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Die Schweizer Spieler (rote Trikots) flüchten nach dem Abpfiff in die Kabinen.

© imago images/Ulmer

Skandalspiel in der WM-Qualifikation im Jahr 2005: Die Schande von Istanbul

Für die Schweiz und die Türkei geht es am Sonntag in Baku um die letzte Chance auf das Achtelfinale. Das Kräftemessen ist historisch belastet.

Obwohl er damals erst zehn Jahre alt war, hat Manuel Akanji das Skandalspiel nicht vergessen. „Ich kann mich noch erinnern, dass ich das Spiel im Fernsehen gesehen habe“, sagt der heute 25 Jahre alte Schweizer Nationalspieler über das Duell zwischen der Türkei und der Schweiz am 16. November 2005, das am Ende nur noch wenig mit Sport zu tun hatte.

Die Partie, die als „Schande von Istanbul“ in die Schweizer Fußball-Geschichte einging, bewegt die Eidgenossen noch heute.

An diesem Sonntag (18 Uhr/ZDF und MagentaTV) treffen der Dortmunder Akanji, der frühere Münchner Xherdan Shaqiri und ihre Nationalteamkollegen bei der Europameisterschaft wieder auf die Türkei. Die Protagonisten sind andere, doch wie damals geht es für beide Mannschaften um viel.

„Es ist für uns wie ein K.-o.-Spiel“, sagt Verteidiger Akanji. Die Schweiz hat bei der EM in zwei Partien erst einen Punkt geholt. Die Türkei hat zweimal verloren und noch nicht einmal ein Tor geschossen. Beide kämpfen um ihre letzte Achtelfinal-Chance.

Beim dramatischen Duell 2005 ging es um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Nach einem 2:0-Sieg im Hinspiel in Bern reiste die Schweiz als Favorit zur entscheidenden zweiten Begegnung in die Türkei. Schon bei der Ankunft am Flughafen wurden die Spieler feindselig empfangen. „Welcome to Hell“ stand auf einem Plakat, auf einem anderen wurde der spätere BVB-Stürmer Alexander Frei beleidigt.

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Im Sükrü Saracoglu Stadi, der Heimspielstätte von Fenerbahçe Istanbul, drehten die Türken einen Rückstand und führten kurz vor Schluss mit 4:2. Nur ein Treffer fehlte der Mannschaft von Trainer Fatih Terim für die WM-Teilnahme, doch die Schweiz brachte das Ergebnis über die Zeit. Das Ergebnis weiß Akanji spontan nicht. „Ich kann mich vor allem an die Rangeleien erinnern, die nachher passiert sind im Gang Richtung Kabine“, sagt er.

Sehr viel Aggression

Die Schweizer Profis stürmten sofort nach dem Schlusspfiff Richtung Stadion-Katakomben, anstatt auf dem Platz zu feiern. Auf dem Weg dorthin kam es zu tumultartigen Szenen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Der damalige Dortmunder Philipp Degen brach ein Interview mit der ARD ab, um seinen Kollegen zu helfen. „Es war wahnsinnig, welche Aggression herrschte“, wird er in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zitiert. „So etwas habe ich in meiner Karriere nicht einmal ansatzweise ein anderes Mal erlebt.“

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Stéphane Grichting, der damals als Ersatzspieler dabei war, wurde bei einem Tritt in den Unterleib verletzt und musste ins Krankenhaus. „Selbst heute habe ich noch Nachwirkungen“, sagte er der Tageszeitung „Blick“. „Ich habe im Alltag immer noch Schmerzen und Beschwerden.“

Die Fifa reagierte mit harten Strafen auf die Ausschreitungen. Die Türkei wurde zu Partien vor leeren Rängen an einem neutralen Ort und einer Geldstrafe verurteilt. Mehrere Spieler wurden gesperrt – unter anderen auch der Schweizer und damalige Bundesliga-Profi Benjamin Huggel von Eintracht Frankfurt.

Auch bei dieser EM werden sich die Türken gegen die Schweiz ein wenig wie bei einem Heimspiel fühlen können. In Baku werden deutlich mehr türkische als Schweizer Anhänger erwartet. Zudem unterstützen auch die Einheimischen das Team von Trainer Senol Günes. Solche Ereignisse wie vor knapp 16 Jahren sind allerdings nicht zu erwarten. (dpa)

Thomas Eßer

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