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Zentrum der Zocker. Von Singapur aus sollen zahllose Spiele in aller Welt verschoben worden sein.

© dpa

Wettmanipulation weltweit: Die Singapur-Connection

Obwohl seine Bosse festgesetzt wurden, manipuliert das asiatische Wettsyndikat weiter den Weltsport – wie jüngst im englischen Fußball.

Der eine große Wettpate steckt im Knast, der zweite steht unter Polizeiaufsicht. Das Betrugsspiel im internationalen Fußball geht dennoch munter weiter. Das zeigte eine Polizeirazzia Anfang der vergangenen Woche in Großbritannien. Zwei Männer aus Singapur, drei britische Profis aus unteren Ligen sowie ein früherer Premier-League-Spieler wurden wegen des Verdachts auf Spielmanipulationen festgenommen. Die National Crime Agency NCA beschuldigt sie, „ein illegales, international agierendes illegales Wettsyndikat“ betrieben zu haben.

Schlüsselfigur im aktuellen Fall ist Chann Sankaran. In Gesprächen mit verdeckten Ermittlern bezeichnete sich der 33-Jährige als Mitarbeiter des derzeit in Budapest unter Polizeiaufsicht stehenden Spielmanipulators Wilson Raj Perumal. Er hatte ihn, wie ein Foto aus Ermittlerkreisen zeigt, auch dort besucht. Perumal ging 2011 der finnischen Polizei dank eines Hinweises aus dem Umfeld seines Konkurrenten Dan Tan ins Netz. Er packte über seine eigenen Wettbetrugsaktivitäten vor allem in Finnland aus. Und er beschuldigte Dan Tan, Drahtzieher der Manipulationen im italienischen Fußball zu sein.

Seit September diesen Jahres ist Eng Tan Seet, genannt Dan Tan, in Singapur in Haft. Justizinsider in dem südostasiatischen Inselstaat gehen davon aus, dass auch der vermutliche Boss des Syndikats mit den Behörden kooperieren wird. Nach zahlreichen Dementis hat inzwischen auch die deutsche Justiz ein Auge auf ihn geworfen. Der Bochumer Staatsanwalt Andreas Bachmann, Leiter der Untersuchung „Flankengott“, meinte am Wochenende: „Wir haben Erkenntnisse gewonnen, dass führende Mitglieder aus unseren Beschuldigtenkreisen unmittelbaren Kontakt zu Dan Tan hatten. Deshalb stellen wir ein Rechtshilfeersuchen nach Singapur, um dies zu klären und weitere Beweise zu sichten.“ Laut „Spiegel“ soll es sich dabei um Ante Sapina handeln, der einst vom Berliner Wettlokal „Café King“ aus deutsche Ligaspiele manipulierte.

Die Aufklärung der Vergangenheit schreitet also voran. Eine Gewähr für sauberen Sport in der Gegenwart ist dies aber nicht. Die NCA hält Sankaran vor, „zwischen dem 1. und dem 26. November 2013 in Manchester und Umgebung gemeinsam mit anderen Buchmacher betrogen zu haben, indem sie den Verlauf von Fußballspielen beeinflussten und darauf Wetten setzten“.

Sankaran war dabei offenbar so dreist, dass er verdeckten Ermittlern haarklein seine Methode erläuterte. Er nannte sogar Preise für Spieler und Schiedsrichter. „Ein Spieler erhält 7.000 Pfund. Einen Schiedsrichter bekommt man für 20.000 Pfund, auch in Europa“, sagte er. Er brüstete sich auch damit, WM-Qualifikationsspiele verschoben zu haben, und nannte explizit Australien, Schottland und Irland.

Interessant ist der Hinweis auf Australien. Hier wurden im Sommer vier britische Profis festgenommen, weil sie gemeinsam mit einer Person, die ebenfalls dem Umfeld Wilson Raj Perumals zugeordnet wird, mindestens fünf Spiele in der zweiten australischen Liga verschoben haben sollen. In England spielten sie zuvor in der Conference South – jener Liga, der die jüngsten Betrugsvorwürfe gelten. „Sowohl im australischen Fall wie auch im aktuellen in England gibt es Personen, die nicht nur zufällig miteinander verbunden sind. Darüber sollten sich die jeweiligen nationalen Polizeibehörden austauschen und sich anschauen, welche Wechsel einzelne Spieler im Inland wie im Ausland unternommen haben“, rät Andreas Krannich von der Monitoringfirma Sportradar. Die Firma beobachtet seit 2004 den europäischen Wettmarkt und liefert Daten über verdächtige Wettmuster sowohl bei dem Skandal in Australien wie auch dem in England. Einer der jetzt in England festgenommenen Spieler soll sich im Sommer noch dem Zugriff der australischen Polizei entzogen haben.

Überraschend sind die jüngsten Ereignisse in Großbritannien aber nicht. Großbritanniens oberste Wettbehörde, die Gambling Commission, notierte allein für die letzten zwei Spielzeiten 39 verdächtige Fußballspiele. Im März 2013 wies sie in einer Presseerklärung explizit auf „verdächtige Wettmuster in Fußballspielen“ hin. Auch Andreas Krannich weiß, dass der aktuelle Fall eher die Regel als ein Einzelfall ist. „Die sportwettenbasierte Manipulation ist längst ein internationales Problem“, sagt er. „Es betrifft alle Länder und alle Ligen.“

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