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Da ging es noch um den Sieg. André Greipel (links) hat auf der achten Etappe das Nachsehen gegen den Niederländer Dylan Groenewegen. Nun sind die Topsprinter nicht mehr dabei.

© REUTERS

Sprinter-Aus bei Tour de France: Die Tour frisst ihre Fahrer

Mehrere Sprinter haben das Zeitlimit verpasst und sind raus. Ist die Frankreich-Rundfahrt zu schwer geworden?

„Die Tour de France ist ein Biest, ein Monster“ – diesen Spruch hört man vornehmlich von den Fahrern, die Tag für Tag auf der Großen Schleife unterwegs sind und sich nicht den kleinsten Fehler erlauben dürfen. Chris Froome bringt so sein zwiegespaltenes Verhältnis aus Liebe, Furcht und Hass zu dem von ihm bereits viermal gewonnenen Rennen zum Ausdruck. Als männerfressendes Monster entpuppte sich die Tour in diesem Jahr aber auch für Sprinter. Eine ganze Garde von Topsprintern überstand die Alpen nicht.

Mark Cavendish und Marcel Kittel verpassten das Zeitlimit. André Greipel, Fernando Gaviria und Dylan Groenewegen stiegen aus Furcht, vergeblich gegen das Ablaufen der Uhr anzupedalieren, von selbst in die Teamautos um. Die Sieger von insgesamt 60 Etappen (Cavendish 30, Kittel 14, Greipel 11, Groenewegen 3 und Gaviria 2) sind vorzeitig zu Hause. Ihre Siege würden für fast drei Jahre Tour de France ausreichen, 21 Etappen ist die Rundfahrt jeweils lang.

Das brachte den Organisatoren Kritik ein. Greipel schätzte die Tour als „zu hart“ ein: „Ich bin schon siebenmal die Tour gefahren, aber es war noch nie so schwer wie in diesem Jahr.“ Besonders die zeitliche Nähe von den Pflastersteinen in Roubaix und den ersten Kehren in den Alpen zog vielen Fahrern den Saft aus den Beinen. „Ich weiß aus Erfahrung, dass man nach Paris-Roubaix drei, vier Tage Ruhe haben möchte. Der Körper hat überall Erschütterungen, egal, ob man gestürzt ist oder nicht. Und danach fährt man drei Alpenetappen mit 13 000 Höhenmetern. Für mich war dieses Spektakel zu viel“, sagte Greipel.

In Paris könnten nur noch Bergfahrer sprinten

Nicht alle konnten diese Kritik nachvollziehen. Greipels Teamchef Marc Sergeant sagte dem Tagesspiegel: „Die Alpenetappen waren nicht härter als in den letzten fünf, sechs Jahren.“ Auf die erste Woche mit dem Abschluss in Roubaix hatte der deutsche Sprinter Nikias Arndt auch einen etwas anderen Blick als Greipel: „Die erste Woche war ziemlich leicht, viel im Flachen. Wenn man dann direkt ins Hochgebirge geht, fällt es dem Körper manchmal schwerer, sich umzustellen.“

Arndt schaffte die Berge problemlos, half an manchen Anstiegen sogar noch seinem Kapitän Tom Dumoulin. Thierry Gouvenou, Streckenplaner der Tour, und damit erster Adressat von Greipels Kritik, spielte den Ball zurück ins Feld der Sprinter. „Schuld ist die Spezialisierung. Die Sprinter konzentrieren sich so stark auf ihre Disziplin, dass sie die Härte am Berg verlieren. Die Tour ist aber ein komplettes Programm aus Massensprints, Bergankünften und Zeitfahren“, sagte er. Vier Personen, vier Meinungen – die Tour de France ist auch eine Befindlichkeitsveranstaltung.

Das Rennen selbst bewahrte seinen biestigen Charakter. Am Samstag ging der Spanier Omar Fraile am Ende einer drei Kilometer langen Schlusssteigung als Schnellster einer anfangs 32 Fahrer starken Ausreißergruppe hervor. Der Berliner Simon Geschke wurde Sechster. Das Führungs-Duo Geraint Thomas/Chris Froome und der drittplatzierte Sunweb-Kapitän Tom Dumoulin aus den Niederlanden hatten mit der Tagesentscheidung 18:09 Minuten nach Frailes Zieldurchfahrt nichts zu tun. Seriensieger Froome muss jetzt wohl auf eine Schwäche seines Teamkollegen Thomas hoffen.

Der nächste vermeintliche „Sprinter-Killer“ folgt am Mittwoch. Auf nur 65 Kilometern geht es über drei Berge. Wegen der Kürze der Strecke ist das Zeitpolster extrem klein. Zwar wurde es auf 25 Prozent der Siegerzeit erhöht, üblich sind 18 bis 20 Prozent. Aber bei einer prognostizierten Zeit von 2:17 Stunden ist die erlaubte Verspätungszone nur 34:15 Minuten lang. Angesichts von drei Gipfeln ohne auch nur einen Kilometer flacher Strecke ist das schnell erreicht.

Möglicherweise sprinten am letzten Tag auf den Champs Elysées nur noch Bergfahrer. Das wäre zwar ein Spektakel. Vom Vollprogramm eines Wettkampfs für Sprinter und Kletterer, Zeitfahrer und Klassikerjäger wäre aber nicht viel übrig.

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