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Sorgenvoll: Bundestrainer Joachim Löw.

© dpa

Fußball-Nationalteam: Die Nationalmannschaft ist zweifach geschockt

Wie lange werden die Erlebnisse von Paris und Hannover den deutschen Nationalspielern nachhängen?

Rund fünf Kilometer vor dem Stadion wurde der schwarze Bus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von der Polizei gestoppt. Und mit ihm der Bus der niederländischen Mannschaft, der direkt dahinter fuhr. Im ersten Bus wurden Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff über die Spielabsage infolge einer „konkreten Gefährdungslage“ telefonisch informiert. Reinhard Rauball, der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes, hatte zuvor Kontakt zu Innenminister Thomas de Maizière gehabt. „Dass unsere Mannschaft innerhalb von vier Tagen zweimal so ein tragisches Erlebnis miterleben muss, war in meiner Vorstellungskraft nicht möglich“, sagte Rauball noch am selben Abend.

Statt mit dem Freundschaftsspiel gegen die Niederlande ein Symbol für Frieden und Freiheit setzen zu können, mussten die Nationalspieler wieder um- und nach Barsinghausen ins Teamquartier zurückkehren. Das aber nur kurz, anschließend fuhr der Bus an einen sicheren Ort. Nähere Angaben wollte der DFB aus nachvollziehbaren Gründen nicht machen. Und während sich die vielleicht 5000 Menschen, die das Stadion zum Zeitpunkt der öffentlichen Absage bereits erreicht hatten, wieder auf den Heimweg machten, flogen bereits die ersten Nationalspieler wie Thomas Müller direkt in ihre Heimatorte. Die meisten anderen Spieler wurden mit der Fahrbereitschaft auf den Weg gebracht oder von Freunden abgeholt. Als Letzter verließ Shkodran Mustafi Hannover, der erst am Mittwochmorgen nach Valencia flog, wo er seit eineinhalb Jahren spielt. Die Mannschaft der Niederlande flog noch in der Nacht nach Amsterdam zurück.

Die Bedrohung sei "spürbar" gewesen

Auch wenn es keine Hinweise darauf gibt, dass die deutsche Nationalmannschaft sowohl in Paris als auch in Hannover das primäre Anschlagsziel gewesen ist, so wirken beide Erlebnisse nach. Schon in der Terrornacht von Paris hatte Löw das Gespräch mit dem Teampsychologen Hans-Dieter Hermann gesucht, um erste Maßnahmen zu besprechen. In Paris sei die Gefahr konkreter gewesen, sagte gestern Hermann in einem DFB-Interview, „schon weil wir die Detonationen, die Geräusche, selber wahrgenommen haben“. In Hannover sei die Gefahr eher abstrakt gewesen. „In Verbindung mit den Vorerlebnissen war die Bedrohung dennoch spürbar.“

Schon die Anschläge am Rande des Stade de France am vergangenen Freitag hatten die Spieler zum Teil tief verunsichert. Das Bedürfnis, das Spiel in Hannover gegen die Niederlande auszutragen, war unter den Spielern nicht sehr stark ausgeprägt. „Wir haben uns irgendwo dann auch ein Stück weit dagegen ausgesprochen, um da mal auch ehrlich zu sein, weil wir letztendlich keine Maschinen sind, sondern auch Menschen mit Gefühlen“, sagte etwa der Dortmunder Nationalspieler Ilkay Gündogan. „Auch wenn wir Profis sind, in dem, was wir machen, geht das nicht spurlos an einem vorbei.“

Die Frage wird sein, wie die Spieler die Erlebnisse in so kurzer Zeit verarbeiten und sich wieder auf ihren Sport konzentrieren können. Denn trotz des abgesagten Länderspiels soll in der Bundesliga am Wochenende gespielt werden. Die Dortmunder Nationalspieler Gündogan, Mats Hummels und Matthias Ginter haben bereits am Freitagabend beim Hamburger SV zu spielen. Bekanntlich werden Stress- und Bedrohungssituationen individuell sehr unterschiedlich verarbeitet. Und von außen auf den ersten Eindruck auch nicht unbedingt zu erkennen. „Denkbar ist durchaus auch, dass Sorgen und Ängste bei einigen erst mit etwas Abstand zu Tage treten“, wie Hermann sagte. „Die Tatsache, dass durch das Spiel in Hannover keine relative fußballerische Normalität – im Sinne eines reibungslosen 90-minütigen Spiels – stattfand, steht einer schnellen angemessenen Verarbeitung entgegen.“ Erst der Alltag in den Vereinen und die Gespräche zu Hause würden helfen können.

Der Gedanke, dass im kommenden Sommer in Frankreich die EM-Endrunde stattfindet, ist nach der Spielabsage von Hannover erst einmal in den Hintergrund getreten. Die naheliegende Realität ist jetzt die Bundesliga. Nicht nur für die Nationalspieler, sondern auch für die Zuschauer.

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