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Die Spieler aus Russland stehen beim Elfmeterschießen gegen Kroatien auf dem Platz.

© Rebecca Blackwell/AP/dpa

WM-Kolumne: Liebesgrüße aus Moskau: Diese russische Mannschaft hat das Land begeistert

Trotz des Ausscheidens gegen Kroatien feiern die Russen ihre Mannschaft. Auch unser Kolumnist sah eine starke Leistung - die aber nicht gut für seine Nerven war.

Das Spiel Russland gegen Kroatien war ein echter Krimi. Wir hatten mit Fenerbahce gerade ein Testspiel absolviert, also habe ich das Spiel auf der Heimfahrt auf dem Handy geschaut. Ich war so nervös, dass mir das Handy ein paar Mal heruntergefallen ist. An sich spielten wir sehr diszipliniert, haben nicht viel falsch gemacht. Was man als Einziges bemängeln kann: Nach dem Traumtor von Denis Tscheryschew haben wir vielleicht zu schnell und zu einfach den Ausgleich kassiert. Auf diesem Niveau werden solche Kleinigkeiten direkt bestraft. Umso stärker ist die Mannschaft nach dem 1:2 zurückgekommen, da halfen die Fans im Rücken! Insgesamt war es meiner Meinung nach ein ausgeglichenes Spiel mit den besseren Chancen für Kroatien.

Unser Trainer Stanislaw Tschertschessow hat wie ein Animateur an der Seitenlinie die Fans aufgeputscht. Genau so kenne ich ihn. Er ist ein sehr emotionaler Typ. Tschertschessow hat gemerkt, wie sehr die Spieler die Unterstützung brauchen. Die Fans haben bei dieser WM eine große Rolle gespielt. Ich sage: Ohne sie wäre Russland nicht so weit gekommen und nicht so selbstbewusst aufgetreten.

Dann ging es ins Elfmeterschießen – und das war auch nicht gut für meine Nerven und mein Handy. Fjodor Smolow verschoss den ersten Elfer direkt mit einem Lupfer. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was er da vorhatte. Vielleicht wollte er den Ball in die Mitte schießen und hat sich dann durch die Bewegungen des Torhüters irritieren lassen. Aber ich mache ihm keinen Vorwurf; wenn der Torwart in die andere Ecke springt, sagt jeder: „Wow! Der hat Eier!“

Die Russen haben gezeigt, was in uns steckt - ich hoffe, das war erst der Anfang

Der dritte Schütze war Mario Fernandes – ausgerechnet er, der Torschütze zum 2:2, schob den Ball vorbei! Es tut mir leid für ihn, Mario hat ein super Turnier gespielt, der Mannschaft auf der rechten Seite viel Stabilität gegeben und sich bei jeder Möglichkeit nach vorne eingeschaltet. Außerhalb des Platzes ist er ein sehr ruhiger Typ, der viel lacht. Klar spricht er nicht perfektes Russisch, er spielte ja erst für Brasilien und ist erst seit zwei Jahren im Team dabei. Aber man kann sich normal mit ihm unterhalten. Die Mannschaft liebt ihn. Ich bin mir sicher, dass sie ihn nach seinem Fehlschuss aufgebaut haben. Er ist trotzdem wie die anderen Spieler ein Held dieses Turniers.

Russland ist über sich hinausgewachsen. Die Leistung der Nationalmannschaft wurde im Land hoch geschätzt. Ich habe Bilder und Videos gesehen, wie Fans die Mannschaft trotz des Ausscheidens gefeiert haben. Diese Anerkennung haben sich die Jungs hart erarbeitet! Die Mannschaft hat jeden einzelnen Russen begeistert und ich hoffe, dass sich daraus etwas Besonderes entwickelt. Jeder hat gesehen, mit wie viel Herz und Leidenschaft die Mannschaft gespielt hat. Und wie viel die Fans bei einem Spiel bewegen können.

Russland hat gezeigt, was in uns steckt. Ich hoffe, das war erst der Anfang. Nach so einem großartigen Turnier ist es schwer zu sagen, aber ich möchte gerne wieder ein Teil dieser russischen Erfolgsstory werden. Dafür werde ich mich jetzt wieder ordentlich reinhängen. Und mit jetzt meine ich auch jetzt: Die Vorbereitung läuft bereits. Diese Bilder aus Russland sind die beste Motivation.

Roman Neustädter spielte für die Nachwuchsmannschaften Deutschlands und ist jetzt russischer Nationalspieler.

Roman Neustädter

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