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Blick nach vorn: Özcan Mutlu (l.) plädiert dafür, einen fairen wirtschaftlichen Wettbewerb im Sport zu schaffen - ohne den Sportlerinnen und Sportlern ihre Bürgerrechte zu nehmen.

© dpa

Gastkommentar: Doping: Eine Frage der Haltung

Nach den jüngsten Enthüllungen über Doping im Deutschen Profifußball und den Untersuchungen an der Uni Freiburg zur Dopingvergangenheit des westdeutschen Sports fordert Özcan Mutlu die Einführung eines umfassenden Tatbestands Sportbetrug.

Mit der Doping Vorlage eines Referentenentwurfs zum Anti-Doping-Gesetz Ende vergangenen Jahres meint die Bundesregierung einen wichtigen Schritt für einen dopingfreien Sport gemacht zu haben. Eine Antwort für einen dopingfreien Sport wird dieses Gesetz jedoch nicht sein. Denn die Probleme liegen viel tiefer.

Das Gesetz will die Integrität des Sports schützen, indem Fairness wie Chancengleichheit gesichert werden sollen. Gezeichnet wird ein reichlich romantisierendes Bild des heutigen Leistungssports. Der sportliche Wettkampf wird in den Vordergrund gerückt, Olympia sei ein Friedensprojekt und eine Stätte der Begegnung - auch verfeindeter Nationen. Dieser Idee sollte der Sport sicherlich idealtypisch entsprechen. Aber der Leistungssport hat sich national wie international zu einer milliardenschweren Industrie entwickelt. Die Devise lautet: noch höher, noch schneller und noch weiter. Und wie bei jeder industriellen Struktur geht es weder um die Menschen noch um die Umwelt, sondern in aller erster Linie um wirtschaftlichen Profit. Dies mag man bedauern, zurückdrehen lässt sich dies wohl nicht mehr. Es müsste aber im Interesse eines sauberen Sports liegen, diese Entwicklung zu steuern und zu kontrollieren. Entscheidend ist, dass Gesellschaft und damit auch die Politik die Kommerzialisierung des Sports als Tatsache zur Kenntnis nehmen und die Erwartungen sowie den Umgang damit an diese Situation anpassen. Den antiken Olympioniken als sportliche Lichtgestalt, die aus den eigenen ihr innewohnenden Fähigkeiten begeistert, diesen Sportlertypen gibt es so heute längst nicht mehr. Die heute gezeigten Spitzenleistungen sind ohne wissenschaftlich begleitete Trainings- und Ernährungsmethoden nicht vorstellbar.

Hochleistungssport bedeutet permanente Konkurrenz und Leistungssteigerung. Vielen Sportlerinnen und Sportlern erscheint Doping weniger eine ethische Frage, sondern eher eine rechtliche Definition zu sein, die sich jederzeit ändern kann. Doping ist, was verboten ist. Alle Methoden und leistungssteigernden Mittel werden so lange genutzt, bis sie verboten werden. Die Sportverbände leben von den Einnahmen, die sie über Werbung und Übertragungsrechte erhalten. Auch das Umfeld der Sportlerinnen und Sportler – Trainer, Betreuer, Ärzte usw. – möchten am Erfolg ihrer Athleten partizipieren. Doch statt mäßigend in diese Leistungsspirale einzugreifen, befeuert die Bundesregierung diese monetäre Perspektive noch, wenn sie künftig den Fokus der Spitzensportförderung auf die Medaillenausbeute bei den Olympischen Spielen ausrichten will.

Leistungssport ist per se nicht förderlich für die Gesundheit

Mit dem Anti-Doping-Gesetz soll Doping verhindert und so die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler geschützt werden. Dagegen kann natürlich niemand etwas haben. Ob allerdings die Schaffung des gläsernen Athleten eine Lösung ist, für die kurzerhand die Sportlerinnen und Sportler von ihren Bürgerrechten entkleidet werden, wage ich zu bezweifeln. Die Realität ist ohnehin eine andere. (Hoch-)Leistungssport ist per se nicht förderlich für die Gesundheit. Manche Sportarten wie Fußball sollen ohne den dauerhaften Einsatz von Schmerzmitteln überhaupt nicht möglich sein. Ohne Frage: Doping gefährdet die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler. Genauso ist aber auch die Erwartungshaltung im Leistungssport Ursache für die Gefährdung der Gesundheit.

Den sauberen Sport wird es mit dem vorgelegten Anti-Doping-Gesetz nicht geben. Dazu bedarf es viel grundlegenderer Reformen wie einer wenigstens teilweisen Entkommerzialisierung des Leistungssports, der Einführung von nachhaltigen Fördersystemen und Ausbildungsangeboten für Sportlerinnen und Sportler, wie auch einer konsequenten Aufarbeitung der Geschichte des Dopings. Dazu zählen auch klare internationale Regelungen, die die internationalen Sportverbände dazu zwingen, Korruption, Doping und Misswirtschaft aufzuklären und konsequent zu bekämpfen.

Auch die Medien haben eine Verantwortung:  Die immer höheren Zahlungen für Übertragungsrechte von einzelnen Sportarten sind eine Hypothek für den Sport und vermutlich auch eine der Ursachen für den unsauberen Sport. Sie führen zu extremen Verteilungsunterschieden zwischen den Sportarten und erhöhen am Ende den Druck auf alle Sportlerinnen und Sportler, ihre Sportart möglichst spektakulär zu zeigen. Auch im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk gehört der Sport zu den mit Abstand teuersten Programmbestandteilen. Notwendig ist es, einen fairen wirtschaftlichen Wettbewerb im Sport zu schaffen - einen Wettbewerb, der auf klaren und transparenten Strukturen aufbaut. Richtungsweisend wäre die Einführung eines umfassenden Tatbestands Sportbetrug, der neben Doping auch Spielmanipulationen und Korruption unter Strafe stellt.

 Özcan Mutlu, MdB Sprecher für Sportpolitik Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag

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