sagte Neuendorf. Und Rettig ergänzte, dass es bei dieser Frage nicht um Hierarchien gehe, sondern um fachliche Kompetenz. „Da ist er mir überlegen, das ist überhaupt keine Frage.“

Eine durchaus sensible Personalie und diskussionswürdige Entscheidung.

Karl-Heinz Rummenigge über Rettigs Ernennung

Der DFB-Präsident verkündete zudem, dass man bei der Suche nach einem Nachfolger für Hansi Flick „einen deutlichen Schritt weiter“ sei. Man habe innerhalb des Verbandes ein Profil für den neuen Bundestrainer erstellt. Wie es aussieht, wollte Neuendorf nicht sagen. Ebenso wenig werde er Wasserstandsmeldungen zu Gesprächen mit möglichen Kandidaten abgeben.

Jenseits seiner administrativen Aufgaben soll Rettig auch weiterhin ein kritischer Geist sein. Die Situation im deutschen Fußball bezeichnete er als „wirtschaftlich herausfordernd, sportlich schwierig, aber mit Lichtblicken“. Langeweile werde er wohl keine haben, sagte der neue Geschäftsführer, dessen Vertrag bis zum 31. Dezember 2026 läuft.

Mit seinen Meinungen ist Rettig im deutschen Fußball immer wieder angeeckt. Erst vor gut einem Jahr geriet er in der Fernsehsendung Doppelpass mit Uli Hoeneß beim Thema Katar aneinander. Als „König der Scheinheiligen“ hat Hoeneß ihn bei dieser Gelegenheit bezeichnet.

Schweinchen Schlau und der König der Scheinheiligen

Mit Kritik an seiner Person könne er umgehen, erklärte Rettig. „Ich habe kein Glaskinn.“ Schließlich sei er selbst jemand, der gerne austeile.

Das wird künftig nicht mehr ganz so einfach sein. „Natürlich ist das ein Spagat“, sagte Rettig über die Anforderungen des neuen Jobs. Der Ton werde daher vielleicht ein bisschen leiser werden als zuletzt. Aber: „Einem guten Manager muss man nicht sagen, wann er Haltung zeigen soll.“

Rettig freute sich, dass die Gremien des DFB, zu denen auch Vertreter der Liga gehören, seine Anstellung einstimmig durchgewinkt hätten. Hans-Joachim Watzke, der Aufsichtsratschef der DFL, habe ihm in einem persönlichen Gespräch seine Unterstützung zugesagt, und auch um den FC Bayern werde er sich bemühen. Rettig äußerte die Hoffnung, „dass wir uns alle unterhaken“.

Dass das mit ihm und den Bayern ein bisschen schwieriger werden könnte, dessen ist er sich bewusst. Ja, das Verhältnis sei belastet, gab Rettig zu. Auch deshalb habe er noch vor der offiziellen Bekanntgabe seiner Anstellung versucht, telefonisch Kontakt zu Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge aufzunehmen. Fürs Erste blieb er erfolglos, aber Andreas Rettig weiß: „Wir werden den FC Bayern brauchen.“

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