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Alexander Zverev kommt in diesen Tagen gut an beim sonst oft kritischen Pariser Publikum.

© REUTERS/Lisi Niesner

Ein Jahr nach seiner Horror-Verletzung: Zverev wirkt in Paris wie befreit und so nahbar wie selten

Alexander Zverev lässt bei den French Open die Zweifel hinter sich. Doch trotz aller Freude über seine neue Leichtigkeit gibt es eine Sache, die ihn in Paris stört.

Um 1:20 Uhr betrat Alexander Zverev den nur noch spärlich gefüllten Pressekonferenzraum. Der Sonntag war mittlerweile angebrochen und so murmelte Zverev passend ein „Guten Morgen“ zur Begrüßung. Eine Stunde zuvor hatte Deutschlands bester Tennisprofi seinen Matchball zum 3:6, 7:6, 6:1 und 7:6-Sieg über den US-Amerikaner Frances Tiafoe auf dem Court Philippe Chatrier verwandelt.

Auf jenem Platz, auf dem Zverevs Karriere auf den Tag genau vor einem Jahr im Halbfinale gegen Rafael Nadal so schmerzhaft ausgebremst worden war, hatte er sich bei zugigen, kalten Pariser Bedingungen in der dritten Runde durchgekämpft und damit die zweite Woche beim größten Sandplatzturnier der Welt erreicht. „Ich bin wirklich glücklich, dass ich weiter dabei bin“, meinte der 26 Jahre alte gebürtige Hamburger.

Dass er aber bereits zum zweiten Mal im Verlauf der French Open eine Nightsession spielen musste, dämpfte seine Freude über diesen wichtigen Sieg etwas. Eigentlich ist Zverev ein Fan dieser Partien, die bei Grand Slams besonders im Fokus stehen. Aber anders als in New York oder Melbourne beginnen die Abendmatches in Paris nicht um 19 Uhr, sondern erst um 20:30 Uhr. „Und wenn man nicht in drei Sätzen gewinnt“, merkte Zverev an, „ist man nach Mitternacht noch hier und geht erst um vier, fünf Uhr morgens schlafen. Das ist schon irgendwo ein Nachteil.“

Ein regelmäßiger Rhythmus ist für den Körper der Spieler beim zweiwöchigen Kraftakt eines Grand Slams sehr wichtig und Schlaf ab 23 Uhr eigentlich ideal. Für Zverev folgten nach dem späten Matchball aber noch Medientermine, ein Eisbad, Essen und Massagen, bevor der Kopf erst in den frühen Morgenstunden aufs Kissen fallen durfte. „Angenehm ist das für den Körper nicht“, sagte Zverev, aber damit war das Thema für ihn erledigt.

Und das ist wohl der erstaunlichste Wandel, den Zverev bei seiner schwierigen Rückkehr nach Paris vollzogen hat. Der Hüne mit der momentan ungewöhnlich wilden Mähne gibt sich durchweg entspannt und freundlich, verbeißt sich nicht mehr mit seiner früher leicht abweisenden Art in Nebensächlichkeiten. Zverev wirkt in diesen Tagen erleichtert und schlicht glücklich, dass es nach einem Jahr voller Frust und Selbstzweifel, bedingt durch seine schwere Knöchelverletzung, nun endlich sichtlich aufwärts geht.

Die späten Matches in Paris gefallen Zverev nicht

Ganz offen teilte Zverev auch seine Sorge bei seinem Zweitrundenmatch gegen Alex Molcan. Vor seiner ersten Rückkehr auf den Pariser Center Court, jenen Ort, der schlimme Erinnerungen bei ihm weckt. „Ich war so nervös, deshalb bin ich noch vor der Partie rausgegangen auf den Platz“, erzählte Zverev. Seine Schmerzensschreie von damals hallten auch bei vielen Zuschauern noch nach. „Aber dann hat es Spaß gemacht, wieder dort zu spielen“, sagte er erleichtert: „Es war die perfekte Rückkehr.“

Zverev wirkt wie befreit und so nahbar wie selten. Mit den Zuschauern in Paris scherzt er gekonnt in den Interviews nach den Spielen. Selbst die Franzosen sind seinem Charme längst erlegen und sie fühlen mit ihm, weil Zverev vielleicht zum ersten Mal den Blick in seine Seele zulässt. Und so darf er sich auch im Achtelfinale gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov sicher sein, dass die Fans ihn tragen werden.

Die Unterstützung wird helfen, denn Zverev weiß, „jede Runde wird schwerer und ich muss meine Leistung auch weiter steigern“. Dimitrov hatte ein deutsches Duell mit Daniel Altmaier verhindert und Zverev ist gewarnt: „Grigor ist ein Wahnsinns-Spieler und spielt im Moment vielleicht das beste Tennis, das er je auf Sand gespielt hat.“ Zverev selbst hat das Vertrauen in sich und sein Spiel offenbar wiedergefunden. Und so wünscht er wohl nicht zu Unrecht: „Hoffentlich wird es für mich hier noch weit gehen.“

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